Andrea: Auch wenn Rainbow nicht die erste Band in der langen musikalischen Karriere von Ronnie James Dio war, so habe ich ihn doch mit dieser Band kennen gelernt. Genauer gesagt war meine erste LP mit ihm (und eine meiner ersten LPs überhaupt) die "Rising". Wie und warum ich dazu kam, weiß ich nicht mehr genau … war es, dass ich im Radio "Tarot Woman" hörte und hin und weg war? War es, weil für mich als Kind Regenbögen zu den wunderbarsten und schönsten Dingen auf der Welt gehörten und ich daher den Namen und das Cover wunderschön fand?
Meine Begeisterung war groß, die Scheibe erschien mir über Jahre als fast perfekt, hatte die besten Musiker, die besten Songs (darunter einer meiner All Time-Favoriten "Stargazer"), ein wunderschönes Cover … Lediglich die Spielzeit hätte etwas länger sein dürfen. Dennoch war es jahrelang meine Lieblingsplatte und auch heute noch, wenn jemand mich nach den Highlights der 70er fragen würde, wäre sie ganz vorne in der Liste. Damals hatte ich für mehrere Jahre ein großartiges Rainbow-Poster in meinem Zimmer, eine Mischung aus den ersten beiden Cover-Motiven. Am liebsten hätte ich das als großes Wandbild gehabt. Nun, dafür hätten meine Zeichenkünste wohl nicht gereicht.
Natürlich habe ich kurz danach auch die " Ritchie Blackmore's Rainbow" sowie "Long Live Rock'n'Roll" gekauft, welche ebenfalls großartige Songs enthalten, aber die "Rising" wird für mich immer etwas Besonderes bleiben. Als Ronnie Rainbow verließ, verblassten die strahlenden Farben des Himmelsbogens, die Musik auf den späteren Werken ist nicht schlecht, aber kein Vergleich zum dem vorherigen Zauber und Erhabenheit.
Von daher war ich sehr froh, als ich erfuhr, dass dieser wunderbare Sänger bei Black Sabbath eingestiegen war, auch wenn die Ozzy Osbourne-Anhänger das anders sahen. Sicher, mit ihm war es das Original-Line-up, doch hatte deren Qualität stark nachgelassen. Ich fand es gut, es gab dann drei Formationen: Ozzy machte solo weiter, Rainbow ohne Ronnie, der dafür bei Black Sabbath gleich für ein weiteres Götterwerk sorgte: "Heaven And Hell" enthält mit dem Titellied einen weiteren All Time-Favorite-Song von mir, wobei "Children Of The Sea" kaum schlechter ist, "Neon Knights" ist auch toll, ja eigentlich alles. Daher waren (und sind) mir sämtliche negativen Meinungen dazu gleichgültig - ich liebe diese Scheibe. Den Nachfolger "Mob Rules" fand/finde ich insgesamt nicht mehr ganz so stark, jedoch sind darauf mit "Sign Of The Southern Cross" und vor allem dem Anfang von "Falling Of The Edge Of The World" wieder göttliche Momente, die nie verlöschen werden. Auch die "Live Evil" wusste mich gleich zu begeistern, gerade die alten Songs (z.B. "Iron Man") mit neuem Sänger sind reizvoll - meiner Meinung nach. Doch auch diese Kombination währte nicht lange.
1983 übernahm der "King Of Rock'n'Roll" (wie ein späterer Songtitel lautet) selbst das Zepter in die Hand und startete seine Solokarriere. "Holy Diver" erschien in gewohnt guter Qualität, einem ähnlichen Aufbau wie die "Heaven And Hell" (nur dass das Titellied auf Position zwei wechselte - dieses Schema griff Ronnie auch bei den Nachfolgern wieder auf) und mit etlichen hervorragenden Songs, weswegen die LP zu den besten Scheiben der 80er gezählt wird. Ich persönlich mochte allerdings die "The Last In Line" etwas lieber. Die Argumente dafür sind z. B. der letzte Track "Egypt (The Chains Are On)" und der fantasievolle Videoclip mit Science Fiction-Elementen zum Titelsong, in dem ein Junge mit dem Fahrstuhl in die Hölle fährt, wo ihm schließlich ein laserschwertschwingender Ronnie James Dio hilft, wieder zu entkommen. Typische 80er-Machart, einfach klasse, ich weiß gar nicht, wie oft ich den damals und in den letzten Tagen auch wieder angesehen habe.
Gleiches gilt auch für "Rock'n'Roll Children", mit dessen Inhalt und Botschaft sich viele Metalfans der 80er identifizieren konnten - ich auch. Dio als Magier mit Kristallkugel, der Ängste und Hoffnungen der jugendlichen Protagonisten zeigt. Natürlich war auch der Song selbst wieder göttlich, ebenso das Titellied der Scheibe, auf der er zu finden war: "Sacred Heart", welches zwar von Drachen etc. erzählt, doch eigentlich eine Selbstfindungsbotschaft hat. Im Gegensatz zu manchen Power-/True-/Heavy Metal-Bands dienten hier die Märchenelemente als Metaphern.
Dennoch ist im Videoclip zu "Hungry For Heaven" ein Drache zu sehen, da es Mitschnitte von der Tour 1986 sind und da stand ein solcher auf der Bühne, der auch ein paar Spezial-Effekte drauf hatte. Das war einfach gigantisch, ich hätte ihn am liebsten mit nach Hause genommen (O.k., die Offenbacher Stadthalle war etwas größer als mein Zimmer, da hätte er wohl nicht reingepasst …). Überhaupt war dieses Konzert das Beste, was ich je gesehen habe, diverse Showelemente und natürlich die großartige Musik, zu meiner Freude auch aus der Rainbow-Phase, z. B. "Temple Of The King". Wenn eine Rock'n'Roll-Fee zu mir käme und ich ein Konzert noch einmal erleben dürfte, wäre dieses meine Wahl. Dabei fing es eigentlich schlecht an: Die Ordner verboten den Eintritt mit Nietengürtel/Armbändern, was bedeutete, dass mein Begleiter und ich in einem kalten und feuchten Abend fast einen Kilometer bis zum Auto laufen mussten, dem Kram deponieren und wieder zur Halle. Von der Vorband Keel bekamen wir daher nur noch den Schluss mit. Nun, die haben mir ehrlich gesagt auch nicht so gefallen. Hauptsache, wir haben den Meister gesehen. Und das haben wir - und wie …
Bereits ein Jahr später durfte ich Dio erneut live erleben: auf dem Monsters Of Rock 1987 in Pforzheim. Ohne Drache, am helllichten Tag - und trotzdem war es gut - was auch sonst? Die nächste Live-Begegnung war 1992 mit Black Sabbath auf dem Superrock in Mannheim - was einige Christen veranlasste, vor dem Eingang Warnungen vor dieser satanischen Band in Form von Flugblättern und Büchern zu verteilen. Solche Fanatiker gibt es wohl heute auch noch, bzw. noch schlimmere, welche dazu aufriefen, den Gedenkgottesdienst für diesen ach so bösen Sänger zu stören, der niemals so etwas gutgeheißen hätte, sondern stets höflich und freundlich erschien, seinen Fans dankbar war und umgekehrt, ihnen Freude und Kraft schenken wollte. Wie lautete ein Forumseintrag zu diesem Punkt: »An ihren Taten sollt ihr sie erkennen…«.
Dieses Mal hielt die Kombination mit Tony Iommi nur eine Platte und Tour lang (was wohl aber nicht an den erwähnten Christen lag …). Es folgten weitere Dio-Veröffentlichungen, die aber teilweise enttäuschten. Überhaupt waren die 90er keine gute Zeit für traditionellen Heavy Metal. Bands dieser Richtung waren weniger gefragt und brachten auch schwächere CDs heraus. Im Fall von Dio ging es ab der "Magica" wieder aufwärts, einer Konzeptstory über Außerirdische, denen die Menschen erklärt werden und was Liebe bedeutet. Die versprochenen Teile 2 und 3 der Geschichte konnte Ronnie leider nie beenden.
2006 - 20 Jahre nach meinem ersten Dio-Konzert, kam es zu einem weiteren in Offenbach, diesmal im deutlich kleineren Capitol. Während wir uns noch in der Vorhalle mit anderen Besuchern unterhielten und feststellten, dass diese ebenfalls 1986 anwesend waren, setzte drinnen die Musik ein. Jens meinte noch »Was ist das denn, die Vorband covert Dio?« - bis uns klar wurde, es gab gar keine Vorband. Warum, weiß ich nicht. War zwar dadurch ein kurzes Vergnügen, aber es war wiederum eins. Was auch sonst: Ich kann mir nicht vorstellen, wie jemand, der die Bühne und die Fans so genießt, diese enttäuschen könnte.
Aber es sollte noch besser kommen: Kurz darauf wurde bekannt, Ronnie war mal wieder mit Black Sabbath zusammen, auch wenn sie aufgrund von rechtlichen Problemen sich nun Heaven And Hell nannten. 2007 erschien eine Live-DVD und diese rief Begeisterung hervor. Noch größer wurde selbige als ein neues Studioalbum folgte, eines DER Highlights des Jahres 2009. Unglaublich, welche Glanzleistungen die älteren Herrschaften hier boten. Die dazugehörige Tour war nicht minder großartig, leider mussten wir dieses Mal bis Gießen fahren, während die Kollegen Christoph das Vergnügen in Berlin und Udo in Bonn hatten. Endlich mal wieder ein Konzert mit tollen Bühnenaufbauten, bei dem die visuelle Seite die musikalische Größe unterstrich. Die Entwicklung schien mehr als erfreulich, Ronnie James Dio war zwar nie ganz weg gewesen, aber nun war er wieder richtig da, für die alten Fans und auch für junge, neue.
So war es nicht verwunderlich, dass nur ein halbes Jahr nach der Heaven And Hell-Tour noch eine Dio-Tour stattfinden sollte. Wir (und viele andere) freuten uns, doch dann kam die Absage aufgrund von gesundheitlichen Problemen, was natürlich jeder völlig verstanden hat. Abwarten und hoffen hieß die Devise.
Was danach folgte, erscheint mir auf gewisse Weise unreal im Rückblick. Erst das Warten auf News, die Hoffung, die dann wieder enttäuscht wurde und schließlich am 16. Mai 2010 der Schock. Abends kurz vor 22 Uhr überschlugen sich plötzlich Newsmeldungen und Beiträge in Internetforen, zunächst voller Unglauben, dann mit der Empfindung des Unfassbaren.
Die Metal-Szene hatte schon einige große und kleinere Musiker verloren, gerade einen Monat zuvor erst Peter Steele, der mit Carnivore und Type O'Negative den Hardcore- und Gothic Metal beeinflusst hatte - und während die Printmagazine noch Nachrufe auf ihn drucken, kommt der nächste Schlag: Ronnie James Dio erliegt dem Magenkrebs. Die Zahl der Trauerposts steigt scheinbar ins Unermessliche, viele sind tief berührt, auch nach Tagen noch. Egal ob Fans, die sich untereinander austauschen, Musiker, die spontan Tribute-Ideen haben oder Kommentare bei Magazinen hinterlassen, Veranstalter, die Bühnen nach ihm nennen - die Emotionen sind unglaublich, egal ob er die Fans 10, 20, 30 oder mehr Jahre begleitet hat - es fällt schwer zu begreifen, dass dies nun vorbei ist … für immer!
Was bleibt, sind die Erinnerungen, die wir austauschen können, denn diese kann uns niemand nehmen, genauso wenig wie die ganze großartige Musik, das ist sein Vermächtnis, ein Schatz würdig genug, von einem Drachen bewacht zu werden.
Jens: Andrea hätte es nicht besser ausdrücken können, aber ich möchte auch noch ein paar Gedanken loswerden, und mich vom Meister verabschieden:
Dio, ja der kleine große Mann hat mich seit Kindesbeinen begleitet. Schon in den 70ern durfte ich das erste Mal in der Bude meiner großen Schwester den Sänger mit der vielleicht besten Rockstimme erlauschen. Damals noch bei Rainbow, übte Dio schon eine unglaubliche Faszination auf mich aus. Gut, später bei Black Sabbath hat er mir anfänglich nicht sooo gut gefallen, weil ich da noch etwas sturer war und nur Ozzy akzeptierte. Aber mit den Jahren wurden auch die
Sabbath-Scheiben, die mit des Meisters Stimme vergoldet wurden zu Alltime Faves, wenn nicht sogar zu den besseren Sabbath-Platten.
Ich erinnere mich auch immer wieder, als ich 1986 in unserem Plattenladen mangels Taschengeld mit der Entscheidung kämpfte, entweder die neue Motörhead oder Dios "Holy Diver" zu kaufen … Damals entschied ich mich für Dio. Das war zwar das hässlichere Cover von beiden, aber die bessere Musik. Okay, Lemmy ist auch unersetzbar, und ich möchte auch gar nicht an den Tag denken wenn er von der Bühne abtritt…aber Dio wird immer einen besonderen Platz in meinem metallenen Herzen einnehmen.
Leider, und hier muss ich wirklich leider sagen, habe ich den Meister 'nur' dreimal live erleben dürfen. Aber, und das kann ich mit Fug und Recht sagen: Alle drei Konzerte waren unglaublich!!! Sei es mit seiner Band allein, bei Black Sabbath (hier danke ich heute noch den Metalgöttern dafür, sie gesehen zu haben) oder mit Heaven & Hell, hier wurde noch mal ein Traum wahr!!!
Andere Sänger hätten hier mit Sicherheit die Tour abgesagt ( Ronnie wusste damals bestimmt schon von seiner Krankheit), aber der Meister sang wie in alten Zeiten und zeigte allen noch ein letztes Mal, wer der verdammt beste Rocksänger war und bleiben wird, basta!!!
Nun singt Dio über Drachen und Regenbögen in einer vielleicht besseren Welt, wer weiß? Vielleicht gibt es dort ja wirklich Drachen, und Ronnie jagt die Viecher über den Regenbogen … Kill The Dragon …
Rest in peace Ronnie, du wirst unersetzlich und unvergessen bleiben!!!!
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