Annuntio vobis gaudium magnum!
Die neue Prymary ist da...
Die Erwartungshaltung des Rezensenten ist immens, schließlich war die Zweite der Südkalifornier, The Tragedy Of Innocence, ein bärenstarkes Konzeptalbum und eine echte Bereicherung für den progressiven Plattenschrank. Und auch auf dem Nachfolger "The Enemy Inside" gibt sich das Quintett keine Blöße, das sei schon einmal versprochen.
Schon das Artwork überzeugt - im Prog-Bereich wird ja traditionell viel Wert auf derartige Äußerlichkeiten gelegt. Das Cover zeigt die zwei Seiten eines Gesichts - die heile, gesunde, sympathische und sanfte, und die zerborstene, düstere, verletzte, teils verborgene. Ein Abbild innerer Zerrissenheit und die direkte Hinführung zum ersten musikalischen Akt des Albums. Der Soundtrack zum Cover, das ist der Titelsong, und der unterteilt sich in fünf Tracks, die zusammen genommen rund 18 Minuten lang sind.
Hart und düster ist der Prog-Cocktail, den die Band serviert - und in in seiner Düsternis äußerst facettenreich. Mit "Part 1" bricht von der ersten Sekunde ein finsteres Donnerwetter über den Hörer hinein, ein Double Bass-getriebenes und zugleich proggig-vertracktes und technisch hochstehendes Instrumental-Stück der äußerst harten und furiosen Sorte, bei dem sich vorzüglich die markanten Melodien herauskristallisieren, die in "Part 2" zu intensiv melodischen, fast elegisch interpretierten Refrains werden sollen. Ein imponierendes Spiel mit Gegensätzen!
Symphony X kommen mir in den Sinn mit Paradise Lost, aber auch Redemption wegen der eindringlichen, dunklen Atmosphären, teils gar die finster-mysteriösen, unberechenbaren Tool, Pain Of Salvation wegen manch avantgardistischer Anwandlung und alternativen Einflüssen, und auch Ayreon wegen des intelligenten, vielfältigen Einsatzes der Keyboards (vor allem zu Beginn von "Part 3"). Und dann erinnert mich das Titelstück auch an Fates Warnings melancholisches Epos A Pleasant Shade Of Gray bei sehr nachdenklichen Passagen wie anfangs zu "Part 4".
Mit der Wiederaufnahme des Refrains in "Part 5" wird der Fünfteiler prima abgebunden - knapp 20 extrem kurzweilige Minuten, gefühlt nur halb so lang. Es folgen mehrere kompaktere, nicht minder attraktive Stücke, wie "Inflicted" und "Disillusion", wo teils minimalistisch-ruhige Klangsphären sprunghaft in hektische, atemlose Passagen übergehen - das ist typisch Prymary, ebenso wie der offensive Einsatz von Keyboards, die einerseits Bombast bringen, und andererseits auch schon mal heftig mit der Gitarre um die Wette frickeln, und das in zahllosen Klängen, die nicht selten dem Symphonic Rock der 70er Jahre Tribut zollen.
Durchaus mutig spielt man, gerade unter Einsatz des Keyboards, auch mit Dissonanzen, insbesondere (aber nicht nur) in der Double Bass-lastigen Groove-Dampfwalze "Disillusion". Das ist genau das, was moderner Progressive Metal braucht - der bewusste Einsatz von Spannung in einem Cocktail aus harter Metal-Mucke, technischer Exzellenz, komplexen Strukturen - und mit hohem Überraschungsfaktor! Wie hier teils gewechselt wird von bösem Highspeed-Shred-Speed Metal zu völlig zurückgenommenem Ambiente mit gepitchten Synthesizern, die eine beengende, unwirkliche Stimmung entstehen lassen... da spielt schon ein gewisser Wahnwitz mit! Entrückt, surreal, und in der Aneinanderreihung so vieler verschiedenartiger Versatzstücke genial... ist auch "Edge Of Discovery", das wie ein experimenteller Mix aus Deadsoul Tribe und Andromeda wirkt.
"Trial And Tragedy" heißt schließlich der letzte Akt dieses Albums - noch länger als der Titeltrack und unterteilt in vier Sektionen, aber als ein Track auf CD gepresst. Was die Dramaturgie des gesamten Albums angeht, hätte dieser Longtrack nicht besser platziert sein können. Denn hier lässt sich die Band mehr Zeit, ihre musikalischen Aussagen zu entwickeln. Es ist auch mal Platz da für eine sich langsam ausbreitende, balladenhafte Passage. Im instrumentalen Bereich geht es wieder heftig zur Sache; hier wird im krassen Gegensatz zu den wehmütig getragenen Passagen extrovertiert experimentiert, kurzatmig und komplex - das erinnert zum Teil an Dream Theaters "Six Degrees Of Inner Turbulence".
Aber es klingt nie nach einer Kopie. Zu reich ist der Fundus an Ideen, der hier in instrumentaler Extraklasse nahezu verschwenderisch verprasst wird. Prymary ist eine Band mit zahlreichen Stärken, zu denen auch der expressive, schmerzdurchdrungene Gesang Jackson Hesketts gehört, und natürlich das Spiel von Drummer Chris Quirarte. Der beweist sich abermals als sehr versiertes Kraftpaket und gibt die große rhythmische Vielfalt der Musik mit vielen Details wieder, kittet diverse Parts mit fantastischen Fills aneinander. Ich höre da gut und gerne Einflüsse wie Neil Peart und Mark Zonder raus.
Wie man an der Zahl der Referenzen entnehmen kann: Viel Neues entdeckt der geneigte Fan hier nicht. Trotzdem verdient auch dieses Album von Prymary das Prädikat 'außerordentlich hörenswert'. Denn obwohl sie keine revolutionär neuartigen Ansätze verfolgen, schmieden sie einen modernen Prog Metal, der nirgends abkupfert und sich nirgendwo anbiedert. "The Enemy Inside" - für Prog-Verhältnisse mit 57 Minuten kompakt ausgefallen - ist aufwühlendes, turbulentes Kopfkino, das mitreißt und nachhaltig imponiert. Im Gesamtfazit auf einem Level mit "The Tragedy Of Innocene", aber eine Spur härter.
Line-up:
Jackson Heskett (vocals)
Sean Entrikin (electric & acoustic guitar)
Smiley Sean (keyboards)
Rob Young (4-, 5-, 6-string bass, fretless bass)
Chris Quirarte (drums, electronic drums, percussion)
Tracklist |
01:The Enemy Inside [Part 1] (4:27)
02:The Enemy Inside [Part 2] (4:33)
03:The Enemy Inside [Part 3] (2:45)
04:The Enemy Inside [Part 4] (4:18)
05:The Enemy Inside [Part 5] (2:14)
06:Inflicted (5:00)
07:Disillusion (6:15)
08:Edge Of Discovery (6:57)
09:Trial And Tragedy (20:33)
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Externe Links:
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