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Truckin' USA - ein ROCKTIMER unterwegs im Land des Rock'n'Rolls
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New Orleans, West Coast, San Francisco, Highway No 1, Las Vegas - da schwirren die nostalgischen Emotionen nur so durch das Rockhirn. ROCKTIMER Norbert cruiste mit Ehefrau Ingrid im späten Frühjahr 2011 auf den Rock'n'Roll-Roots zu legendären Stätten der US-Music-History, die Antennen voll auf Empfang für die good vibes unterwegs.
Reisebericht
Südwesten der USA
vom 21. April bis 11. Mai 2011
Artikel vom 06.07.2011
Norbert Neugebauer
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Part V - San Francisco - Light & Shadow on the Bay
»This following program is dedicated to the city and people of San Francisco, who may not know it but they are beautiful, and so is their city. This is a very personal song, so if the viewer cannot understand it, particularly those of you who are European residents, save up all your bread and fly Translove Airways to San Francisco, USA. Then maybe you'll understand the song. It will be worth it. If not for the sake of this song, but for the sake of your own peace of mind.«
( The Animals)
Sightseeing
Das Adrenalin vom Jazzfest bzw. Ingrids Einkaufstour am letzten Tag in New Orleans noch in der Blutbahn, schafften wir auch unseren frühen Flug nach San Francisco via Denver mit Southwest (ja, da war doch was ...) locker. Der Flieger war nicht besonders komfortabel und voll, aber der Tarif sehr günstig. Am frühen Nachmittag hatten wir bereits in unserem (ebenfalls nicht teuren) Motel in der Lombard-Street eingecheckt und gleich mal die Betten getestet. Gegen Abend dann die erste Tour downtown mit dem Stadtbus, das unbedingt empfehlenswerte 3-Tages-Ticket für den ÖPNV (heißt hier MTA) kaufen und dann los mit dem alten Streetcar Richtung Fisherman's Wharf, dem bekannten Touri-Ziel.
Uns lockten nicht die Einkaufs- und Fressläden, die aber recht attraktiv mit Stegen kreuz und quer verbunden sind. Überall Schilder 'Foto Stop', gesponsert von den unterschiedlichsten Firmen, das hatten wir auch noch nicht gehabt. Die 'Wharf' mit ihrem 'Pier 39' bietet reichlich Fotomotive einschließlich der Seelöwen auf den Pontons und Alcatraz im Hintergrund. Und natürlich der Golden Gate Bridge, die das Abendlicht tatsächlich in Gold tauchte. Wir schließen uns ihren verliebten Fans an: Sie zählt einfach zu den schönsten Bauwerken dieser Welt! Ob San Francisco die schönste Stadt des bekannten Universums ist, wie ebenfalls vielfach behauptet, das ist sicher Geschmackssache. Jedenfalls nicht nur wegen ihrer Topografie außergewöhnlich und durch die Einbettung in das Meer von drei Seiten sehr attraktiv.
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Zu den bekanntesten Postkartenmotiven: Es gibt tatsächlich überall diese extremen Hügel - die Stadt scheint auf einer einzigen Buckelpiste gebaut. Aber derzeit sind nur zwei Cablecar-Linien in Betrieb und nur eine krabbelt so den Berg rauf und runter. Alcatraz sieht im Abendlicht aus wie ein Schiff und die 'Painted Sisters' haben rund 16.000 weitere viktorianische Haus-Cousinen in der ganzen City. Die Skyline wird markant durch eine verglaste Pyramide - natürlich eine Bank, China-Town ist nicht wirklich spektakulär, vor allem wenn man welche in Asien kennt. Aber insgesamt ist San Francisco eine weitläufige und sehr interessante Stadt voller immer wieder schöner 'Ecken'. Wir nutzten unser Ticket weidlich aus und sind kreuz und quer durch die Viertel gefahren.
Auch hier hatten wir Glück mit dem Wetter - nur Sonne. Aber die Stadt ist immer 'frisch' durch ihre exponierte Lage; wer Kalifornien grundsätzlich mit Wärme assoziiert, liegt ganz schön daneben. Wir froren trotz unserer Mehrschichten-Bekleidung des Öfteren, nicht nur morgens und abends. Der vielzitierte Seenebel verdarb uns jedoch kein einziges Mal die Sicht. Wir waren auch längere Strecken zu Fuß unterwegs, um das 'Feeling' aufzuschnappen. Das war aber ein wesentlich schwierigeres Unterfangen, als in 'Nawlins' - kaum Straßenmusik, statt Lockerheit demonstrierte Coolness, Sportlichkeit, Bodycult und Business - kein Vergleich.
Wrecks on the Highway
Dafür aber wesentlich mehr Gestrandete, oftmals psychische und physische Wracks, die 'homeless people'. Vor allem südlich der zentralen Market Street fängt das Elend an, ein Heer von Menschen, das mitten in dieser Stadt voller Reichtümer von der Zivilisation ausgeschlossen ist. Nachts ist auch in den 'besseren' Vierteln praktisch jeder halbwegs zugfreie Hauseingang von bis zur Unkenntlichkeit in Pappe und Plastiksäcken eingewickelten Schläfern besetzt. Die andere Seite von San Francisco, wirklich eine erschreckende, mit der auch der Tourist konfrontiert wird. .
»They used to tell me I was building a dream, and so I followed the mob,
When there was earth to plow, or guns to bear, I was always there right on the job.
They used to tell me I was building a dream, with peace and glory ahead,
Why should I be standing in line, just waiting for bread?
Once I built a railroad, I made it run, made it race against time.
Once I built a railroad; now it's done. Brother, can you spare a dime?
Once I built a tower, up to the sun, brick, and rivet, and lime;
Once I built a tower, now it's done. Brother, can you spare a dime? «
( Yip Harburg, gesungen u.a. von Odetta
)
Der Anteil schwarzer Bürger ist hier im Westen eher gering, dafür ist die Latino-Bevölkerung sehr ausgeprägt. Aber insgesamt geht's in SF recht 'bunt' zu. Es gibt mehrere Viertel mit dominierenden Herkunftsgruppen, nicht nur die bekannten in der Innenstadt.
Der Geist des 'Summer of Love'
Auch abends wenig Live-Musik in den Kneipen downtown, abgesehen von den typischen Touristen-Schuppen. Klar, die bekannten Häuser haben ihre Shows, aber nichts was uns wirklich gereizt hätte. Ehrlich gesagt, fehlte uns nach den langen Trips tagsüber dann auch der Geist, nachts noch um die Häuser zu ziehen. Im Umfeld unseres Motels fanden wir nur rappelvolle Bars oder Clubs mit affenlautem Dub- und Loungegedröhn, was grad noch für den Absacker auszuhalten war. Das legendäre The Fillmore (früheres Fillmore West) sahen wir uns am Tag von außen an - wenig spektakulär und schwer vorstellbar, dass darin nicht nur all die Wahnsinnsbands gespielt haben, sondern auch Ken Keseys Acid Tests abgingen! Um die Ecke dann Yoshi's Jazzclub & Japanese Restaurant, das nicht nur Genre-Typisches auf der musikalischen Karte hatte. Tagesziel war jedoch Haight-Asbury, das Hippie-Viertel des 'Summer of Love' und Wohnsitz von Grateful Dead. Auch Jefferson Airplane und Janis Joplin residierten hier.
Wir stiegen an der Haltestelle Fillmore/Haight aus und liefen dann an diesem windig-kalten Morgen die lange Haight Street hinauf, die von fein restaurierten viktorianischen Holzhäusern flankiert wird. Ramschläden mit Postern, Gebraucht-Vinyl, Räucherkerzen, indischem Schmuck, Batik und sonstigem Klimbim, Salons für thailändische Fußmassage und tibetanische Heilkunst, Kneipen und Spielsalons mit Portraits diverser Rockstars oder Cartoons an den Hauswänden, dazwischen Alt-68er, Punks mit Kampfhunden, Harley-Typen im Rentneralter, Dreadlocks, Penner, Schnorrer, Öko-Freaks, Jogger mit lila Höschen, glatzköpfige Geschäftsleute, jugendliche Tramper aus Japan und angemalte Tanten, die schon zu Jerrys Zeiten nicht mehr jung waren - genauso hatten wir uns das vorgestellt.
Das Viertel lebt von seiner Vergangenheit, auch kommerziell. Ist das die Ikonisierung eines kurzen Traums oder die Vermarktung eines Klischees? Leute wie wir kommen dorthin, um über vierzig Jahre später vielleicht noch was aufzufangen, was damals auch unsere Welt gewesen wäre. Wenn wir das Geld und die Gelegenheit gehabt hätten. Jetzt haben wir beides. Und wir lassen auch Dollars bei denen, die das noch irgendwie aufrecht erhalten, aus welchen Gründen auch immer. Dummes Möchtegern-Hippie-Verhalten, sentimentales Nachhängen von dem, was eh nur eine Blase war?
Und wenn! Die Bewegung, die vom nahen Golden Gate Park im Januar 1968 ausging, hat die Welt verändert. Und die Rockmusik, die hier auch einen entscheidenden Kick bekam, ebenfalls. Wir sind die Generation, die das selbst miterlebt und die die damaligen Gefühle noch intus hat. Wir, die wir uns mit Rockmusik aus dem Mief der Spießbürgerlichkeit befreit haben!
Was kommt nach uns? Rock ist heute eine Selbstverständlichkeit, ein Konsumgut, aber kein Lebensgefühl mehr bei den Jüngeren, zumindest den meisten. Rock- und Pop-Events als Unterhaltung, als große Party, in Ordnung, das ist aber eine andere Geschichte. Deshalb lasst uns alte Säcke und Schachteln auch noch kräftig auf unseren Festivals feiern, mit unserem 'Spirit'. Wir sind die letzten Saurier des wahren Rock'n'Rolls, dem Sound des Aufbruchs, der Lederjacken, Batikklamotten und der Nietenjeans. Unsere Stars haben auch keine Haare mehr und falsche Zähne. Wenn wir weg sind, dann ist Schicht damit. Scheiß auf das Gefasel von den Alt-Hippies!
»Truckin' got my chips cashed in.
Keep truckin', like the do-dah man
Together, more or less in line,
just keep truckin' on.«
(Grateful Dead)
710 Ashbury Street ist die Adresse des 1890 gebauten Hauses, in dem die Dead zusammen mit ihrem Anhang von 1966 - 1968 lebten und einen wesentlichen Teil der 'Legende' Haight-Ashbury mitbegründeten. Heute sind ein paar kleine Bilder der verstorbenen Band-Mitgliedern auf dem Gehsteig das einzige Zeugnis von den damaligen Eigentümern. Aber im 'Haight' kennt natürlich Jeder (über 50) die Adresse!
Direkt an der Kreuzung Haight Street/Ashbury Street liegt die Magnolia Pub & Brewery. Da gibt es nicht nur hervorragendes Bier (in zahlreichen Sorten mit kuriosen Namen) und Leckeres zum essen, hier ist wohl das Flair des alten Viertels noch am ehesten erhalten geblieben. Und die Typen, die am Tresen sitzen, schauen teilweise genauso aus, wie auf den sehenswerten Schwarzweiß-Fotos anno Spätsechziger ringsum. Ein absoluter Tipp für Jeden, der hier lang kommt und allein ein Grund, noch mal SF zu besuchen!
Die Straße neigt sich bereits ihrem Ende zu und da ist eine weitere Adresse, die jeder Musikfreak hier wohl kennt: Amoeba - »The Worlds Largest Independent Record Store« nach eigener Einschätzung. Neu und gebraucht, Vinyl, CD, DVD, Tapes, Posters, T-Shirts - alles, was man will oder auch nicht. Regelmäßig Live-Shows, CD-Releases, dazu ein eigenes Label und Personal, das richtig Ahnung hat und sich viel Mühe gibt - music heaven for fans!
Nun ist der Golden Gate Park erreicht, eine weitläufige Oase am Meer. Am Sonntag sind die Durchgangsstraßen weitgehend gesperrt und dann tummeln sich dort Radler, Skater, Walker und Familien mit Kinderwägen im gepflegten und teilweise alten Grün. Und dann kann man sich auch inmitten dieser Englischen Garten-Atmosphäre die 30.000 vorstellen, die am 14. Januar 1967 mit dem ersten 'Human Be-In' den 'Summer Of Love' der Welt schenkten, um ihn am 6. Oktober des gleichen Jahres wieder zu beerdigen. Allerdings nur, um seinen freien Geist auszusenden, der mehr als nur eine wilde Musik mit sich führte. Die nahe Berkeley-Universität war eine der Keimzellen der 68er-Revolution, die über die Unis frischen Wind in die Köpfe der Jugend brachte.
»Look what's happening out in the streets
Got a revolution got to revolution
Hey I'm dancing down the streets
Got a revolution got to revolution
Ain't it amazing all the people I meet
Got a revolution got to revolution
One generation got old
One generation got soul
This generation got no destination to hold« ( Jefferson Airplane)
Nachdem wir vom Hügel des Coit Towers die allmähliche Abend-Dämmerung über der Bay und der Skyline von SF genossen und dabei natürlich dazu DEN passenden Song im Kopf hatten, wollten wir in einem kleinen Laden noch etwas mitnehmen. Der Besitzer telefonierte beharrlich auf arabisch und deutete auf seinen Fernsehschirm mit der Meldung: »Bin Laden killed by US-Army! » Während dann die Massen in Washington frenetisch feierten, blieb SF cool. Ein weiblicher Marine, der kurz darauf sein Bier mit mir im Pub bestellte, tippte die Meldung mit einem stillen Lächeln in den Laptop.
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