"Where Blues Crosses Over" - das ist das Motto des deutschen Blues-/Rock-Labels Ruf Records, und es verwundert nicht, wenn dessen Gründer Thomas Ruf eine solche Geschichte der Grenzüberschreitung als Ursprung seiner Musikbegeisterung beschreibt: Eines Nachts sei er Zeuge geworden, wie Blues-Altmeister Luther Allison nach einer Show mit 80-jährigen Musikern aus dem Schwarzwald eine Jamsession abgehalten habe. Tief beeindruckt von der verbindenden Kraft der Musik, begann Ruf bald darauf seine Karriere im Musikgeschäft und arbeitete zunächst auch für - wen wundert's - Luther Allison.
Sein Label Ruf Records hat sich spezialisiert auf Blues Rock und andere Formen des 'grenzüberschreitenden' Blues und ist in den letzten Jahren besonders dafür bekannt geworden, vielversprechende Jungstars unter Vertrag zu nehmen - man denke nur an Aynsley Lister, Oli Brown und Joanne Shaw Taylor. Die jährlich stattfindende Blues Caravan, bei der jeweils drei junge Ruf-Künstler gemeinsam auf Tour gehen, hat sich zu einer festen Größe in der deutschen Blueslandschaft entwickelt und beweist immer wieder eindrucksvoll Thomas Rufs Gespür für frische Talente, die mit ihrer Interpretation des Blues neue Wege gehen und auch ein jüngeres Publikum erreichen können.
Aber Ruf betreibt nicht allein das Projekt 'Zukunftssicherung des Blues', es finden sich auch etablierte Größen wie Jeff Healey, Coco Montoya und der schon erwähnte Luther Allison im Programm des Labels.
Der im Februar veröffentlichte Sampler "Where Blues Crosses Over 2010" soll einen Eindruck vom abwechslungsreichen Spektrum des Ruf-Katalogs vermitteln und bietet elektrischen und akustischen, klassischen und rockigen, jungen und alten Blues zusammen auf einer CD.
Schon nach den ersten drei Songs hat man die drei musikalischen Grundpfeiler des Labels im Ohr: Der inzwischen in Deutschland lebende Big Daddy Wilson eröffnet die Zusammenstellung mit seinem akustischen Steel-Slide Song "Love Is The Key" vom gleichnamigen Album und bietet klassisches Mississippi Blues-Feeling, gepaart mit seiner dunklen Stimme und der allseits bekannten frohen Botschaft: »All we need is love«.
Es folgt die verstorbene Blues Rock-Legende Jeff Healey, der mit "I Think I Love You Too Much" vom Live-Album Songs From The Road für die Fraktion des hart rockenden Blues vertreten ist. Hier zeigt sich, dass dessen Stärke eindeutig in seinen Live-Auftritten lag, denn obwohl Healeys letztes Studioalbum von der Kritik hoch gelobt wurde, erreichen diese Aufnahmen doch nie die schreiend-gefühlsgeladene Qualität seiner Gitarreneskapaden vor Publikum, wie man sie auf dem zweiten Track des Samplers hören kann. Song Nummer drei schlägt dann wiederum ganz andere Töne an und steht für das dritte Standbein von Ruf Records neben klassisch-akustischem Blues und Bluesrock: junge Frauen im Bluesgeschäft. Während Damen auf Blues Rock-Bühnen vor einigen Jahren noch eine echte Rarität waren, wird in Zeiten von jungen Gitarristinnen wie Susan Tedeschi, Joanne Shaw Taylor und Ana Popovic die Luft für die männlichen Kollegen inzwischen zunehmend dünner.
Allerdings sind weder die slidende Finnin Erja Lyytinen noch die österreicherische Sängerin Meena, die 2010 auch ein Teil der Blues Caravan sein wird, die besten Beispiele für die neue Weiblichkeit im Blues.
Meenas Titel "Nothing Left" vom Debüt-Album Try Me, der es als dritter Song auf die Compilation geschafft hat, kommt arg verspielt daher und bedient austauschbare Klischees im Bereich des eher poppigen Blues - da helfen auch die paar Funk-Einsprengsel hie und da nicht viel. Ihre Stimme und auch das Gitarrenspiel ihres Bandkollegen Chris Fillmore verblassen neben der immerhin acht Jahre jüngeren Joanne Shaw Taylor, deren Debüt White Sugar letztes Jahr für Furore in der Blues-Community gesorgt hat. Auch wenn mit "Just Another Word" weitaus nicht der beste Track ihres ersten Albums ausgewählt wurde - diese Frau als »love child of Stevie Ray Vaughan and Dusty Springfield« zu bezeichnen ist nicht zu weit gegriffen. Mit ihrer rauchigen Stimme und ihrem so gar nicht 'mädchenhaften' Gitarrenspiel hat sie das Publikum der Blues Caravan 2009 im Sturm erobert und auch ihr Erstlingswerk schaffte es in die Top 10 Jahreslisten vieler Bluesfans.
Auch Oli Brown, der mit Open Road schon 2009 von sich reden machte und ebenfalls Teil der letztjährigen Blues Caravan war, fällt unter die Kategorie 'Hoffnungsträger'. Zwar ist sein Spiel nicht ganz so versiert wie das Taylors, aber das Debüt des jungen Engländers strotzt nur so vor guten Songideen und einer überaus gelungenen Melange aus Blues, Funk, Rock und Pop - der in die Ruf-Compilation aufgenommene Track "Stone Cold (Roxanne)" ist dafür ein gutes Beispiel.
Neben den Youngsters sind auf dem Sampler für 2010 aber natürlich auch die 'alten Hasen' vertreten - nicht zuletzt Ex- Mayall-Sideman Coco Montoya, der den Titeltrack zu seinem neuen Album I Want It All Back beisteuert. Der Song klingt zurückgenommener und melodiöser als das zuletzt veröffentlichte, eher rockige Album Dirty Deal, aber auch der entspannte Blues steht Herrn Montoya gut.
Der eher klassische Blues - sei es nun Luther Allisons Glanzstück "Living In The House Of The Blues" oder der schon erwähnte Akustik-Blues von Big Daddy Wilson - wird ebenfalls gewürdigt. Ein kleines Highlight des Samplers in dieser Hinsicht ist der stampfende Chicago Blueser "Big Town Playboy" von Omar Kent Dykes und Jimmy Vaughan.
Insgesamt ist "Where Blues Crosses Over 2010" eine überzeugende Visitenkarte für Ruf Records, die sich neben dem großen Bruder Provogue Records zu einer der vielseitigsten und präsentesten europäischen Plattenfirmen für Blues und Blues Rock entwickelt hat. Zwar kann das deutsche Label im Vergleich mit Provogue nicht mit den ganz großen Namen aufwarten, aber dafür macht sich Thomas Rufs Gespür für talentierte Jungstars bezahlt, die den Blues auf ihre Weise interpretieren und einem neuen Publikum zugänglich machen.
Dass dabei Altbewährtes nicht vergessen wird, macht gerade den Reiz dieser Compilation aus - sie zeigt, wie vielseitig und lebendig der Blues 2010 klingen kann.
Tracklist |
01:Love Is The Key - Big Daddy Wilson
02:I Think I Love You Too Much - Jeff Healey
03:Nothing Left - Meena
04:Living In The House Of The Blues - Luther Allison
05:Stone Cold (Roxanne) - Oli Brown
06:Just Another Word - Joanne Shaw Taylor
07:Chasing The Sun - Shakura S'Aida
08:Big Town Playboy - Omar Kent Dykes
09:Crowes At Your Door - Erja Lyytinen
10:I Want It All Back - Coco Montoya
|
|
Externe Links:
|