Haindling / 28.05.2012, Schmäußbräu Open Air
28.05.2012, Feste Rosenberg, Kronach
Live Haindling
Schmäußbräu Open Air
Feste Rosenberg, Kronach
28. Mai 2012
Stil: Bayr. Crossover


Artikel vom 08.06.2012


Norbert Neugebauer
Spinnert - immer noch nach 30 Jahren
HaindlingBin ich wirklich schon genauso alt wie die meisten anderen Zuschauer? Diese Frage stellt sich zunehmend beim Konzertbesuch, wenn nicht grade mal Punk oder Ska oder Metal angesagt ist. Aber bei solchen Events wird man als Mittfünfziger im besten Fall mitleidig als 'Irrläufer' von dem um mindestens drei Jahrzehnte Jüngeren angesehen. Und geht nur in Ausnahmefällen hin.
HaindlingHaindling, die Live-Band von Hans-Jürgen Buchners Musik, die er daheim im früheren, 300 Jahre alten Wirtshaus austüftelt, kenn ich schon seit einem guten Vierteljahrhundert. Angefangen hat er zusammen mit seiner Frau, ebenfalls einer gelernten Keramikerin, als skurriler Tonschöpfer in anderer Hinsicht. Kevin Coyne hat ihn damals auf die Spur und zum Kontakt mit dem deutschen Plattenlabel Polydor gebracht und die haben in einem genialen Lichtblick seine erste Schallplatte produziert. Das schräge "Rote Haar", bierernst vorgetragen, war daraus ein erster kleiner Hit. Die weitgehend allein eingespielten Stücke konnte er aber nicht auf der Bühne aufführen, also suchte er per Zeitungsinserat Bandkollegen. Daraus entstand Haindling, benannt nach dem niederbayerischen Dorf, in dem die Buchner leben. Das WAA-hnsinsfestival bei Wackersdorf war dann der erste große Auftritt, für das sich auch die gleichermaßen querdenkerischen Biermösl Blosn mit engagierten. Beide Gruppen brachten frischen Wind in die bierdümpfelnde bayerische Volksmusik, die zuvor jeder Langhaarige nicht mal mit dem Arsch angehört hätte. Haindling zwar schon crossovernder und mit einer ordentlichen Prise Jazz, aber auch die Blosn, deutlich traditioneller, waren ganz klar 'alternativ' und begeisterten auf Anhieb die Demonstranten am Bauzaun der geplanten Atom-Aufbereitungsanlage. "Meuterei" dröhnte es damals von der Bühne und durch das ganze Lager der Widerständler, eine kleine Hymne, die mit zum Ruhm des kauzigen Niederbayern beitrug. Das Gespür für den richtigen Sound sollte ihn von da an begleiten und ihn zum erfolgreichsten Soundtrack-Komponisten im deutschsprachigen Raum machen.
Return to Feste Rosenberg
HaindlingAm 28. Mai 2012 kam Buchner mit seiner Band als zweite Station seiner Tour zum 30-jährigen Bühnenjubiläum auf die Feste Rosenberg im oberfränkischen Kronach. Fast genau 20 Jahre vorher sah ich ihn dort, zwar nicht zum ersten Mal, aber zu seiner ersten Feier-Tournee durchs Land, zum Zehnjährigen. An einem schönen warmen Sommerabend im Rahmen eines kleinen 'Festivals der Lieder', das leider sehr kurzlebig blieb. Dazwischen, auf der 20-Jahre-Haindling-Tour, spielte die Band für mich und Tausende andere Fans beim tff in Rudolstadt auf der stolzen Heidecksburg. Und auch im 'Schönen Hof' der Kulmbacher Plassenburg gastierte die Band, ich denke, das war dann unser letztes Treffen in solch stimulierender Atmosphäre eines alten Gemäuers. Eine lange Zeit. Ja, ich bin wohl genauso alt, wie die andern, die im Wallgraben um mich herum hocken und auf den dünnen Buchner in seinem schwarzen Anzug warten. Der ist auch schon 67.
HaindlingDas Konzert war der Abschluss und sicher wohl auch ein Höhepunkt des Historien-Spektakels "Crana Historica" mit seinem externen 'Schmäußbräu Open Air', das über das Pfingstwochenende bei bestem Wetter Tausende von Besuchern auf den Rosenberg zog. Kronach stand als zweite Station der aktuellen Jubiläumstournee auf dem Reiseplan, entsprechend frisch war auch noch der Maestro und seine Mannen; darunter mit Michael Braun (Blas- und Tasteninstrumente, Percussion, Gesang) und Peter Enderlein (Schlagzeug, Percussion) zwei weitere Mitglieder der Ur-Formation. Allerdings zeugten auch einige Spielfehler davon, dass die Band noch nicht die gewohnte Live-Perfektion erreicht hat. Die war jedoch beim Klangbild vorhanden, was in den engen Mauern von einem routinierten Tonmeister zeugte.
Filmmusik-Großlieferant und Fan-Kulturpflege
HaindlingDer Buchner-/Haindling-Sound ist einzigartig und so markant, dass ihn zumindest unterschwellig wohl die meisten deutschen Fernsehzuschauer aus diversen Serien wie "Zur Freiheit", "Café Meineid", "Gernstl unterwegs", "Die Rosenheim Cops" oder "Der Kaiser von Schexing" sowie den Filmen "Madame Bäuerin" oder "Drei Herren" kennen. Unter den über tausend Zuhörern des nicht ganz ausverkauften, vollbestuhlten Konzerts in Kronach waren aber viele echte Fans des Soundtüftlers, der seine ganz eigene Note in die World Music gebracht hat, eine eindeutig bayerische. Groß verändert hat er sich seither nicht, das Haindling-Erfolgsrezept funktioniert bis heute. Im Grund spielt er noch immer seine Mischung aus heimischer Volksmusik mit Blech, unterschiedlichster Folklore aus aller Welt auf ebensolchen Instrumenten, schrägen Keyboardsounds und vertrackten Rhythmen. Dazu seine querköpfigen Texte, was sich zumindest in der Anfangszeit abgefahren und schräg anhörte. Aber im Ergebnis auch eingängig und überraschenderweise kommerziell sehr ertragreich. Wer Haindling durch diese 30 Jahre immer wieder live erlebt hat, weiß um den Zauber, der bei seinen Konzerten entstehen kann. Vor allem dann, wenn sie in solch stimmungsvollem Ambiente wie auf der geschichtsträchtigen Feste bei bestem Frühsommerwetter stattfinden. Unter den sogar namentlich von der Bühne begrüßten 'Edel-Fans' waren auch Axel und Sibylle Stephan aus Zwickau mit ihrem Sachsen-Fähnchen. Die hörten erstmals "Lang scho nimmer g'sehn" noch zu DDR-Zeiten im West-Radio und sind nun seit der Wende fast jedes Jahr bei einem Haindling-Konzert. Und das registriert der bodenständig gebliebene Tonmagier mit Freude.
Servus, Guter!
HaindlingNach dem gemeinsamen Eingrooven mit dem Publikum, unterstützt von ausziehbaren (!) Alphörnern, spulte die zeitweise als Septett agierende Combo ein gewohnt buntes Repertoire ab, in dem neben den "Klassikern" auch einige neue Songs erstmals auf die Bühne gebracht wurden. Aber auch die bekannten Stücke, wie "Paula", "Blasmusik in Moll", "Mo mah du" oder "Du Depp" erhielten teilweise neue Arrangements oder wurden in Potpourris zusammengemixt. Die Dur- und Mollparts, die Mitmach- und die Zuhörblöcke, die Gute Laune-Lieder und das Nachdenkliche waren wohl abgewogen, ebenso Buchners Moderationstexte zwischen Skurrilität, Problembewusstsein und fast kindlicher Naivität, aufgelockert mit Reminiszenzen an den eigenen Werdegang. Viel Blech, viel Keyboards (teilweise gleich drei parallel), viel Perkussion und auch satter Funk sowie eine bislang selten gehörte E-Gitarre, der Bogner'sche Sprechgesang und etwas Chor der Band - Haindling eben. Sicher nicht mehr ungewöhnlich, aber auch kein altersgerechter Mainstream für das Publikum, das sonst wohl eher bei 'Songs an einem Sommerabend' als bei experimentellem Crossover zu finden ist. Die Stimmung war von Anfang an gut und entwickelte sich im Lauf des über zweistündigen Konzerts zu einer echten kommunikativen Interaktion mit viel Spaß zwischen 'oben' und 'unten'. Als offiziellen Schlusspunkt verarschte die Band das 'Mir san mir-Bayerntum' diverser aufgeblasener Landsleute, was wohl nicht jeder so ganz im Frankenland kapierte und fröhlich mithampelte. Danach noch ein satter Zugaben-Block; zunächst ein nachdenklicher Bogner solo am Keyboard, der über den Weltverstand sinnierte, mit einem völlig stillen Publikum, und seinem persönlichen Lieblingslied "Ich hab vergessen". Zum Abschied gab's, natürlich wie immer, das bittersüße Thema von "Irgendwie und sowieso". Ja, servus, Haindling, ob wir uns in zehn Jahren noch mal hier treffen?
Haindling     Haindling     Haindling
Haindling     Haindling     Haindling
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