Wie fängt man an? Wie beginnt man ein Thema wie dieses, wenn es der Worte zu wenig und der Emotionen zu viel gibt? Kann man überhaupt das Richtige sagen; kann man genug sagen? ...Man kann nicht, scheint mir - egal, was man tut.
Ich war im Grundschulalter, als ich ihn zum ersten Mal hörte. Ich war bereits Black Sabbath verfallen, hatte aber keine Ahnung, dass es überhaupt andere Line-ups gegeben hat. Ich bekam die Gelegenheit, ein krudes, inoffizielles Best-Of zu hören, das natürlich auf die 70er fixiert war - enthalten waren aber auch zwei Songs von "Mob Rules": "Turn Up The Night" und der Titelsong. Bei selbigem lief es mir kalt den Rücken hinunter - zuerst bei dem Weltklasse-Riff, und dann, als Ronnie James Dios Stimme durch unser Wohnzimmer hallte. Der kleine Christoph hockte vor der heimischen Stereoanlage und traute seinen Ohren nicht. Wie war das möglich? Wie konnte jemand so singen?
Immer wieder musste ich es hören, so unglaublich kraftvoll und durchdringend war diese Stimme. ...Hier war Magie im Spiel, kein Zweifel. Die Tür war geöffnet und mehr Dio strömte herein - unwiderstehlich, unaufhaltsam. So bedeutete jede Ära, jedes Album etwas ganz Besonderes für mich.
So etwa die ersten drei Rainbow-Alben, die Ronnie die Gelegenheit gaben, seiner Vision ein Stück näher zu kommen. Ein paar Filler waren dabei - der Rest war pures Gold. Man denke nur an "Man On The Silver Mountain", "Sixteenth Century Greensleeves", "Stargazer" oder "Gates Of Babylon".
Danach wurde es noch geschichtsträchtiger. Nach dem überfälligen Rausschmiss von Ozzy Osbourne bat Tony Iommi unseren Ronnie, den taumelnden, dekadenten Black Sabbath beizutreten - mit erlesenen Zutaten wurde schließlich ein Schwermetall-Ensemble par excellence aus der Taufe gehoben. Die Qualität der folgenden zwei Alben spottet jeder Beschreibung. Jeder verdammte Haushalt sollte sie im Regal haben. Man hatte Perfektion erreicht. Noch etwas düsterer, noch etwas heavier - Dio war zu Hause angekommen; seine musikalische Vision Wirklichkeit geworden.
Leider wollte es das Schicksal, dass während der Produktion von "Live Evil" durch Missverständnisse und Streitereien ein zu großer Keil in die Band getrieben wurde. Dio nahm abermals seinen Hut - und Vinny Appice gleich mit. Nun kam das zum tragen, was Dio von Anderen abhob: Bei allen Anderen wäre spätestens jetzt ein Einbruch in Sachen Qualität gekommen; wenn nicht schon Jahre vorher. Stattdessen brach nun mit Feuer und Schwert die Band Dio über die Rockwelt herein und veröffentlichte mit "Holy Diver" einen weiteren Meilenstein, als ob es nichts Leichteres gäbe. Sicher, es waren die Achtziger, und der Kitschfaktor wurde auf den beiden folgenden Alben stark nach oben geschraubt. Das Konzept hatte sich mit "Sacred Heart" ebenfalls etwas abgenudelt und das Bild von Ronnie mit dem Schwert, wie er Dean, den Drachen angreift, mutet heute etwas komisch an. Die Songs waren aber immer noch stark, die Live-Shows energetisch und erfolgreich wie eh und je. Und auch, wenn Käse wie "Mystery" dazwischen ist - Dio könnte Hänschen Klein singen und ich wäre verzaubert.
Dennoch - ein Wechsel musste her. 1987 erblickte "Dream Evil" das Licht der Welt - immer noch erstklassig, immer noch magisch und mit dem Opus "All The Fools Sailed Away" im Gepäck.
Weiterhin drohte aber immer noch Stagnation, und Dio wirkte ihr entgegen, indem er eine komplett neue Band um sich scharte. Heraus kam 1990 das sträflich unterschätzte "Lock Up The Wolves"; die Achtziger waren damit im doppelten Sinne vorbei. Feine Songs waren dabei, und die Band klang nun etwas anders - aber letztendlich ging Dio auch das nicht weit genug. Er wollte keine Märchen mehr erzählen, kein Dungeons & Dragons mehr. Da kam der Versöhnungsversuch von Geezer Butler gerade Recht: Die Reunion spielte zu dem Zeitpunkt allen Beteiligten in die Karten. Heraus kam das agressivste, härteste und düsterste Sabbath-Album aller Zeiten, und gleichzeitig mein liebstes - und auch die erste CD, die ich je besessen habe: Dehumanizer. Hier bewies Ronnie, dass er nicht nur über Regenbögen und Drachen schreiben konnte, sondern auch über die harte Realität. Texte wie der aus "Computer God" gehören zu seinen besten Momenten überhaupt. Dann kam es allerdings abermals, wie es kommen musste: Tony Iommi und Geezer Butler planten hinter den Kulissen bereits die nächste Reunion mit Ozzy. Dio witterte das, bewahrte seinen Stolz und stieg aus.
Mit Wut im Bauch behielt Ronnie aber den musikalischen Trend bei und stellte sich ein wahres Monster von einer Band zusammen. Für den neuen Sound der Band Dio zeichnete vor Allem ein Mann verantwortlich: Gitarrist Tracy G. Totale Veränderung hielt Einzug, und man erkannte die Band auf dem Album "Strange Highways" nicht wieder. Ich persönlich habe Jahre gebraucht, um sein Spiel zu verstehen und schätzen zu wissen. Als es aber so weit war, ist Tracy sofort zu meinem Lieblingsgitarristen neben Tony Iommi geworden. Nötig dazu war auch ein intensives Studium seiner späteren Soloalben, die für mich rückwirkend die Schlösser zu seinen drei Dio-Outputs öffneten. Das Album "Angry Machines" folgte - und floppte. Tatsächlich war es im Vergleich eher schwach, hatte aber durchaus seine Momente und mit "This Is Your Life" einen der tollsten Dio-Songs überhaupt (Scott Warren hat ihn jüngst auf der großen Trauerfeier gespielt). Zu der anschließenden Tour gab's dann endlich das erste echte Live-Album der Band: "Dio's Inferno - The Last In Live", das ich besonders erwähnen muss - es handelt sich dabei um mein Lieblings-Live-Album überhaupt. Es gibt für mich nur drei Bands mit Ronnie, die live ganz Großes - ich meine ganz Großes - schaffen konnten, und das ist für mich neben Rainbow und Sabbath ebendiese mit Dio, Appice, Dennison und Tracy G. Dio hatte in all den Jahren ausschließlich Spitzenkräfte an der Gitarre, aber Tracy G war der einzige wahre Meister seines Fachs. Leider hatten die Dio-Fans ihre Köpfe noch in den Achtzigern und nicht so viel Geduld mit seinen sperrigen, progressiven Tönen wie ich.
Tracy G musste gehen, und die letzte Ära der Band brach an, die uns nichtsdestotrotz drei Top-Alben lieferte. Den Anfang machte kurz nach der Jahrtausendwende "Magica", das auf einer eigens von Ronnie geschriebenen Fantasy-Geschichte basierte. Und die war gar nicht mal schlecht, wenn auch wieder recht kitschig. "Killing The Dragon" und "Master Of The Moon" folgten und enttäuschten niemanden - auch mich nicht. Was die tumbe Masse aber nicht gemerkt hatte: Etwas aus den kantigen Neunzigern war geblieben. Ein kleines Maß an versteckter Komplexität, das er allen, aber nicht mir unterjubeln konnte. Ich freute mich damals diebisch darüber. In den Achtzigern hätte es Gesangslinien wie bei "Turn To Stone" oder "Killing The Dragon" nicht gegeben.
Dann schenkten Black Sabbath uns das, was mir unheimlich viel bedeutete: die zweite Reunion; diesmal unter dem Heaven & Hell-Banner. Gereift und geläutert ging man es diesmal langsam an, was sich als goldrichtig erwies. Wir bekamen nicht weniger als eine irrsinnig gute Live-DVD, ein Live-Album eines Konzerts der "Mob Rules"-Tour sowie, endlich, das ganz tolle, neue Studioalbum The Devil You Know. Eine zweite Live-DVD wird noch folgen. Was mich an dieser ganzen Geschichte am meisten erfreute, war noch nicht einmal die Musik. Vielmehr war es das Gefühl von Zufriedenheit und Freude, was die vier Veteranen vermittelten; das Lächeln auf der Bühne. Endlich waren alle wieder dort, wo sie hingehörten. Ich bin unendlich dankbar dafür, dass es noch Zeit und Gelegenheit für diese stille Sensation gegeben hat. All die Jahre hatte man das Gefühl, dass es noch lose Enden zu verbinden, noch 'unfinished business' zu erledigen gab. Dass dies nun weitestgehend geschehen ist und alle ihren Frieden gemacht haben, bevor es zu spät war, ist unbezahlbar.
Ronnie James Dio war für mich erst in zweiter Linie Musiker. Zuallererst war er immer ein Mentor; der weise, alte Mann, der milde lächelnd und voller Wohlwollen auf mich herabblickte. Ohne abgedroschen klingen zu wollen - ich dachte immer, dass ich in ihm einen Freund hatte, der so fern und doch stets an meiner Seite war. Wo er war, da war ich, und wo ich war, war er. Wann immer seine Stimme ertönte, machte sich Geborgenheit in mir breit. Mit ihm habe ich einen großen Teil meines Lebens verloren. Wie groß, das weiß ich erst jetzt. Egal, wohin ich blicke, höre oder fühle - überall fehlt ein kleines, wärmendes Stück Zuhause.
So war er für mich - für uns alle war er der große alte Magier des klassischen Rock; der glänzende, goldene Gott des Metal. Er selbst hat das anders gesehen: Genau so legendär wie sein musikalisches Vermächtnis sind auch seine Qualitäten als Mensch. Dieser Tage sind überall im Web kleine Geschichten und Erinnerungen befreundeter Musiker aufgepoppt. Sie alle berichten vom einem Mann, der mehr als bescheiden und bodenständig war. Großzügig, gebend, unglaublich warmherzig und freundlich war er, das bestätigt Jeder, der die Chance hatte, ihn kennen zu lernen.
Diese Eigenschaften nahm er auch mit auf die Bühne: Seine Liebe zu den Fans, das konnte man mit jeder Faser des Körpers spüren, war echt. Das, was er bekam, gab er mit scheinbar übermenschlichen Kräften zurück. Daran bestand nie ein Zweifel - er schuldete es sich selbst.
Viele Worte waren das jetzt, aber natürlich nicht genug. Ich wünschte, sie könnten auch nur zu einem Zehntel mein Gefühlsleben wiedergeben, doch ich bezweifle, dass sie das tun.
Danke, Ronnie. Danke, dass Du der Mensch warst, der Du warst. Und dass Du Deine Gabe mit uns geteilt hast. Wir lieben Dich und sind bei Dir, so wie Du immer bei uns warst.
»My eyes can see inside tomorrow
My eyes can get next to you
Time flies on wings that
just get stronger
My eyes are true
My eyes could see the body shakin'
My eyes were clear and bright
Goodbyes are easy to remember
You can see the hurt
still there in my eyes
I've fallen off the
edge of the world
I've fallen from the top
of the mountain
Just to rise again
I've seen it from heaven and hell
I've seen it from the
eyes of a stargazer
I want to be invisible
Just get me out of here
Could the dreamer be
turning to stone
Rock and roll eyes
The color of rain
bows-believer of lies
Rock and roll eyes
My eyes
Don't want to see the end of it all
Just get me outta here
Just get me outta here
Just get me outta here
Rock and roll eyes
Tell rock and roll lies
And rock and roll lies
Never end
Rock and roll friends
With rock and roll trends
And rock and roll ends
With my eyes«
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