Ich habe es geahnt.
Dass auf der neuen Lizards-Scheibe eine »Rock'n'Roll Legende« mit von der Partie sein wird, ist seit geraumer Zeit bekannt. In meinem Interview mit Randy Pratt vom Januar dieses Jahres, wird diese 'Legende' wie folgt zitiert: »They were the best sessions I've ever done outside my own music!«.
Na, klingelt es?
Nein, es ist nicht Robert Plant, obwohl ich Randy dahingehend fragte. Das hatte zwei Gründe, nämlich zum einen die Tatsache, dass Randy schon mal mit Robert jammte und seine Musik auch mag - genauso mag, wie die Musik eines weiteren 'Großen'.
Na, klingelt es?
Im Frühjahr 2005 wurde ich auf die Lizards aufmerksam. Da supporteten sie in der Frankenthaler Krone ein weiteres 'Vorbild', Mr. Glenn Hughes. Und weil auch bekannt ist, dass die Lizards und Glenn 'Big Poppa' 'The Voice Of Rock' Hughes nicht nur gemeinsame Gigs verbindet, war ich fast sicher. dass er wohl der geheime 'Gaststar' auf "Against All Odds" sein würde. Das war beim Interview damals Grund Nummer zwei, nicht nach Glenn sondern nach Robert zu fragen. Quasi, um Randy nicht in die Bredouille zu bringen *g*.
Dass nicht nur ich die Lizards auf dem Konzert als 'ebenbürtig' empfand, ist bekannt.
Auch bekannt ist, dass das Vorgängeralbum Cold Blooded Kings 'rockt wie Sau'. Die Musik hat einen »doomigen Black Sabbath-Touch«, sagte ich damals. Zum neuen Album meinte Randy: »Hoffentlich wird unsere vierte CD den Fans gefallen, da sie doch 'anders' ist«.
Und sie ist 'anders'.
Zur Band selbst muss ich sicher nicht mehr viel sagen. Zumindest Bobby Rondinelli und Mike DiMeo sollten jedem anständigen Rocker ein Begriff sein. Anhaltspunkt Nummer eins für das 'anders sein' des Albums könnte der Blick auf das Line-up, respektive der Blick auf die Gastmusiker (minus Mr. Hughes) erahnen lassen.
Wer etwas besser über Tieftöner Randy Pratt informiert ist, weiß, dass es da den »'sweet spot' where James Brown and Black Sabbath meet« gibt. Außerdem stimmte Randy meiner Meinung zu, dass das Bassspiel im Funk viel reizvoller für einen Mann an den dicken Saiten sein muss, weil in diesem Genre der Bass einen höheren Stellenwert als in der Rockmusik hat. Wenn man nun noch weiß, dass Randy Einflüsse wie Sly Stone, Ohio Players oder Slave (kennt diese Band eigentlich jemand außer Randy und mir?) nennt, dann könnte Anhaltspunkt zwei definiert sein. Nummer drei ist easy: Die neue CD hat den Namen "Against All Odds".
Na, klingelt es?
Zu deutsch 'Gegen alle Widerstände', also. Gab es etwa Widerstände gegen den Einsatz von Streicher- und Bläsersection, oder den stellenweisen leichten Funk-Einschlag? Ich glaube nicht, denn man merkt den Musikern den Spaß am Musizieren an. Und es gibt da gewisse Anhaltspunkte...
Würden Musiker, deren Viten auf Bands wie Riot, Black Sabbath, Rainbow und Blue Öyster Cult verweisen, nicht aufmucken, wenn man ihnen gegen ihren Willen Geige, Posaune und Trompete zur Seite stellt?
Kuckt euch mal die Tracklängen an: fünf-, sechs-, sieben-, acht- und neun-Minüter. Na, macht das eigentlich nicht klar, dass sich die Hardrocker richtig austoben dürfen?
Dritter Anhaltspunkt bin ich selbst. Würde ich mir hier seit geraumer Zeit 'nen Wolf schreiben, ohne bisher auf die Musik eingegangen zu sein? Wohl kaum.
Traditionell in bester Hard Rock-Manier kracht uns der Opener entgegen. Es wird gleich klar, ,
dass Randy und Bobby denjenigen nicht das Feld überlassen, die üblichweise die Stage dominieren: Shouter und Axtmann. Randy, eh mit gleicher Waffenanzahl ausgestattet wie Patrick (sechs Saiten) läßt diese grummeln, brabbeln und laufen. Bobby feuert Salven und ich sehe ihn vor meinem geistigen Auge zwischen Toms und Becken durchblitzen. Wahrscheinlich ein Streichholz kauend. Mike röhrt sich die Seele aus dem Leib und die Nummer riecht wie ein von Led Zeppelin angefachter Flächenbrand. Als ob das nicht schon genug wäre, um dem Hörer Freudentränen und Wonneschauer zu bescheren, starten 9:19 Minuten Wahnsinnsmucke. Wunderbare Gitarrensoli, stimmliche Höchstleistung, Bass und Drums galoppieren brachial davon und nach einem Tempobreak legt Patrick Klein los. Kinners, mir läuft es echt den Rücken runter. Läufe zum Kinderzeugen sind das. Rock, Psychedelic und der Bass begleitet ihn und hält ihn in der Spur. Bobby wirbelt mit den Sticks, Mike schweigt und addiert 'ne Prise Keyboard, so groovig und melodiös... nur toll!
Ohne Atempause geht es weiter. Mal Bad Company, dann Free, na ja, Paule eben. Ähm, Mike DiMeo natürlich. Und um das Ganze auf die Spitze zu treiben, steigt Glenn Hughes bei diesem Song das erste Mal mit ein. Klasse sind auch die Breaks, die Patrick Räume ebnen, um seine Stahlsaiten flirren zu lassen. Bei dem Intrumental "Planck Time" fehlen mir die Vocals etwas. Dafür haut DiMeo in die Tasten und Randy spitzt die Lippen an der Bluesharp. Wie auch auf der neuen Cactus-CD V.
Zu auf Spinett eingestellem Keyboard gesellt sich eine sphärische Gitarre. Patrick und Mike singen zweistimmig. Abgrundtief rollen die tiefen Töne in die Nummer. Falsch, "Ariel" ging gerade nahtlos in "My Dark Angel" über, Keyboards und Stimme schaffen eine 'düstere Stimmung'. Unbeirrt brabbelt der Bass und die Gitarre darf wieder überirdisch loslegen. Rock at it's best, sage ich mal. Die Jungs beherrschen ihr Equipment und setzen es auch gekonnt ein. Keine Langweile. Weder stilistisch - denn einigen Passagen kann ich astreine Progqualität attestieren - noch kompositorisch. Bisher lag der Focus auf Rock oder besser Hard Rock, aber eben mit der Spur Raffinesse im Songwriting, um die Scheibe immer spanned zu halten.
"Bad Luck Is Come To Town" hat nun deutlich einen funkigen Einschlag. Zumindest was die ersten Takte angeht. Der Bass eben. Selbstverständlich rockt der Rest des Quintetts. Musikalisch vielleicht so die Mother's Finest-Ecke. Aber eben mit einem Mike am Micro.
Hey kommt 'ne Ballade? Glenn Hughes eröffnet (wenn das Kind von weiter oben noch nicht gezeugt sein sollte, hier passt es auch...) "Take The Fall". Yep, "Take The Fall", auch wenn mein Player diesen Song als "Revelation No 9" betitelt; wie auch die Rückseite des Booklets. Das im Übrigen tolle Heftchen beinhaltet jedoch alle Lyrics und bringt die definitive Klarheit: Track acht heißt "Take The Fall". Daher aufpassen, wenn ihr auf der Bandseite in die Musik reinhören wollt, denn auch dort gilt: Wer "Revelation No 9" hören will, muss "Take The Fall" anklicken.
Mike und Glenn tönen, dass wohl alle Frauenherzen schmachten und sich die Finger an den Feuerzeugen verbrennen. Süßlich geigen die Geigen und erst als Patrick ein bisschen mit solieren beginnt, kommt leicht Schwung in die Bude. Aber nur leicht - mir eindeutig zu brav die Nummer, was nicht an den beiden Stimmakrobaten, sondern an den Streichern liegt.
"Revelation No 9" ist wieder Lizards-Rock. Ab der dritten Minute stoppt die Dampfwalze und die Jungs legen einen Jam vom Allerbesten aufs Parkett. Ich könnte stundenlang zuhören, wie Drums und Bass einen Rhythmus-Kosmos entstehen lassen, in dem die Gitarre mal coole Akkordsequenzen reinjammt oder aber auch brettharte Riffs in den unendlich wirkenden und sich gekonnt steigerndenen Rhythmus schleudert. Vom Keyboard kommen leicht jazzige Sequenzen bis gegen Ende Patrick Klein und das Vocal-Duo DiMeo, Hughes den Jam mit Macht sprengen. Irgendwie war es mir, als hätte ich auch 'ne Frauenstimme gehört. Keine Auskunft darüber im Booklet. Auch die Funknummer "Up The Stairs", veredelt durch 'The Voice Of Rock' sowie eine Bläsersection, die weiß, wie man Druck erzeugt, läßt mich weibliche Backings vernehmen. Hhmm, sollten Patrick, Mike und Glenn auch das Timbre in der Stimme haben, um die höheren Frequenzen so nach Frau klingen zu lassen? Oder verschweigt uns das Booklet was. Immerhin ist auch nicht zu lesen, dass in Nummer elf, "Eleven", der Himmel mit mindestens einer Geige verhangen ist. Allerdings ist der Einsatz dieses Doppelkinnbekämpfungsinstrumentes hier eher spannungsfördernd. Die 'Eichdechsen' lassen diesen Track wieder die Progschiene fahren.
Den schweren Part des Rausschmeißers hat "The Arrival Of Lyla" inne. Ohrwurmartige Vocals und Melodien verpassen dem Song eine angenehme Portion Rockpop. Schwer, sehr schwer, das Album am Stück zu bewerten. Der Rockpart ist vom Besten. Auch die Grooves der funkigen Stücke gehen ins Blut. Bei 12 Tracks kann ich den einen 'Ausrutscher' locker verschmerzen. Und damit wir uns nicht falsch verstehen: Es handelt sich nicht um einen die Qualität betreffenden Ausrutscher, es ist lediglich so, dass es auf dieser Scheibe Monsternnummern hat. Und wenn man da nicht gerade in Kinderzeug-Stimmung ist, treffen einen die süßen Geigen doch ziemlich 'hart'.
Fazit: Ich freue mich auf eine hoffentlich kommende Tour, denn The Lizards sind für mich ein Garant für hochklassige und mitreißende Musik. Auf "Against All Odds" sind das 80% Rock, 15% Funkrock und nach mehrmaligem Hören sind die Geigen gar nicht mehr so schlimm. (Uih...!!)
Na, klingelt es?
Line-up:
Mike DiMeo (vocals, keyboards)
Patrick Klein (guitars, background vocals)
Randy Pratt (bass, harmonica)
Bobby Rondinelli (drums)
Additional musicians:
Glenn 'Big Poppa' 'The Voice Of Rock' Hughes (duets on vocals with Mike - #3,8,9,10)
Lorenza Ponce (strings arranged and conducted -#8)
Antoine Silverman (violins -#8)
Ann Lehmann (violins -#8))
Max Mosler (violins -#8)
Entcho Todorov (violins -#8)
Anja Wood (cello -#8)
Todd Low (viola -#8)
Dave Phillips (double bass -#8)
Clark Gayton (trombone, horns arranged and conducted -#10)
Dave Zalud (first trumpet -#10)
James Zollar (second trumpet-#10)
Stacy Dillard (tenor sax -#10)
Tracklist |
01:I'm No Good (4:47)
02:Can't Fool Myself (9:19)
03:On A Wire (3:40)
04:Planck Time (Instrumental) (4:05)
05:Ariel (2:43)
06:My Dark Angel (6:01)
07:Bad Luck Is Come to Town (3:43)
08:Take The Fall (6:21)
09:Revelation No 9 (8:51)
10:Up the Stairs (7:11)
11:Eleven (5:32)
12:The Arrival of Lyla (4:52)
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Externe Links:
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