»Früher war alles besser...« Man kann es kaum noch hören - im Fall der nordamerikanischen Hardrock-Institution Heart scheint diese These allerdings halbwegs nachvollziehbar. Die besten Alben in der Frühphase der Karriere gemacht zu haben, kann sich für eine Band als Fluch erweisen. Die Konsistenz von Alben wie "Little Queen" und (vor allem) "Dog And Butterfly", beide von uns im Rahmen einer netten Box gesprochen, haben die Schwestern Wilson jedenfalls nie wieder reproduzieren können.
Dessen ungeachtet haben im vorliegenden Fall die Spätwerke einen nicht von der Hand zu weisenden Charme und Reiz. Als das Mittelmaß Ende der Achtziger/Anfang der Neunziger das Maß aller Dinge zu werden schien, nahm sich Heart mal eine längere Auszeit, nur von einem dämlichen Album mit Weihnachtsliedern unterbrochen. Die beiden auf diese kreative Pause folgenden Scheiben, "Jupiters Darling" (2004) und Red Velvet Car (2010), haben jedenfalls wieder ordentlich Grip und Biss, was vor allem für die letztgenannten Aufnahmen gilt!
"Jupiters Darling" fällt nämlich denen gegenüber ein klein wenig ab. Manchen Songs fehlt das Überraschungsmoment, das für die explosive Zündung sorgen könnte. Nichtsdestotrotz war die Freude über das erste Lebenszeichen nach elfjähriger 'Babypause' damals (vor ziemlich genau zehn Jahren) groß. Mit den beiden tollen Openern, "Make Me" und "Oldest Story In The World", war man direkt wieder im 1980er "BeBe Le Strange"-Fahrwasser. Gleich noch mit "Things" ein Bluegrass-inspiriertes Country-Sahneschnittchen nachgelegt... und das Comeback war (seinerzeit) bereits nach wenigen Minuten 'in trockenen Tüchern'.
Gewohnt heavy Bollerndes ("Move On", "Vainglorious", "Fallen Ones") wechselt sich im Folgenden mit zauberhaft Balladeskem ("Enough", "No Other Love"), dezent-eingängig Rockigem ("I Give Up") aber leider auch ziemlich langweiligem Kram ("The Perfect Goodbye", "Down The Nile") ab. Gekrönt wird der Songreigen von zwei Überfliegern: Das stimmungsvolle "I Need Rain" hätte sich nahtlos in Hearts Klassiker (die ersten drei Alben) eingereiht und die kraftvolle Halbballade "Lost Angels" ist ebenfalls - im besten Sinne - als für die Band 'klassisch' zu bezeichnen.
Als Boni gibt es mit "How Deep It Goes" und "Fallen Ones" zwei rein akustische Songs, die Heart bekanntlich immer besonders gut zu Gesicht standen. Ann 'trällert wie eine Heidenlerche' und Nancy drischt dazu furios auf die Akustische ein. Ein sehr hübscher Ausklang...
Zu dem - im Gesamtbild betrachtet - etwas überzeugenderem "Red Velvet Car" hat Kollege Daniel bereits das Notwendige herausgearbeitet, auch wenn ich persönlich das Album unterm Strich etwas besser bewerten möchte. Vielleicht hat tatsächlich der Wechsel auf dem Produzentensessel - von Craig Bartock zu Ben Mink, der auch das aktuelle "Fanatic" (2012) betreute - den entscheidenden Schub nach vorne bewirkt. Zweifellos ist "Red Velvet Car" in sich wesentlich schlüssiger als noch "Jupiters Darling".
Jedenfalls ist das sumpfig dampfende "There You Go", mit tollen Dobro-Figuren Bartocks veredelt, schon mal eine gehörige Ansage und gemeinsam mit dem geschmackvoll mit Streichern verwobenen Titelsong, das Beste, was ich aus dem Hause Heart seit 1980 gehört habe! Mit dem fluffig-federnen "Hey You", dem reichlich 'staubigen' "Death Valley" und der sehr 'rootsigen' Ballade "Sand" haben Ann und Nancy Wilson weitere treffsichere Pfeile im Köcher!
Von den beiden Bonustracks ist das rotzige "Bootful Of Bear" sehr angenehm hörbar, während das käsige "Closer To The Sun" eher eine 'Standgas'-, denn eine Powerballade darstellt - eine ziemlich flüssige Nummer... überflüssig.
Ähnlich wie kürzlich bei Jethro Tull, rundet Eagle Rock diesen Doppeldecker mit einem hübschen, gut bestückten Booklet samt 'Wende-Cover' gekonnt ab. Eine wirklich gelungene Neuauflage von Hearts Spätwerken "Jupiters Darling" und "Red Velvet Car", obwohl diese mit den Bonustakes von 2004 bzw. 2010 auskommen müssen. Speziell auf "RVC" hätte noch das eine oder andere historische Dokument gepasst...
Line-up:
Jupiters Darling:
Ann Wilson (lead vocals)
Nancy Wilson (vocals, acoustic & electric guitars, dulcimer, mandocello, mandolin, harmonica, megaphone, piano)
Craig Bartock (electric & acoustic guitars, ebow, Mellotron, pump organ, marimba, harmony vocals)
Darian Sahanaja (keyboards, stylophone)
Mike Inez (bass guitar, tambourine)
Ben Smith (drums, percussion, cardboard box)
Red Velvet Car:
Ann Wilson (lead vocals, flute)
Nancy Wilson (vocals, acoustic & electric guitars, mandolin, autoharp)
Ben Mink (acoustic, electric and lap steel guitars, viola, keyboards and programming, string arrangements)
Craig Bartock (Dobro)
Ric Markmann (bass)
Ben Smith (drum, percussion)
Tracklist |
CD 1 - Jupiters Darling:
01:Make Me (4:00)
02:Oldest Story In The World (3:51)
03:Things (2:43)
04:The Perfect Goodbye (3:37)
05:Enough (3:23)
06:Move On (5:00)
07:I Need The Rain (4:20)
08:I Give Up (3:50)
09:Vainglorius (3:57)
10:No Other Love (4:00)
11:Led To One (2:57)
12:Down The Nile (4:49)
13:I'm Fine (2:59)
14:Fallen Ones (3:41)
15:Lost Angel (6:54)
16:Hello Moonglow (1:54)
17:How Deep It Goes (3:07)
18:Fallen Ones [Acoustic] (3:47)
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CD 2 - Red Velvet Car:
01:There You Go (3:39)
02:WTF (3:26)
03:Red Velvet Car (3:00)
04:Queen City (4:16)
05:Hey You (4:14)
06:Wheels (3:06)
07:Safronia's Mark (3:54)
08:Death Valley (3:53)
09:Sunflower (3:42)
10:Sand (4:08)
11:Bootful Of Beer (2:58)
12:Closer To The Sun (4:51) |
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Externe Links:
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