Wie liebe ich unser östliches Nachbarland... natürlich die Landschaften und Wurstwaren, aber vor allem die dort lebenden, überaus warmherzigen Menschen. Zudem versteht wohl kein anderer unserer Nachbarn unsere
»German angst« besser als diese von Selbstzweifeln und allgemeinem Weltschmerz verfolgte Nation (
»noch ist Polen nicht verloren«)!
Vor allem aber liebe ich diese weltoffene Musikszene, die regelmäßig für Überraschungen sorgt. Lange Zeit beschränkten sich diese auf den
Metal- und vor allem den
Progressive-Bereich, mittlerweile können die Polen aber auch im
Hard Rock locker punkten... und das ziemlich fett!
»Modern Rock« kündigt die Plattenfirma an und erntet damit einen um Hilfe heischenden Blick gen Himmel. Was soll das denn sein? Schnell vergessen...
Chemia klingt eher wie ein gelungener Hybrid aus
Nickelback und
Myles Kennedys Klasse-Band
Alter Bridge. Wie diese, offenbart der polnische Sechser ein traumwandlerisches Gespür für die mitreißende, nach vorne treibende Hook - man riskiere diesbezüglich mal bei "Bondage Of Love" oder "Generation Zero" ein Ohr. Ein paar Spritzerchen von den üblichen Nu Metal-Verdächtigen sind ebenfalls deutlich auszumachen, vor allem, wenn die Gitarren wie in "B 52" oder "Sweet" 'sägen'.
Chemias ganz große Stärke liegt allerdings in den Powerballaden - selten habe ich hymnischere ("Hero"), 'westcoastigere' ("Everlasting Light") oder schmalzig-seelenvollere ("Stalker") gehört.
Mein persönlicher Favorit, "Happy Ending", ist aber deutlich hochoktaniger.
Łukasz Drapala outet sich nicht nur hier als erstklassiger Sänger und - man möge es mir milde nachsehen -
Rafal Stępieńs Hammond flirrt und gurgelt hier, dass es eine helle Freude ist.
Doch noch ist nicht alles Gold was glänzt. "Fire" klingt dann doch eher nach Dutzendware und das mit leicht punkiger Attitüde rausgerotzte "Fuckshack" will für meinen Geschmack rein gar nicht in den Kontext passen. Aber das ist, angesichts der ansonsten durchgängigen Qualität der Songs, meckern auf ziemlich hohem Niveau!
Der mir vorliegenden Digipak-Edition hat man mit der zauberhaften Pianoballade "Letter" noch einen überaus hübschen Bonustrack spendiert, der "The One Inside" gelungen abrundet.