Guns N' Roses / 08.06.2012, Warsteiner Hockeypark, Mönchengladbach
Rocktimes Konzertbericht
Guns N' Roses
Warsteiner Hockeypark, Mönchengladbach
Support: Rival Sons
08. Juni 2012
Konzertbericht
Stil: Hard Rock, Sleaze Rock



Artikel vom 20.06.2012

                 
Moritz Alves                       Jochen von Arnim
                         


Udo Gröbbels
Ganze sechs Jahre ist es her, dass Guns N' Roses - oder was davon übrig geblieben ist - zum letzten Mal ihre deutschen Fans mit einer einzigen Live-Show im Rahmen von Rock am Ring beglückten. Und auch dieses Jahr soll ihr Auftritt in Mönchengladbach der einzige auf deutschem Boden bleiben. Die Band hat sich in den vergangen Jahren hierzulande sehr rar gemacht.
PlakatEntsprechend viele Anhänger sind an den Niederrhein gepilgert, um das einzig verbliebene Originalmitglied W. Axl Rose und seine runderneuerte Begleitband zu sehen, von der lediglich Tastenmann Dizzy Reed schon vor rund zwanzig Jahren auf den "Use Your Illusion"-Alben dabei war. Mit ca. 16.000 Zuschauern ist das Konzert im Warsteiner Hockeypark jedenfalls restlos ausverkauft, und Gäste aus der ganzen Republik (kurios: Shirts mit "Rock Café Norderney"-Aufdruck!) sowie den nahen Benelux-Ländern sind angereist, um Axl und Band die Ehre zu erweisen.
Doch vor der Show heißt es zunächst einmal: warten. War der Auftritt der Vorgruppe Rival Sons eigentlich für 19 Uhr angekündigt, betreten die aufstrebenden Amerikaner erst eine ganze Stunde später die Bühne und ziehen für ca. 45 Minuten ihren klassisch-erdigen, Led Zeppelin -beeinflussten Hard Rock durch. »We are Rival Sons, not Bon Jovi, stellen sie sich humorvoll vor und sorgen für einige Lacher. Die Reaktionen des Publikums sind mit offenkundigem Desinteresse bis hin zu verhaltenem Applaus insgesamt aber eher als durchwachsen zu bezeichnen, obwohl Sänger Jay Buchanan mit einer sehr beeindruckenden Stimme gesegnet ist und der Musik gerade dadurch zu enormem Wiedererkennungswert verhelfen kann.
Dass man sich nach der Vorband erneut die Beine in den Bauch stehen, um auf den Hauptact zu warten, ist ein offenes Geheimnis. Wer zu Guns N' Roses geht, der weiß, dass er Geduld mitbringen muss, ist der Frontmann doch noch nie pünktlich auf die Bretter gestiegen. Dennoch haben wir in Mönchengladbach echtes Glück, denn exakt eine Stunde nach den Rival Sons dröhnt das Techno-Intro "Splitting The Atom" von Massive Attack aus den Boxen und leitet den Auftritt der Kalifornier ein. Nur wenige Tage zuvor in England haben die Fans schon wesentlich länger ausharren müssen…
Guns N' RosesWas in den dann folgenden zweidreiviertel Stunden passiert, ist eine Show par excellence! Das hochklassige, dynamische Set wird von einer enorm spielfreudigen, starken Band in die dankbare Menge gefeuert, dass es eine wahre Freude ist. Hier reiht sich Klassiker an Klassiker, gewürzt mit einigen Songs des immer noch aktuellen Albums Chinese Democracy, das - vor mittlerweile vier Jahren veröffentlicht - nun erstmalig in Deutschland präsentiert wird.
Insgesamt 28 Titel bekommen wir zu hören, darunter sieben von "Use Your Illusion I & II" und je sechs vom Klassiker "Appetite For Destruction" sowie von "Chinese Democracy". Die Alben "GN'R Lies" und "The Spaghetti Incident?" werden dagegen gänzlich ausgeklammert. Stattdessen gibt es zwei Instrumental Jams (darunter Another Brick In The Wall, Pt. 2), je einen Solo-Song von Gitarrist Bumblefoot und Bassist Tommy Stinson (Glad To Be Here bzw. "Motivation" - beide mit viel Punk-Vibe gewürzt), je ein Gitarrensolo von den anderen beiden Axtmännern Richard Fortus und DJ Ashba sowie je ein Piano-Solo von Dizzy Reed und Axl Rose himself (mit Verweisen zu Baba O'Riley bzw. Goodbye Yellow Brick Road) auf die Ohren. Mit dieser Improvisationswut und Selbstdarstellung muss man bei Guns N' Roses nach wie vor rechnen - das hat die alte Band vor zwanzig Jahren schon so gemacht, und auch 2012 weiß der Großteil dieser Darbietungen zu gefallen.
Guns N' RosesNach dem so typischen wie passenden Opener "Chinese Democracy", dessen Riff von Ashba breitbeinig rausgehauen wird, servieren uns die Musiker einen Hammereinstand: Gleich drei "Appetite"-Klassiker folgen und die Menge wird von "Welcome To The Junge", "It's So Easy" sowie "Mr. Brownstone" richtig auf Touren gebracht, bevor mit dem ruhig-schleppenden "Sorry" der schweißtreibende Rockfaktor vorerst zurückgeschraubt wird und so etwas wie Dramatik Einzug ins Set hält. Danach folgen mit "Rocket Queen" und dem bombastischen "Estranged" zwei echte Highlights eines Konzerts, dass uns ein bestens gelaunter und stimmlich nahezu perfekter Axl Rose präsentiert, der seine altbekannten Moves noch immer beherrscht, auch wenn er sie - mittlerweile 50-jährig - stark zurückgefahren hat.
Guns N' RosesTotale Ekstase und die typischen Sprints quer über die Bühne sind lange schon passé - ebenso die berüchtigten Radlerhosen. Stattdessen liebäugelt der Sänger heutzutage mit dem Look eines würdevoll gealterten Edelrockers und bestreitet das gesamte Konzert über mit Sonnenbrille und Hut. Leider gehört dazu wohl auch eine zumindest im ersten Konzertdrittel quasi nicht existente Interaktion und Kommunikation mit dem Publikum. Denn erst nach ca. einer Stunde begrüßt Rose kurz die kochende Menge.
Im weiteren Konzertverlauf zeigt sich der Sänger von seiner augenzwinkernden, charmanten Art: »Habt ihr wirklich geglaubt, ich würde heute Abend hier sein? - Nun, ich auch nicht«, spielt er grinsend auf die eigene nur allzu gut bekannte Unzuverlässigkeit an, plaudert etliche Songs später aus dem Nähkästchen und entschuldigt sich dafür, so lange nicht in Deutschland gespielt zu haben - er habe sechs Jahre lang versucht Shows zu buchen, doch habe ihn anscheinend niemand gewollt. Irgendwie aber wenig verwunderlich, wenn man die horrenden Strafzahlungen bedenkt, die einem Veranstalter blühen, wenn die behördlich zulässige Spielzeit überschritten wird, was bei Guns N' Roses ja bekanntlich die Regel ist.
Guns N' RosesAber zurück zum Konzert an sich, das mit "You Could Be Mine", "Civil War" und "Nightrain" sowie einer langsameren Version von "Don't Cry" und einer etwas schnelleren vom Über-Hit "Sweet Child O' Mine" weitere Höhepunkte bereit hält. Auch die alte Dylan-Nummer "Knockin' On Heaven's Door" darf natürlich nicht fehlen, die ziemlich in die Länge gezogen wird. Vom aktuellen Album begeistern vor allem der Industrial-Brocken "Shackler's Revenge" und der Piano-Schmachtfetzen "This I Love", dafür fehlt ein sicherer Hit wie "Patience" (von "GN'R Lies") leider gänzlich.
Der Übergang von Axls Piano-Solo zu "November Rain" ist zwar klar, aber dennoch schön - ebenso wie die ersten Tropfen, die dann passenderweise fallen. Dass es später kurzzeitig etwas zu nass wird, ist etwas ärgerlich, passt aber irgendwo auch zu einem Open Air... Was auch der Sänger bemerkt und sagt, er würde zum allerersten Mal Regen in Deutschland mitbekommen.
Extrem 'wichtige' Randbemerkung an dieser Stelle: Bei aller Launenhaftigkeit des Herrn Rose ist es beachtlich, dass er sich nach dem Regenguss doch tatsächlich dazu hinreißen lässt, seine neuerdings mangelnde Standsicherheit auf diversen Bühnen zu erwähnen, mit »before I fall on my ass again« um Nachsicht beim Publikum bittet und allein seine Gesangsdarbietung in den Mittelpunkt stellt. Frenetischer Jubel ist ihm nach so viel Aufrichtigkeit sicher.
Guns N' RosesSämtliche Songs werden übrigens von Grafikeffekten bzw. Videosequenzen begleitet, und gerade der punktgenaue Einsatz von Pyrotechnik trägt zum optischen Gelingen der Show bei. Im Gegensatz dazu sollen die billig anmutenden Grafiken und Videos - neben den unverschämten Merch-Preisen von 45 Euro für ein T-Shirt - der einzige kleine Kritikpunkt an einer ansonsten grandiosen Produktion bleiben, erinnern sie doch an Neunziger-Jahre-Bildschirmschoner bzw. diese vom Windows Media Player bekannten Grafikeffekte. Auch bei den trashigen Videos fragt man sich ein ums andere Mal, aus welcher Kiste die nun wieder gezaubert worden sind, wollen sie doch nicht so wirklich zu den jeweiligen Songs passen…
Unterm Strich bleibt aber ein Konzerterlebnis der Extraklasse, an dem es nichts zu meckern gibt. Eine eingespielte Band und ein motivierter, gut gelaunter Sänger präsentieren eine Setlist, die kaum Wünsche offen lässt - Entertainment deluxe, sozusagen. Die neuen Nummern werden dabei gekonnt unter die alten gemischt und somit passend ins Klassiker-Set integriert, und als Frank Sinatras "My Way" vom Band läuft, entlassen Guns N' Roses nach fast drei Stunden Spielzeit ein überaus glückliches Publikum in die Nacht, das sich eindrucksvoll davon überzeugen konnte, dass mit dieser Gruppe nach wie vor zu rechnen ist. Unter diesen Umständen kommen wir gerne wieder, Axl!
Setlist Guns N' Roses:
01:Intro / Chinese Democracy
02:Welcome To The Jungle
03:It's So Easy
04:Mr. Brownstone
05:Sorry
06:Rocket Queen
07:Estranged
08:Guitar Solo (Richard Fortus)
09:Live And Let Die
10:This I Love
11:Better
12:Shackler's Revenge
13:Motivation (Tommy Stinson Song)
14:Piano Solo (Dizzy Reed)
15:Street Of Dreams
16:You Could Be Mine
17:Guitar Solo (DJ Ashba)
18:Sweet Child O' Mine
19:Instrumental Jam
20:Piano Solo (W. Axl Rose)
21:November Rain
22:Glad To Be Here (Bumblefoot Song)
23:Don't Cry
24:Civil War
25:Knockin' On Heaven's Door
26:Instrumental Jam
27:Nightrain

28:Paradise City [Encore]
Line-up Guns N' Roses:
W. Axl Rose (vocals, piano)
Tommy Stinson (bass, vocals - #13)
Dizzy Reed (keyboards, piano, percussion)
Ron 'Bumblefoot' Thal (guitars, vocals - #22)
Chris Pitman (keyboards, programming)
Richard Fortus (guitars)
DJ Ashba (guitars)
Frank Ferrer (drums)
Externe Links: