Natchez / 14.09.2013, (F)Audun-le-Tiche, L'Entr'Pot
L'Entre'Pot
Ten Years/Les dix ans de Kingston chez Franco

Natchez
Support: Poundcake, Kingstone

(F)Audun-le-Tiche, L'Entr'Pot
14. September 2013
Konzertbericht
Stil: Blues-, Hard-, Southern Rock

Artikel vom 18.09.2013


Steve Braun
Wenn unsereins mal nur 80 Kilometerchen zu einem Gig fahren muss, kann man schon fast von einem Heimspiel sprechen. Audun-le-Tiche ist die französische Nachbarstadt des luxemburgischen Esch-sur-Alzette und liegt somit mitten im (ehemaligen) französisch-luxemburgischen Kohlenpott. Schön ist anders... aber wie das so oft in kulturell 'am Hungertuch nagenden' Regionen ist: Die Begeisterungsfähigkeit der Menschen sprengt alle nur denkbaren deutsch-spießbürgerlichen Rahmenbedingungen! Zu erleben war dieses Phänomen mal wieder in DER Szenekneipe dieses Provinzstädtchens, das ziemlich mittig im Stadtzentrum gelegene L'Entr'Pot. 'Zwischen den Töpfen' bedeutet dies und gemeint sind wohl die mittlerweile verrottenden Hochöfen - monumentale Denkmäler der Industriekultur der Großregion Saar-Lor-Lux.
Natchez Aus Anlass des zehnjährigen Bestehens der lokalen AC/DC-Coverband Kingstone, die sich in einem Radius von gut 100 km offensichtlich bereits Kultstatus erspielen konnte, wurde im L'Entr'pot ein kleines Festival des bluesinspirierten Hard- und Southern Rock abgefeiert. Den Anfang machte Poundcake, ein aufstrebendes Power Blues-Quartett aus Luxembourg, bevor Kingstone mit ihren zahlreichen Fans 'Geburtstag' feiern durften. Zum Abschluss gingen DIE französischen Southern Rock-Granden schlechthin - Natchez aus Reims - als Headliner auf die Bretter. Sie hatten leider das Pech, erst gegen 0.30 Uhr antreten zu dürfen. Da hatten sich wohl sicherlich viele (jugendliche) Kingstone-Fans längst wieder bei den Eltern zum 'Rapport' melden müssen. Es ist ihnen eine großartige Show entgangen!
Um zwei Uhr war endgültig Schluss... ohne dass das Anrücken einer Hundertschaft der Gendamerie samt Reiter- und Hundeführerstaffel notwendig gewesen wäre. Um diese Uhrzeit? Mitten in der Stadt?? Es lebe das französische Laissez-faire!!!
Poundcake Poundcake durfte eröffnen - ein luxemburgischer Rührkuchen also, der seine 'Cerealien' aus der Welt der 'Jungen Wilden', die die Bluesszene in den Neunzigern ziemlich 'wuschelig' durchmischten, bezieht. Klar, dass da Songs von Joe Bonamassa ("Bridge To Better Days"), Kenny Wayne Shepherd ("Shame"), der Blindside Blues Band ("Powerful Thing") und des Gentlemen's Blues Club ("Aztec Hotel") nicht fehlen durften. Aber auch Altmeister wie Jimi Hendrix oder B.B. King wurden zitiert, obwohl "Fire" und "Freedom" bzw. "You Upset Me" nicht so recht zünden wollten. Beim Klassiker Couldn't Stand The Weather gab es zwar bei den vertrackten Stop-and-go-Breaks kleinere Unsauberheiten, trotzdem war es gerade Gitarrist Thomas 'Tosch' Schütz, der bei diesem Titel mit einem unglaublichen, wahnsinnig inspirierten SRV-Solo glänzen konnte. Des Sängers Stimme passte sich dem Bodybuilder-Outfit perfekt an - Petz Turmes hat garantiert genügend 'Wumms', um den Power Blues stimmgewaltig interpretieren zu können.
Es war interessant zu beobachten, dass gerade die vielen jüngeren Kingstone-Fans im L'Entr'Pot sehr aufmerksam, mit offensichtlichem Interesse zuhörten. Die älteren begannen vor der Bühne, ausgelassen Rock'n'Roll zu tanzen (bzw. es zu versuchen). Kurz und gut: Poundcake sorgten für ordentliche Stimmung und waren ein guter Opening Act. Man sollte (und kann das sicherlich auch) sich aber mal so langsam an eigene Songs wagen!
Kingstone Die Umbaupausen gestalteten sich erfreulich kurz, da die beiden Supportbands die Natchez-Hardware nutzen durften. Unter ohrenbetäubenden Gejohle enterten Kingstone, die 'Geburtstagskinder', die kleine Bühne des L'Entr'Pot. Innerhalb von zehn Jahren haben sich die Jungs eine treue Anhängerschaft erspielt. Die Truppe ist zwar 'nur' eine von sehr vielen Atze/Detze-Covertruppen, aber eine ziemlich gute. Das liegt sicherlich an den eigenwilligen Charakteren in der Truppe: Ein hünenhafter Schrank von einem Lead-Gitarristen, ein bärbeißig-schrulliger Rhythmusklamper sowie ein wildes Tier am Schlagzeug sind echte Hingucker und -hörer. Der 'Animateur' von Kingstone ist natürlich Jeren Sing, ein hyperaktives Energiebündel, das mich abwechselnd an den jungen Ron Young und Bon Scott erinnerte, den er - selbstredend - zu imitieren suchte. Für meinen Geschmack überdrehte der kleine, drahtige Shouter allerdings ein kleinwenig die Posing-Schraube. Für den einen mochte dies zeitweilig etwas affig wirken, der andere war offensichtlich begeistert - auf jeden Fall scheint Jeren eine ulkige Type zu sein, eine sympathische obendrein.
Kingstone Die Band hinter dem exzentrischen Frontmann machte einen verdammt guten Job, was an den drei bereits angesprochenen 'Frontschweinen' lag - der Bassist blieb jedoch etwas blass. Bei den Songs hielt man sich vorwiegend an den alten Kram und blieb damit auf der sicheren Seite. Schon lange vor dem tollen High Voltage-Block - "Live Wire", "High Voltage" und "TNT" - brannte die Hütte, sprich: das L'Entr'Pot.
Fast alle Knaller waren dabei - schmerzlich vermisst wurden eigentlich nur Hymnen wie "It's A Long Way To The Top" und "The Jack". Etwas mehr 'Mut zum neuen Song' ihrer Helden aus Down Under, in Form von "War Machine" oder "Black Ice", hätte Kingstone vielleicht gut zu Gesicht gestanden, aber lassen wir das Erbsenzählen. Die Stimmung im Saal war schlichtweg gigantisch, weit über dem Siedepunkt. Es war nur extrem schade, dass nach der Show - kurz vor Mitternacht - derart viele Leute den Heimweg antraten und nicht diesen Schwung für Natchez' Auftritt nutzen konnten oder wollten!
Natchez So, genug gejammert. Die Reihen hatten sich für das Quartett aus der Champagne zwar etwas gelichtet, das hinderte allerdings weder auf der Bühne noch im Saal irgendjemanden am Spaßhaben. Es ist wohl vier, fünf Jährchen her, dass ich Natchez letztmals gesehen hatte - es war mit Molly Hatchet in irgendeinem Nest in der Nähe von Metz. Und es war geil! Ich muss aber sagen, die Jungs sind mittlerweile NOCH besser geworden!! Kein Wunder: Ein starkes neues Doppelalbum, mit richtig guten Songs nur so gespickt, ist ebenso hinzugekommen wie eine positive Routine, die man sich nur in zahllosen Auftritten in nunmehr bereits über 26 Jahren erarbeiten und erspielen kann.
Das Brüderpaar Aeschbach konnte das Publikum mit einer souveränen Eloquenz um den sprichwörtlichen Finger wickeln und auf Flüchtigkeitsfehlerchen - wie gelegentlich bei den beiden Supportbands zu beobachten - 'wartete' man in Audun-le-Tiche vergebens.
Natchez Sattester Southern Rock - gespickt mit Boogie, Country und manchmal auch etwas Härterem - rockte und rollte von der Bühne. Eine klare Zuordnung der Rollen zeigt sich schnell: DeDe und Benj sorgten für einen enorm druckvollen Rhythmus und taten dies mit einer lässigen Leichtigkeit... wie aus dem Handgelenk geschüttelt. Babac, vorwiegend mit dem Gesang beschäftigt, unterlegte die packende Basis mit vorwärtstreibenden Riffs, allerdings nicht 'prügelnd' wie vorher bei Kingstone (wo es natürlich passte!), sondern mit vielen filigranen Facetten. Ein wirklich beeindruckender Rhythmusklampfer vor dem Herrn! Manu setzte genau dort die musikalischen Highlights, wo sein singender Bruder 'Pause' hatte. Ob Gibson SG oder Fender Strat, wenn er zum Solo ansetzte, hatte man stets das Aha-Erlebnis, dass eine Gitarre ebenfalls singen kann. Oft nutzte er nur die Finger der Schlaghand zur Modulierung der Töne - auch sein Effektbrett war erfreulich übersichtlich. Manu ist einer der Gitarristen, die ihr Können eben in der Hand und nicht im Fuß haben... höchstens mal zusätzlich im Bottleneck-Röhrchen. Der Gesamtsound war zwar laut, aber dabei klar, differenziert und transparent.
Natchez Diese ganzen handwerklichen Kunstfertigkeiten wurden von Natchez in eine überaus sympathische und kommunikative Bühnenshow verpackt, die den Funken sofort auf das Publikum überspringen ließ. Natürlich konzentrierte man sich auf die neuen Songs von "Double Dose". Die lupenreinen Southernrocker "Behind Your Door", "Je marcherai droit" und "I Gotta Hit The Ground" zeigten gleich zu Beginn, wo der Barthel südlich der Mason Dixon Line den Most herzuholen gedenkt. Der Uptempo-Rocker "Camaro", die Ballade "For You" und weitere sorgten später für Stimmung; sehr cool auch die Live-Version von "Climb Aboard". Wie groß das musikalische Potenzial von "Double Dose" ist, zeigt sich auch daran, dass man echte Knaller wie "Rock'n'Roll Bitume", den Countryrocker "Blues Outlaw" oder die vielleicht schönste Nummer, "Seul au Monde", problemlos außen vor lassen konnte. Dafür fröhnten die Jungs mal wieder ihrer Liebe zu Herrn Skinner indem sie die umjubelten "Sweet Home Alabama" und "I Know A Little" losließen. Dadurch konnte ich es gerade so verschmerzen, dass ausgerechnet meine beiden Lieblingssongs von Natchez, "Faudrait que je t'Appelle" und "Chamane" nicht gebracht wurden. Die Gassenhauer "Paradis avec toi" und "Shake Your Magnolia" beendeten den 'offiziellen' Teil des Abends. Natürlich durfte die geforderte Zugabe nicht fehlen und mit einem überaus stimmungsvollen "Free Bird" wurde ein gelungenes Konzert angemessen beendet.
Der Kurztrip über die Grenze hat sich mal wieder gelohnt und ich habe ihn in vollen Zügen genossen. Die überaus freundliche Warmherzigkeit der Letzebürger und Lothringer ist immer wieder aufs Neue überwältigend! Schade nur, dass ich der einzige Deutsche war, der sich an diesem Abend nach Audun-le-Tiche 'verirrt' hatte. Hoffentlich verlaufen sich diese drei Bands auch mal ins Saarland - ich weiß schon jetzt, wer dann an der Bühnenkante zu finden sein wird!!
Besten Dank an Manu Aeschbach für die freundliche Einladung zu diesem Event - you rock, brother!
Bilder vom Konzert:
Poundcake          Poundcake          Poundcake
Kingstone          Kingstone
Natchez          Natchez          Natchez
L'Entre'Pot
Line-up Natchez:
Thierry 'Babac' Aeschbach (vocals, guitars)
Emmanuelle 'Manu' Aeschbach (guitars, background vocals)
André 'DeDe' Dufour (bass)
Benjamin 'Benj' Proy (drums)
Setlist Natchez:
01:Behind Your Door
02:Je marcherai droit
03:Take Me Home Tonight
04:I Gotta Hit The Ground
05:Canigula Boogie
06:L'Homme des bottes pleines
07:Sweet Home Alabama
08:Climb Aboard
09:I Know A Little
10:Camaro
11:Amérique'n'Blues
12:For You
13:Electric Speed Woman
14:Tois-toi
15:Paradis avec toi
16:Shake Your Magnolia
Encore:
17:Free Bird
Externe Links: