Jimi Hendrix Experience / Winterland
Winterland Spielzeit: 75:01
Medium: CD
Label: Legacy/Sony, 2011
Stil: Rock

Review vom 28.09.2011


Norbert Neugebauer
Der 'Mythos Hendrix' lebt. Und dass es so bleibt, dafür sorgen nicht nur seine bis heute unzähligen und immer noch zunehmenden Fans in grenzenloser Bewunderung, sondern vor allem auch die den Nachlass verwertende Hendrix-Family samt Business-Partner. Nachdem die millionenschwere Schlacht um die Rechte zugunsten des Clans geschlagen war, begann die sorgfältige Aufarbeitung dessen, was der geniale Gitarren-Magier in offensichtlich großem Maß auf unzähligen Bändern hinterlassen hat. Zusammen mit dem glücklicherweise noch immer tätigen, heute 70-jährigen Sound-Ingenieur Eddie Kramer, der bereits für Hendrix selbst die Studioarbeit leitete, wurden die Aufnahmen restauriert und neu gemastert. Stück für Stück wird das Vermächtnis re-produziert, die teilweise von den früheren Verwertern zusammengefledderten Cuts in den ursprünglichen Kontext und auf den Markt gebracht. Dass es sich auch klangmäßig lohnt, davon konnten wir uns schon bei West Coast Seattle Boy und Live At Monterey überzeugen. So gut tönten die alten Aufnahmen aus Studios und von diversen Bühnen noch nie!
Der September, Jimis Sterbemonat, scheint dafür prädestiniert, die jüngsten Restaurierungen den Fans vorzustellen. Diesmal in einem Ausmaß, der selbst die größten Maniacs verblüffen und mit offenen Mündern vor diesem Output in Ehrfurcht erstarren lassen dürfte. Auf einen Schwung veröffentlichen Sony, die für acht Jahre die Rechte erworben haben, ein Box-Set, eine CD und zwei DVDs mit Livematerial aus den Soundstudios der Hendrix-Kramer-Connection. Angekündigt sind dazu schon Wiederveröffentlichungen der Original-Alben für den Spätherbst. Von dem Kuchen bekam ich aufgrund freundschaftlicher RT-Arbeitsteilung (danke Steve!) die DVD "The Dick Cavett Show" und die CD "Winterland"-Highlights ab - letztere Gegenstand dieses Reviews. Es handelt sich dabei um einen weiteren Zusammenschnitt aus den berühmten Shows der JHE in San Franciscos Winterland Musiktheater. Insgesamt sechs Auftritte bestritten Hendrix, Mitch Mitchell und Noel Redding vom 10. - 12. Oktober 1968, wovon Auszüge nun auf diesem Sampler vorliegen. Das ist jedoch nur ein Appetithappen, alles verfügbare Material ist auf einer vier CDs umfassenden Deluxe-Version enthalten, womit der erste Anwärter auf dem Fan-Gabentisch anno 2011 gesichert ist. Die neuen Scheiben sind lt. PR keine Zweitauflagen bereits früher erschienenen 'Winterland'-Zusammenstellungen, sondern anhand der Masterbänder neu produziert.
Das Winterland gibt es übrigens schon lange nicht mehr, die offizielle CD-Release-Party fand am 13. September unter Mitwirkung von Janie Hendrix, Jimis Schwester und Managerin der heutigen Aktivitäten, im Amoeba-Plattenladen statt. Den hab ich im Mai bei unserem USA-Trip besucht und da wär ich auch gern dabei gewesen!
Die Compilation aus den verschiedenen Shows bietet einen guten Querschnitt aus dem bis dato zweijährigen Schaffen des spektakulären Trios, das live auch immer wieder Covers anderer Künstler gespielt hat. Hier finden wir Dylans "Like A Rolling Stone" und "Sunshine Of Your Love" der Cream. Klar, dass daraus Versionen wurden, die sich vom Original wesentlich unterschieden, die die Band aber auch immer wieder innerhalb ihrer Sets variiert hatte. Überhaupt dürften so die Vergleiche zwischen den einzelnen Shows im Box-Set den besonderen Reiz für die Fans ausmachen. Neben Jimis bekanntesten Stücken (darunter natürlich seine Adaption von "Hey Joe") finden sich auch die live seltener aufgeführten Tracks wie "Manic Depression" oder "Are You Experienced", das sich hier als Vorläufer von "Voodoo Chile" entpuppt. Der bis dahin noch unveröffentlichte Heavy Slow Blues "Hear My Train A Comin'" zeigt einmal mehr die außerordentlichen Fähigkeiten des Trios, das nicht nur dank seines Frontmans zu jener Zeit live eine Klasse für sich war. Die Anlage wurde bis an ihre Grenzen ausgereizt und mehrfach, auch auf der CD dokumentiert, brachen Verstärker unter dem Soundgewitter zusammen. Gerade der Vergleich mit Creams Riff-Monster zeigt, dass die JHE der englischen 'Supergroup' speziell in Sachen Improvisation um Längen voraus war. Mitch Mitchell war eindeutig der bessere, kreativere Drummer und der leider in der Abmischung etwas hinten anstehende Noel Redding (vielleicht der einzige Kritikpunkt) hielt das Ganze mit souveränem Bassgroove zusammen.
Die Zusammenstellung ist in jeder Hinsicht gelungen und macht auch aufgrund der wirklich hervorragenden Restaurierung Lust, das Gesamtpaket anzuschaffen. Eddie Kramer hat hier Großes geleistet und damit gehören die bisherigen 'Winterland'-Aufnahmen samt Bootlegs endgültig in den Mülleimer der Musikgeschichte. Viel besser wird es mit derzeitiger Technik nicht gehen. Mit heutigem Standard ist das zwar noch immer nicht zu vergleichen, aber die Hörer erleben hier einen 1:1 Konzertmitschnitt ohne Overdubs und nachträgliche Manipulationen aus fernen Zeiten, den man nun auch ohne 'Nostalgiebonus' genussvoll nacherleben kann. Die JHE war in Top-Verfassung und lieferte im Winterland-Club von San Francisco eine Live-Performance, die heute noch begeistert! Aus den bisherigen 'Ton-Dokumenten' wurden erstklassige Konzert-Mitschnitte, die endlich dem 'Mythos Hendrix' gerecht werden!
Tracklist
01:Fire - Live 10/12/68 1st Show
02:Foxey Lady - Live 10/12/68 2nd Show
03:Like A Rolling Stone - Live 10/12/68 1st Show
04:Hey Joe - Live 10/11/68 2nd Show
05:Hear My Train A Comin' - Live 10/10/68 2nd Show
06:Sunshine Of Your Love - Live 10/10/68 2nd Show
07:Little Wing - Live 10/12/68 2nd Show
08:Are You Experienced - Live 10/10/68 1st Show
09:Manic Depression - Live 10/12/68 2nd Show
10:Voodoo Child (Slight Return) - Live 10/10/68 1st Show
11:Purple Haze - Live 10/11/68 2nd Show
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