Nie wieder wird es einen Entertainer wie Elvis geben, der aus Hingabe zur Musik und zu seinen Fans die Bürde des Business mit solcher Demut erträgt
Meena Seit 2011 habe ich Meena Cryle und ihren Partner, Gitarristen und Bandleader Chris Fillmore fest im Visier. Erst kürzlich hatte ich das Vergnügen, ihr aktuelles Album Tell Me zu begutachten und als Sahnehäubchen gab es vorab am 10. Mai 2014 noch einen Konzertbesuch der österreichischen Band im Berliner Blues- und Jazz-Tempel Quasimodo. Das von mir am Drumset entdeckte Elvis-Foto, sowie ein Elvis-Aufkleber auf Fillmores Stratocaster waren letztlich die Auslöser des folgenden Interviews.

Es sind aber nicht die einzigen Gründe, um den beiden außergewöhnlich guten Musikern ein paar Fragen zu stellen, denn sowohl "Tell Me" als auch das Konzert zählten für mich zu meinen persönlichen Highlights des letzten Jahres. Klar, dass sich mittlerweile bei mir einige Fragen aufstauten und für mich nun der optimale Punkt erreicht schien, um meinen Wissensdurst zu stillen.

Fotos: Holger Ott

Interview vom 31.01.2015


Mike Kempf
Rocktimes: Hallo Meena, hallo Chris, vielen Dank für Eure spontane Zusage bezüglich meiner Anfrage für ein Interview. Für all diejenigen, die Euch noch nicht kennen: Seit wann existiert Ihr als Meena Cryle & The Chris Fillmore Band? Vielleicht auch ein paar Sätze zu Eurem jeweiligen Steckbrief...
Chris Fillmore: Hallo, Mike. Wir danken dir und RockTimes für die Anfrage und das Interesse. Meena Cryle & The Chris Fillmore Band existiert in dieser Form seit 2009. Das war das Jahr, in dem wir den Plattenvertrag mit Ruf Records unterzeichnet haben. Meena und ich machen allerdings schon sehr viel länger zusammen Musik. Wir lernten uns kennen, als wir 16 waren. Ich hatte damals bereits meine eigene Band - The Fillmore Blues Band - eine reine Instrumental-Combo. Ich wusste, dass Meena singt und hab sie dann mal zu einer Session eingeladen, so hat alles angefangen...
Zu meinem musikalischen Werdegang: Ich komme aus einer sehr musikalischen Familie. Meine Eltern sowie Großeltern haben immer musiziert. Zwar nicht im professionellen Sinne, aber zuhause, bei Festlichkeiten, in diversen Bands, etc... und wenn nicht musiziert wurde, dann lief Musik aus der Konserve, hauptsächlich 50er/60er Jahre, Blues, Rock'n'Roll, alter deutscher Schlager, Austropop, etc. damit bin ich aufgewachsen.
Als ich ungefähr acht Jahre alt war, habe ich begonnen, mit den Stricknadeln meiner Mutter auf Büchern rumzuklopfen. (grinst) Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich damals stundenlang zu den Everly Brothers getrommelt habe. Zu Weihnachten bekam ich dann von meinem Vater ein altes Pearl-Drumset aus den 60er geschenkt. Das war gewissermaßen der Beginn meiner aktiven musikalischen Laufbahn. Vom achten bis zum zwölften Lebensjahr habe ich mich komplett dem Schlagzeug gewidmet. Zu dieser Zeit habe ich auch mit zwei Schulfreunden meine erste Band, The Babies, gegründet und erste Konzerte gespielt.
Als ich zwölf war, haben sich meine Eltern getrennt und ich habe im Zuge dessen auch mein Schlagzeug 'verloren'. Das blieb bei meinem Vater und im Grunde war das gleichzeitig das Ende meiner Schlagzeugerkarriere.
Meine Mutter hatte jedoch eine Akustikgitarre, die bei ihr immer in einer Ecke rumstand. Irgendwann hab ich diese dann in die Hand genommen und begonnen, darauf das Intro von "Marmor, Stein & Eisen bricht" zu lernen. (lacht) Letztlich war auch mein Onkel Charly eine große Inspiration für mich, denn er war und ist so was wie ein 'Local Guitar Hero', dort wo ich herkomme. Er war es auch, der mir den Blues näher gebracht hat. Er hatte eine unglaubliche Plattensammlung und ich war fasziniert von der Musik, die er mir vorspielte. Ein Song, den er oft spielte war Jeff Healeys-Version vom "Blue Jean Blues". Die Platte kam damals gerade raus und ich erinnere mich, wie fasziniert ich von diesem Sound war. Und dann war da natürlich noch Stevie Ray Vaughan - der 'Elvis' unter den Gitarristen. (grinst) Rückblickend gesehen waren das wohl auch so was wie Schlüsselerlebnisse für mich, dass ich die Gitarre in die Hand nahm und fortan nicht mehr losgelassen habe. Ich war total begeistert von dem Feeling dieser Musik, diesem Lebensgefühl, das da aus den Lautsprechern zu mir sprach und ich wusste, das will ich machen. Und das, obwohl ich erst zwölf war!
Meena Meena Cryle: Ich danke ebenso für die Anfrage und das Interesse. So wie es Chris bereits erwähnte, haben wir uns vor etwa zwanzig Jahren im Zug kennengelernt. Er hatte bereits eine Band, ich hatte meine Stimme und eine Akustikgitarre. Beim ersten gemeinsamen Auftritt sang ich damals "Heartbreaker" von Led Zeppelin und den "Blue Jean Blues". Mit der Unterstützung von Musikerfreunden machten wir die ersten Studioaufnahmen, Tourneen und verbrachten Stunden im Proberaum. Ich kann mich noch gut erinnern, wie wir super aufgeregt waren, als wir endlich unser erstes Festival in Deutschland spielten - 'Blues in Lehrte' - gemeinsam mit Mike Anderson und Aynsley Lister. Eine dreizehnstündige Anreise mit einem alten, ausrangierten Feuerwehrbus, es war herrlich... (schwelgt in Erinnerungen)
2009 unterzeichneten wir den Plattenvertrag mit Ruf Records. 2010 tourten wir quer durch Europa und promoteten unser Debüt-Album "Try Me". 2011 wurden wir für die erste europäische Blues-Challenge nominiert. 2012 spielten wir die ersten Konzerte in Amerika. 2013 waren wir für den AMADEUS Austrian Music Award und für die International Blues-Challenge in Memphis nominiert. In der Zwischenzeit haben wir drei Alben produziert und neben mir und Chris wurden Frank Cortez und Marlene Lacherstorfer zu fixen Bandmitgliedern.
Ich selbst singe seit ich sprechen kann. Singen war für mich nie etwas, das man 'lernen' muss. Ganz im Gegenteil, wenn mir jemand was beibringen wollte, wurde ich bockig - das ist auch heute noch öfter so. (schmunzelt) Der theoretische Zugang zur Musik langweilte mich furchtbar. Ich interessierte mich auch nie für Musiker, die gerade bekannt waren oder deren Style, deren Glamour. Musik war und ist für mich dann interessant, wenn sie mich innehalten lässt, näher hinzuhören und dann eine Welle an Emotion überschwappen lässt. Das kann die Schönheit einer Harmonie sein, die unendliche Traurigkeit in einer Stimme oder auch die Stärke von Lyrics. Ich bin auf dem Land groß geworden und wurde sehr bodenständig erzogen. Meine Eltern hatten einen eher pragmatischen Zugang zu meiner Musikkarriere. Ich musste in diesem Punkt keine Erwartungen erfüllen oder Träume meiner Eltern ausleben. Ich denke, sie waren froh, wenn ich keine Drogen nahm, Geld verdiente und glücklich war.
Rocktimes: Ich habe Euch am 10. Mai des letzten Jahres im Berliner Blues- und Jazztempel Quasimodo als Support von Coco Montoya live erlebt. Da erschließen sich mir gleich mehrere Fragen. Zum Beispiel: Warum wurde Marlene Lacherstorfer an diesem Abend von Jojo Lackner ersetzt? Wart Ihr mit Eurem Berlin-Auftritt zufrieden? Wie würdet Ihr - insgesamt betrachtet - die Tour mit Montoya einschätzen? Habt Ihr für Euch von ihm etwas mitnehmen können?
Chris: Marlene war im vergangenen Jahr sehr viel mit anderen Projekten beschäftigt. Sie ist eine großartige und somit auch eine sehr gefragte Musikerin. Aus diesem Grund mussten wir bei der 'Tell Me Tour 2014' flexibel sein und oft variieren. Ich habe den Abend im Quasimodo sehr positiv in Erinnerung. Der Club war brechend voll und die Stimmung war phänomenal und ich freue mich, wenn man uns hoffentlich bald wieder mal nach Berlin einlädt.
Mit Coco auf Tour zu gehen, so wie wir das bereits 2010 schon einmal zusammen gemacht haben, ist immer eine besondere und sehr angenehme Erfahrung. Er ist ein fantastischer Gitarrist und Musiker, der auch schon einiges im Laufe seiner Karriere erlebt hat und somit viele interessante und inspirierende Geschichten zu erzählen weiß. Ich erinnere mich speziell an eine Story, wo er mit John Mayall und Jeff Healey auf Tour war. Diese kann ich hier allerdings nicht wiedergeben (schmunzelt). Coco ist ein sehr herzlicher Mensch. Er hat uns immer unterstützt, wo es nur ging, was in diesem Business und für manche Kollegen nicht selbstverständlich ist. Wir alle waren auf Tour wie eine große Familie - »No pissy attitudes«. Ich hoffe, wir können das irgendwann wiederholen!
Rocktimes: Das wünsche ich mir auch und Du kannst Dir sicher sein, dass ich dann wieder mit von der Partie sein werde. So, nun kann ich endlich eine Frage loswerden, die mich schon seit längerem beschäftigt: Bei Eurem damaligen Berlin-Gastspiel ist mir sofort eine Sache aufgefallen, der ich nun auf den Grund gehen kann. Es war das Elvis-Bild am Drumset und der Elvis-Schriftzug als Aufkleber an Deiner Stratocaster. Ich frag' Euch beide: Habt Ihr einen besonderen Bezug zum King des Rock'n'Roll?
Chris: Ich denke, mir geht es ähnlich wie Tom Waits, der kürzlich in einem Interview sagte: »I think about Elvis all the time«. (schmuzelt) Ja, Elvis Presley hat einen besonderen Stellenwert in meinem Leben. Er war es, durch den ich Musik das erste Mal 'bewusst', beziehungsweise 'anders' wahrgenommen habe. Mit ihm fing alles an und durch ihn bin ich in weiterer Folge auf andere Musiker wie Jimmy Reed, Ivory Joe Hunter, John Lee Hooker, Muddy Waters, B.B. King, Hank Williams, 'Big Boy' Arthur Crudup und viele, viele andere gestoßen. Elvis ist für mich so was wie der musikalische Urknall. Durch ihn wurde meine Leidenschaft und Faszination für die Musik geweckt. Ohne diese Inspiration wäre ich heute nicht da, wo ich bin. Insofern habe ich natürlich besonderen Respekt vor dem 'King'.
Meena: Elvis Presley war und ist einer der größten Entertainer, den die Rockgeschichte jemals hervorbrachte. Mir wurde das erst richtig klar, als Chris begann, im Bandbus Interviews zu horchen. Interviews mit Elvis oder Menschen, die mit ihm zu tun hatten. Es war nicht die Musik, die mir das 'Phänomen' Elvis erklärte, es waren diese Interviews. Nie wieder wird es einen Entertainer geben, der aus Hingabe zur Musik und zu seinen Fans, die Bürde des Business mit solcher Demut erträgt.
Meena Rocktimes: Chris, kannst Du Deine persönlichen Gefühle zu Elvis etwas konkretisieren? Immerhin scheint der 'King' für Dich quasi auch wirklich der 'König' zu sein. Was gefiel Dir an ihm besonders? Wie alt warst Du, als durch die Medienlandschaften Presleys Tod verkündet wurde und weißt Du noch, wie Du damals die Nachricht verarbeitet hast?
Chris: Als Presley gestorben ist, war ich knapp acht Monate alt. Somit habe ich wenig Erinnerung an diesen Tag. (schmunzelt) Ich finde es jedoch immer wieder erstaunlich, dass praktisch jeder, der das damals bewusst mitbekommen hat, heute noch ganz genau weiß, wann und wie er davon erfahren hat, beziehungsweise was er gerade in diesem Moment gemacht hat. Weißt du es noch, Mike? (grinst)
Meine Faszination für Elvis Presley geht weit über sein musikalisches Lebenswerk hinaus. Wo fange ich an? Ich beschäftige mich seit vielen Jahren mit der Person und dem Phänomen Elvis. Ich habe viele Bücher gelesen, Interviews gehört, Dokumentationen gesehen, mich mit seiner Musik und seiner Qualität als Entertainer auseinandergesetzt. Ich habe über 600 Live-Konzerte von Elvis Presley in meinem Archiv. Und dann sind da noch die unzähligen Studio Sessions... - klingt bedenklich, oder? (lacht)
Mich fasziniert der Mythos und der Mensch dahinter! Die Elvis Presley-Story ist so beeindruckend, weil sie so viele Bereiche in großem Ausmaß umfasst: Musik, Show-Business, Psychologie, Philosophie, Soziologie, Religion, Geschichte, etc. Hinzu kommt, dass dieser Mann, allen Berichten zufolge, ein sehr außergewöhnlicher, beeindruckender und positiver Charakter war. All dies fasziniert und interessiert mich sehr und ich denke, das ist auch der Grund, warum Kollegen wie B.B. King, Tom Waits, John Lee Hooker, James Brown, Bruce Springsteen, Al Green, Bob Dylan, Betty LaVette, Chuck Berry, Little Richard, Mick Jagger, Roy Orbison, Johnny Cash, Sammy Davis Jr., u. v. a. so über diesen Mann in ihren Interviews sprechen. Ein Mitarbeiter der Cirque de Soleil-Produktion "Viva Elvis" in Las Vegas hat das mal schön auf den Punkt gebracht, als er in einem Interview sagte: »Als wir mit der Produktion begannen, wusste ich von Elvis nicht viel. Ich kannte "Hound Dog", "Jailhouse Rock" und ein paar andere Hits. Er spielte keine besondere Rolle in meinem Leben. Heute bin ich ein Elvis-Apostel«. Ich kann dazu nur sagen, dass ich diesen Mann sehr gut verstehe! »Once you get into it« (schmunzelt). Auch als Frankie, unser Schlagzeuger, damals in die Band kam, war Elvis kein Thema für ihn. Er kommt ursprünglich aus der Heavy Metal-Ecke. Heute hängen in seiner Wohnung mehr Elvis-Bilder als bei mir. (lacht) Ebenso bei unserem Freund und Produzenten von "Tell Me", Raphael Tschernuth. Elvis Presley war und ist einfach eine sehr interessante und außergewöhnliche Persönlichkeit. Viel beeindruckender als die meisten womöglich denken. Wenn der Funke einmal übergesprungen ist, sieht man diese Person und dieses 'Phänomen' plötzlich in einem ganz anderen Licht und bei Elvis ist das interessanterweise eben ganz speziell der Fall. Nicht umsonst ist er der Mensch, über den die meisten Bücher und Abhandlungen geschrieben worden sind - ausgenommen Jesus vielleicht…
Ich möchte jedoch nicht den Eindruck erwecken, dass ich Presley auf eine naive Art glorifiziere. Es ist lediglich eine Tatsache, dass Elvis und die mit ihm verbundene Geschichte ein Unikum darstellt, in einer globalen und historischen Dimension, die ihresgleichen sucht. Elvis verkörpert Träume und Alpträume wie kein anderer. In ihm und seinem Erbe spiegeln sich die Widersprüche unserer Zeit und Gesellschaft wider - Armut und Reichtum, Rebellion und Konformität, Todessehnsucht und Lebenshunger, Mann und Frau, Liebe und Hass, Schwarz und Weiß, Naivität und Selbstironie, Kommerz und Kunst. Das alles macht es dem Menschen und der Gesellschaft einfach, sich mit ihm zu identifizieren - auf welche Art auch immer. Und ich denke, das ist auch der wahre Grund, warum die Menschheit ihn den 'King' nennt.
Rocktimes: Als Elvis verstarb war ich sechzehn Jahre alt und ich kann mich nur noch daran erinnern, dass die Todesnachricht in allen TV-Sendern gebracht wurde. Aber im Gegensatz zu Dir, bin ich eher der 'Bad Boy' und verehrte zu dieser Zeit Bon Scott, der dann leider nur drei Jahre später ebenfalls völlig unerwartet verstarb. Ich kann von daher Deine Begeisterung für den 'King' durchaus nachvollziehen. Hat der 'King' auch Einfluss auf Eure Songs?
Chris: Ja, Elvis hat oft Einfluss auf mich, wenn ich neue Songs schreibe. Definitiv! Vielleicht nicht immer bewusst, aber seine Musik - diese Mischung aus Rhythm'n'Blues, Gospel, Country, Rock und das damit verbundene Gefühl, ist etwas, das tief in meiner Seele verankert ist und somit auf ganz natürliche Art und Weise in meine beziehungsweise unsere Musik einfließt. Für die Songs auf unserem aktuellen Album "Tell Me" (Ruf Records) waren Elvis Presley und John Lee Hooker die größten Inspirationen für mich. Das mag für manchen wunderlich klingen, ist jedoch Tatsache.
Rocktimes: Ja, in der Tat hätte ich nicht vermutet, dass Elvis auch Einfluss auf Eure Songentwürfe hat. Meinst Du, Ihr seid zu spät geboren? Waren die Zeiten vor allem der 70er nicht DIE Zeit des Rock'n'Roll? Als die Digitalisierung, die Globalisierung noch ein ganzes Stück weit weg war und die Fans noch gezwungen waren, ihr Gespartes in LPs zu investieren. Was meinst Du?
Chris: Es wundert mich nur bedingt, dass du Elvis nicht in unserer Musik vermutet hast. (lächelt) Ich erlebe das immer wieder. Das hat wahrscheinlich viel mit dem Image von Presley zu tun. Ich mache gelegentlich die Erfahrung, dass er von manchen nicht so 'ernst' genommen wird wie diverse andere Musiker. Ich kann verstehen, woher das kommt und warum das für manche so ist - eben wegen einem Image. Und dieses ist stark behaftet von Klischees und Vorteilen und hat meist wenig mit der Wahrheit dahinter zu tun. Bei einer Pressekonferenz 1972 wurde Elvis mal gefragt, ob er denn zufrieden mit seinem Image sei. Er meinte dazu nur: »The image is one thing, Human Being is another. It's very hard to live up to an image« Ich finde diese schlichte Antwort sehr ehrlich und aussagekräftig,.
Aber nun zu deiner eigentlichen Frage. (schmunzelt). Ich weiß nicht, ob Meena und ich zu spät geboren wurden. Ich denke manchmal, dass ich vielleicht eher ein Kind der 50er, 60er und 70er Jahre gewesen wäre. Aber das sind nur Vermutungen, da ich zu der Zeit nicht gelebt habe. Der heutige Zeitgeist ist aber mit Sicherheit ein ganz anderer. Das beeinflusst natürlich sämtliche Bereiche. Das Musik-Business hat sich durch die neuen Medien - Internet, Digitalisierung, etc. - extrem verändert. Das hat, wie vieles, Vor- und Nachteile. Unterm Strich hat sich aber meiner Ansicht nach alles eher zum Nachteil entwickelt. Durch das resultierende Überangebot geht eine gewisse Wertschätzung gegenüber der Musik und ihren Künstlern verloren. Weiter wird heutzutage die Musiklandschaft von Großkonzernen und Anwälten gelenkt. Man hat das Gefühl, es geht nur noch um den größtmöglichen Profit. Der Rest spielt immer weniger eine Rolle. Dass es immer schon ums Geld ging, ist keine Frage. Aber der Respekt und die Art, wie man das erreicht, hat sich doch sehr geändert - zum Negativen. Das ist meine persönliche Einschätzung und Erfahrung zu diesem Thema.
Rocktimes: Oh ja, das ist ein heikles Thema! Aber im Bezug auf nötigen Respekt gegenüber eines Musikers/Künstlers, erfährt dieser, egal ob berühmt oder No-Name, in unserem Magazin uneingeschränkten Respekt. Und im Prinzip hat fast jede Band eine Chance im RockTimes-Index zu landen. Meena, wie beurteilst Du Fillmores Elvis-Ansichten? Hast Du dem noch was hinzuzufügen? Und wie empfindest Du die momentane Entwicklung im Musikbusiness?
Meena: Ich denke, Chris' intensive Auseinandersetzung mit dem 'Phänomen Elvis' hat positive Auswirkungen auf das gesamte Bandgeschehen. Wir diskutieren viel über den 'Beruf' Musiker, ich finde das bereichernd. Im aktuellen Musikbusiness wird zu viel gejammert und zu wenig Networking betrieben. Kunst und Geld sind nicht immer die besten Partner, das ist aber kein neues Phänomen. Die Musiklandschaft wäre bunter und qualitativer, wenn Major-Labels sich von Independent-Labels inspirieren ließen und umgekehrt, oder Musiker sich gegenseitig unterstützen würden, anstatt die Preise zu dumpen und ihr Talent für ein Bier und zehn Prozent vom Eintritt zu verscherbeln. Als Musiker ist man gefordert, die paradoxe Kombination aus Bescheidenheit und Starallüren zu erfüllen. Die wahre Kunst ist es zu wissen, wann was angesagt ist.
Rocktimes: Ich merke schon, übers Musikgeschäft könnten wir uns wahrscheinlich stundenlang unterhalten. Themenwechsel und Stichwort "Stille Nacht, heilige Nacht". Meena, das Weihnachtslied kennt vermutlich jeder. In welcher besonderen Beziehung stehst Du zu diesem Lied?
Meena: Der Großvater meiner Ur-Oma, er hieß Joseph Thaler, war um 1820 als Organist und Lehrer in Kuchl tätig, das ist bei Salzburg in Österreich. Joseph Mohr, der den Text von "Stille Nacht, Heilige Nacht" geschrieben hat, war ebenso zu dieser Zeit in Kuchl als Hilfspfarrer angestellt und man erzählt sich, dass Mohr und Thaler damals gemeinsam musiziert haben und zu dieser Zeit ist eben auch "Stille Nacht, Heilige Nacht" entstanden. Vertont hat Mohrs Text letztlich aber Franz Xaver Gruber. Für mich war es spannend, dass man meine musikalischen Wurzeln soweit zurück verfolgen kann. Ich fühlte mich eher gleich mit dem musikalischen Ur-Ur-Ur-Opa verbunden als mit dem Lied an sich.
Meena Rocktimes: Drei Studio-Alben habt ihr bisher veröffentlicht. Euer letztes Werk "Tell Me" hatte ich persönlich zum Check vorliegen und die Platte gefiel mir außerordentlich gut. Wie entsteht bei Euch ein Album? Ist es erst eine Textzeile, ein Riff oder sonst irgendeine Idee, die einen Song reifen lässt? Geht der Song letztlich durch die Zensur aller Bandmitglieder? Beziehungsweise, wer hat das letzte Wort, wenn es darum geht, ob ein Lied veröffentlicht wird oder nicht?
Meena: Meine Lieder entstehen meistens aus einer Emotion heraus. Manchmal finde ich erst die passenden Chords, manchmal sind es Textzeilen, oft auch nur ein einziges Wort, das den Grundstein legt. In letzter Zeit passierst mir auch häufig, dass mir an den unmöglichsten Orten Gesangsmelodien für den Refrain oder die Bridge einfallen. Ich recorde alle meine Ideen und horche sie dann stundenlang, zerlege Chords, ändere Vocal Lines, manchmal auch nur einzelne Wörter, weil sie phonetisch besser klingen oder die Message klarer wird. Ich bin absolut aufs 'Hören' fixiert, ich schreibe keine Chordsheets, wenn ich meinen Musikern die Songs erkläre, rede ich weniger von Chords als von Stimmungen, Emotionen, Farben und von der Bedeutung des Liedes. Letztlich tragen Chris und ich unsere Ideen zusammen, horchen wieder, diskutieren und die Idee des einen ist oft der 'Missing Link' für die Idee des anderen. Unsere Songs sind immer eine Mischung aus uns beiden, das ist unter anderem auch, was es für mich spannend und einzigartig macht. Besonders bei "Tell Me" war auch Raphael Tschernuth an der Songauswahl, beziehungsweise am Arrangement, beteiligt. Chris und Raphael waren das perfekte 'Producing-Team'. Natürlich fließt auch die Stimmung der Band mit ein oder die eine oder andere Idee, auch die Plattenfirma hat ihre Vorstellungen. Ob ein Song letztlich auf ein Album oder auf die Bühne kommt, ist zwar ein Gruppenprozess, aber keine Gruppenentscheidung - diese Entscheidung liegt am Ende bei Chris und mir. Wir haben mittlerweile einige Jahre Erfahrung im 'gemeinsam Entscheidungen' treffen, für alle die sich jetzt fragen, was passiert, wenn wir beide uns mal nicht einig sind. (lacht)
Rocktimes: Apropos Plattenfirma: Ist es für Euch ein Glücksfall, bei Ruf Records untergekommen zu sein? Habt Ihr einen Überblick, wie oft "Tell Me" die Ladentheke gewechselt hat? Sind die Zahlen für Euch zufriedenstellend?
Meena: Ich sag immer, der Plattendeal mit Ruf Records war für uns wie ein Lottosechser. Nach sechs Jahren sehe ich das differenzierter und weiß, der eigentliche Deal war der Lernprozess. Tom Ruf war und ist in vielen Dingen ein ausgezeichneter Lehrmeister und das Frauenteam in seinem Office ist businesstechnisch unschlagbar. Und klar hab ich einen Überblick über die Verkäufe aller drei Alben - wenn ich jetzt über die Zahlen jammern würde, wäre das Jammern auf sehr hohem Niveau. (blickt zufrieden)
Chris: Der Plattenvertrag mit Ruf Records hat für uns alles verändert. Das war das Ticket für die internationale Showbühne. Im Sommer 2009 hat Tom Ruf uns nach Memphis eingeladen, um mit der Produzentenlegende Jim Gaines unser Debüt-Album "Try Me" aufzunehmen. Jim Gaines hat mit Größen wie Stevie Ray Vaughan ("In Step"), John Lee Hooker ("The Healer"), Santana (Supernatural),Van Morrison, Buddy Guy, u. v. a. zusammengearbeitet und wurde dafür auch mit einigen Grammys ausgezeichnet. Mit Jim zu arbeiten, war für Meena und mich eine unglaubliche Erfahrung und Inspiration. Ein großartiger Produzent und Mensch. Ohne die Kooperation mit Ruf Records, wäre das nie möglich gewesen. Somit werde ich Tom Ruf für das, und vieles anderes, immer dankbar sein!
Die Verkaufszahlen von "Tell Me" sind im grünen Bereich (schmunzelt). Gerade in Zeiten wie diesen ist das bereits ein Erfolg - für sämtliche Bands, Künstler und Plattenfirmen. Das Album verkauft sich wirklich sehr gut bei unseren Konzerten. Jammern könnte man immer. Aber das wäre jammern auf hohem Niveau, wie Meena es bereits so schön formuliert hat. Ich denke, es ist wichtig, in diesem Business die richtige Mischung aus Ambition und Bescheidenheit zu finden.
Rocktimes: Ich habe Euch einmal beim Blues-Caravan und letztes Jahr im Mai mit Coco Montoya live erlebt. Ist es nun nicht an der Zeit ein Live-Album nachzulegen? Und wenn ich einen Wunsch äußern darf: Am besten gleich ein farbiges Doppel-Vinyl in limitierter Auflage. Ich bestell schon mal vor... (lache)
Chris: Wir wollen 2015/16 ein Live-Album veröffentlichen. Die Nachfrage ist groß und es wäre uns auch persönlich ein Anliegen. Live- und Studioarbeit sind zwei komplett verschiedene Paar Schuhe. Ich freue mich auf diese Herausforderung. Auch, weil ich uns eher als eine Live-Band sehe. Das Ganze auch auf Vinyl zu veröffentlichen, wäre natürlich großartig. Ob das möglich ist hängt aber auch von verschiedenen anderen Faktoren ab. Zum Beispiel, wer übernimmt die Veröffentlichung - eine Plattenfirma oder das eigene Label, usw... Diese Fragen sind im Moment noch nicht geklärt.
Rocktimes: Meena, bei Eurem letzten Berlin-Auftritt hast Du Dich einer sehr schönen Telecaster bedient. Möchtest Du künftig mehr Gitarrenläufe beisteuern? Ich denke, mit Chris hast Du den perfekten Lehrmeister an Deiner Seite. Und Chris, wie lange hast Du gebraucht, um Dein Spiel zu perfektionieren?
Meena: Ich spiele eigentlich schon lange Gitarre. Klavier und Gitarre sind für mich auch sehr wichtige Instrumente fürs Songwriting. In erster Linie ist aber meine Stimme mein Instrument. Anfangs störte mich die Gitarre sogar auf der Bühne, weil sie meine natürlichen Bewegungen beim Singen einschränkte und ich das Gefühlt hatte, ich kann mich nur auf das eine oder das andere konzentrieren. Mittlerweile spiele ich seit einigen Jahren Rhythmusgitarre in der Band, das ergab sich auch so, als wir immer mehr darauf verzichteten, einen Organisten oder Pianospieler auf Tour mitzunehmen. Ich mag Gitarren, vor allem die Telecaster. Ich benutze dieses Instrument gerne so laut und exzessiv wie meine Stimme, da muss Chris mich dann immer ein wenig einbremsen. (lacht) Und ja, du hast recht, Chris ist wirklich ein guter Lehrmeister. Er ist streng und ich komme mir immer noch wie ein Gitarrenschüler vor, wenn ich ihm was vorspiele (lacht), aber zeitgleich auch motivierend und er weiß wirklich alles, was ich ihn bzgl. Chords, Harmonien, Grifftechniken frage.
Chris: Vertrauen zu einem Instrument aufzubauen und die Fähigkeit bestimmte Gefühle darauf auszudrücken, ist ein stetiger Prozess. Ich selbst sehe mich weit entfernt von 'perfekt'. Das ist wie mit dem 'perfekten' Liebhaber. (grinst) Ich lerne jeden Tag dazu. Mich inspirieren andere Musiker. Welches Instrument oder welche Stilrichtung, spielt dabei keine Rolle. Ich selber sehe mich auch eher als Musiker allgemein und die Gitarre ist das Instrument, auf dem ich mich am vielseitigsten ausdrücken kann. Verschiedenste Emotionen in der Musik zum Ausdruck zu bringen und den Zuhörer mit auf diese Reise zu nehmen, ist meine Herausforderung und Inspiration. So kommts dann auch dazu, dass Meena sich zum Beispiel eine E-Gitarre umhängen 'muss'. (schmunzelt)
Rocktimes: Meena, Eure Band besteht ja nicht nur aus Dir und Chris. Wie ticken die anderen Bandmitglieder? Verkehrt Ihr auch privat oder beschränkt sich alles nur aufs Musikalische?
Meena: Ich mache grundsätzlich nur Musik mit Menschen, die ich mag, und ich mag Menschen mit Charakter, das machts vielleicht nicht immer ganz einfach, aber gefällige Menschen langweilen mich. Franky Cortez, Marlene 'Commander' Lacherstorfer, Jojo Lackner, Kris Jefferson sind einfach großartige Persönlichkeiten, von denen jeder auf seine Art perfekt mit dem Gesamten harmoniert. Ich muss zugeben, dass Chris und ich in diesem Punkt anspruchsvoll sind. Auf eine gewisse Art stellen wir hohe Anforderungen an die Musiker: Uns musikalisch blind zu folgen - mit kryptischen Ansagen, spontan kreativ zu sein, authentisch zu sein. Ich hab nichts von einem Musiker, der zwar sein Instrument beherrscht, aber den ich auf der Bühne nicht fühlen kann, weil die Persönlichkeit fehlt. Das alles können diese Musiker und wir setzen es auch voraus und alles andere kann man in jeder beliebigen Rock- oder Blues-Biographie nachlesen, wir unterscheiden uns da kaum. (schmunzelt)
Meena Rocktimes: Chris, wie viele Gitarren sind in Deinem Besitz? Gibt es eine, die Dir besonders am Herzen liegt? Meinst Du, Deine Gitarren haben alle ein Eigenleben, eine Art Seele? Welchen Stellenwert nehmen sie in Deinem Leben ein?
Chris: Ich schätze, es befinden sich so an die 40 Gitarren in meinem Besitz, die sich über all die Jahre angesammelt haben. Die meisten davon sind jedoch selten im Einsatz. Zurzeit habe ich immer vier bis fünf Gitarren mit auf Tour. Unser aktuelles Bühnenprogramm besteht aus sehr unterschiedlichen Songs, für die ich mit der Gitarre eine bestimme Atmosphäre erzeugen muss. Dafür brauche ich unterschiedliche Sounds und somit unterschiedliche Gitarren - Slide, Open Tunings, etc... Jede Gitarre ist anders und hat ihren ganz eigenen Charakter. Egal, ob das Ding vom Flohmarkt kommt oder ein 'edles' Stück ist, das tausende Euro kostet. Das ist ohne Relevanz für mich. Alles was zählt, ist der Sound!
Eine ganz besondere Beziehung habe ich jedoch zu meiner Fender Stratocaster. Diese Gitarre begleitet mich von Anfang an - sie war immer mit dabei. Von den ersten 'Gehversuchen' im Proberaum, den unzähligen Jam-Sessions - unter anderem mit Junior Wells,Holmes Brothers, Lucky Peterson und Larry Garner - unseren Tourneen in Europa und den USA, bei der Recording Session mit Jim Gaines in Memphis, usw... So komisch das vielleicht klingen mag, aber sie ist ein Teil von mir. Was mir diese Gitarre wahrhaftig bedeutet, habe ich vor einiger Zeit am eigenen Leib erfahren. Wir waren gerade auf dem Rückweg von Memphis nach Wien. Dort angekommen sagte man mir, dass meine Gitarre auf dem Weg verloren gegangen sei. Es täte der Fluggesellschaft leid, aber man habe keine Ahnung, wo das Teil sei. Man hat mir sogar schon finanzielle Entschädigung angeboten! Als ich zuhause das Ganze dann realisiert hatte, war ich todtraurig und musste sogar heulen. (schmunzelt) Damals wurde mir in vollem Maße bewusst, welch große Bedeutung diese Gitarre für mich hat. Wir haben so viel zusammen erlebt und sind zusammen um die halbe Welt gereist. Dann, nach Tagen tiefer Trauer, bekam ich einen Anruf vom Münchner Flughafen. Die meinten, sie hätten da eine Gitarre gefunden. Es war meine...
Rocktimes: Wow, eine Wahnsinnsgeschichte mit glücklichem Ende. Momentan scheint die Welt aus den Fugen zu geraten: IS, Pegida, Flüchtlingsströme und ganz aktuell die Anschläge von Paris. Sind das auch Themen die innerhalb der Band diskutiert werden, beziehungsweise wie geht Ihr damit um?
Meena: Ich denke, wir haben im Bandbus schon ganze Abhandlungen über Weltpolitik, gesellschaftliche Phänomene, Verschwörungstheorien, usw. verfasst. Was du ansprichst ist kein 'momentanes Phänomen', es ist ein menschliches Phänomen, das meiner Meinung nach so alt ist, wie die Menschheit selbst. Der Hauptmotivator ist Angst, und Angst ist ein mächtiges Instrument. Ich hinterfrage die allgemeine Berichterstattung sehr kritisch und versuche mich über verschiedene Kanäle zu informieren. Ich interessiere mich für die Entstehung der Weltreligionen und deren Einfluss auf die Weltpolitik. Dadurch werden Zusammenhänge klarer, der Blick weitet sich und man lernt wieder, selbständig zu denken und nicht blind jede Meinung anzunehmen. Die Angst blockiert den Blick hinter das Grauen. Niemand wird als Terrorist oder Attentäter geboren, dieser Weg ist gepflastert mit vielen verschiedenen Bausteinen. Die Gesellschaft, jeder einzelne von uns ist gefordert, diese Bausteine aktiv zu beeinflussen. Es gibt einen Punkt, an dem ein Mensch kippt und jegliche Menschlichkeit verliert. Die Entwicklung und Sozialisation vor diesem Punkt sollte für uns alle von größtem Interesse sein.
Chris: Natürlich sprechen wir intern auch über aktuelle Themen. Anlass dazu gibt es ja leider genug. »This world is in trouble. We got to find a way…«, hat Marla Glen damals schon erkannt. Es ist beunruhigend, was in der Welt so vor sich geht, aber ich möchte hier nicht schwarzmalen oder näher auf ein spezielles Thema eingehen. Nur so viel: Ich habe den Eindruck, dass die politische Vorgehensweise der westlichen Großmächte, mit den Anschlägen vom 11. September 2001, eine drastische Wendung genommen hat und halte es auch durchaus für möglich, dass man hier ganz bewusst eine Sache 'inszeniert' hat, um bestimmte Ziele verfolgen zu können - mit dem Beistand des Volkes. Wäre auch nicht das erste Mal... Und das Ganze zieht sich seither wie ein roter Faden durch unser tägliches Leben. Die große Gefahr ist, dass wir uns von den Medien zu sehr manipulieren, aufhetzen und (ver)leiten lassen. Vielleicht wäre es klug, weniger Zeit mit Nachrichten schauen zu verbringen und sich stattdessen wieder mehr auf Vernunft, Respekt und Hausverstand zu besinnen. Die Welt als Ganzes kann ich nicht verändern, aber ich kann meine Welt, mein Umfeld verändern und gestalten. Mit Weitblick und Achtung meinen Mitmenschen gegenüber - ein Vorbild sein! Auch wenn das nicht immer leicht ist oder gelingt, doch das sollte der Ansatz sein. Für jeden von uns... (blickt nachdenklich)
Rocktimes: Danke für Eure ehrlichen Worte. Um nochmal aufs Musikalische zurückzukommen: Was war für Euch der absolute Höhepunkt Eurer Karriere? Und gab es auch einen Tag, den ihr am liebsten von Eurem Steckbrief löschen würdet?
Meena: Wenn ich daran denke, wie wir in Amerika im Mietauto saßen, hinten die Instrumente, vorne wir, total aufgekratzt, die Fenster runtergekurbelt, auf dem Highway zum nächsten Konzert, das war ein Highlight. Als ich zu den Blues-Awards nach Memphis eingeladen war und Eric Bibb am Morgen neben mir beim Frühstück saß, das war ein Highlight. Als wir das erste Mal zu Jim Gaines in Stantonville ins Studio kamen, ein Mega-Highlight. Das Feedback nach unseren Auftritten in Memphis, Kansas City, Omaha, Baltimore... als wir das erste Mal in Holland im Café de Amer an einem Tag zwei Shows spielten und beide ausverkauft waren. Als Henry von der legendären Bluesgarage nach unserem Gig meinte, wir dürfen jederzeit wiederkommen (schmunzelt). Jeff Davis, als er nach dem Konzert bei der ersten Blues Challenge in Berlin zu uns kam und uns die ersten Konzerte in den USA angeboten hat. Als Tom Ruf mich für den ersten Blues-Caravan engagiert hat. Die Tour mit Coco Montoya, als einer unserer Songs das erste Mal im Mainstream-Radio lief. Das gesamte Recording von "Tell Me", die vielen Fans, vor allem in Deutschland, die uns schon Jahre begleiten und uns auf allen erdenklichen Wegen unterstützen, Grillhuhn und Ananas im Backstage, Lachanfälle im Bandbus, ausverkaufte Shows... alles Highlights. Es gibt nichts, was ich löschen möchte und in Zeiten von Internet und Smartphones wissen wir auch, dass das fast unmöglich ist. Es gibt eine Sache, die mir im Nachhinein leid tut, das war ein Konzert in Belgien. Die Veranstalter wollten von uns, dass wir als letzten Song einen 'Vereins-Song' interpretieren, einen Blues-Song und genauso wenig, wie mir jetzt der Name des Songs einfällt, genau so wenig wollte ich ihn singen. Es war das erste und letzte Mal, dass wir einen Song mehr oder weniger auf der Bühne abgebrochen haben. Es war peinlich und ich habe es bereut und zwar am meisten, dass ich nicht von Beginn an gesagt habe, dass wir dieses Lied nicht in unser Programm nehmen wollen.
Chris: Hm, diese Frage ist schwierig zu beantworten. Es gab so viele Highlights in den letzten Jahren. Der Plattenvertrag mit Ruf Records, die Recording Session mit Jim Gaines in Memphis, unsere unvergesslichen Konzerte auf der Beale Street in Memphis, wo ein Mitarbeiter der IBC auf uns zu kam und meinte: »The whole Beale Street is talking about you, guys«; die legendären Jam-Sessions u. a. bei und mit unserem großen Bruder, Freund und Mentor "Kingsize Noidl" - Singing Flat But Doin' Well… die Nominierung für den Amadeus-Austrian Music Award, unsere Reisen quer durch Europa und die USA, all die wunderbaren Menschen und Plätze, die wir dadurch kennengelernt haben... Natürlich gab es auch Momente, die weniger glorreich waren, aber löschen möchte ich nichts. Eine Sache, die mich Anfangs, nachdem wir den Plattenvertrag bekommen haben, etwas irritiert hat, war wie manche Leute plötzlich mit uns umgegangen sind. Personen, die uns davor immer ignoriert haben, waren plötzlich übertrieben freundlich und machten einen auf Kumpel und andere haben uns auf einmal als die überheblichen Blueser, die ja eigentlich gar keinen echten Blues spielen, abgetan. Das war eine neue Erfahrung. Aber auch solche Erkenntnisse sind wichtig und lehrreich.
Rocktimes: Ihr arbeitet gut zwei Jahrzehnte zusammen. Da müsstet Ihr Euch doch in- und auswendig kennen. Was schätzt Ihr an Eurem jeweiligen Partner, sowohl menschlich als auch musikalisch?
Chris: Ich habe sehr großen Respekt vor Meena. Wir haben vieles zusammen durchgemacht und waren auch privat zehn Jahre liiert. Sie ist mein bester Freund - ein Fels in der Brandung. Ich schätze und bewundere vieles an ihr - menschlich wie musikalisch. Ihr natürliches, charismatisches und bodenständiges Wesen, ihre Großzügigkeit und Hingabe anderen gegenüber, ihre positive Einstellung und Ausstrahlung - she's a pure soul. All das und vieles mehr, spiegelt sich zwangsläufig auch in ihrer Musik wider. Ich denke, das ist auch ein erheblicher Teil ihres/unseres Erfolgs - Charisma Is - God Shining Through Man. Meena ist ein ganz besonderer Mensch!
Meena: Chris ist ein Mensch, dem ich nie erklären musste, was ich denke oder fühle. Wir sind uns in unserer Emotionalität, als auch in dem Punkt, wie wir die Welt betrachten, sehr ähnlich. Das heißt auch, dass ich ihm zu hundert Prozent vertraue und er war zu der Zeit, als wir uns kennengelernt haben, der einzige Mensch, dem ich überhaupt vertraut habe. Chris hat mich schon in vielen Situationen erlebt - es hat ihn nie verschreckt. Er hat mich nie mit Mitleid ertränkt, keine Vorträge gehalten - er ist einfach da, ein bester Freund eben. Ich bewundere seine Kompromisslosigkeit und seine Leidenschaft für die Musik. Ich habe noch nie einen Ton von ihm gehört, der nicht auf irgendeine Art und Weise bedeutsam gewesen wäre.
Rocktimes: Wenn Euch eine gute Fee drei Wünsche erfüllen könnte, welche wären es?
Meena: Welthit, Weltfrieden, Weltreise.
Chris: Gesundheit, innerer Frieden und die Möglichkeit, sich unbegrenzt Wünsche erfüllen zu können. (grinst)
Rocktimes: Es war mir ein großes Vergnügen, Euch befragen zu dürfen und ich hoffe, dass Ihr auch in diesem Jahr wieder in Berlin spielt. So wie ich es immer mit meinem Gegenüber halte, gehört Euch das letzte Wort.
Meena: Ich danke Dir für das außergewöhnliche Interview, ebenso wie ich Dir danke, dass Du mit Deinem Talent unser Talent förderst. Ich freu' mich auf ein Wiedersehen in Berlin.
Chris: Vielen Dank, Mike. Es war mir eine große Ehre und Freude und ich weiß Dein Interesse und Deine Unterstützung sehr zu schätzen! Wir sehen uns in Berlin. Und weil es so schön passt, überlasse ich das letzte Wort dem 'King': »Without a song, the day would never end; without a song, a man ain't got a friend; without a song, the road would never bend. So I keep singing a song« - Elvis Presley.
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