Spielzeit: 76:25 (CD 1), 75:44 (CD 2) Medium: Do-CD Label: Warner Brothers, 2011 Stil: Alternative Rock Review vom 07.12.2011 Joachim 'Joe' Brookes

21.09.2011 ... das war es dann: R.E.M. gab nach über dreißig Jahren das Ende der sehr erfolgreichen Band bekannt. "Part Lies Part Heart Part Truth Part Garbage 1982 - 2011" ist das wahrscheinlich letzte Vermächtnis der Gruppe aus Athens, Georgia. Die vierzig Songs auf dem Doppeldecker wurden von den Musikern persönlich ausgesucht und im Booklet mit interessanten Kommentaren, auch von Bill Berry, der der Gruppe 1997 den Rücken kehrte, versehen. Folglich gibt es zu jedem einzelnen Song auch noch Hintergrundinformationen aus erster Hand. Bei der Auflistung der Tracks geht es schön chronologisch zu, sodass man die R.E.M.-Entwicklung von einer Collage-Band zu Alternative-Rockern mit Weltruhm sehr gut nachvollziehen kann.

Hits wie "Shiny Happy People", "Losing My Religion", "Everybody Hurts" oder "Man On The Moon" nehmen dabei eine zentrale Stellung zum Ende der ersten Scheibe und zu Beginn der zweiten Disc ein. Bei der Auswahl haben Michael Stipes, Peter Buck, Mike Mills und Bill Berry ganze Arbeit geleistet, denn es gibt auf den CDs natürlich auch Songs, die ein wenig in Vergessenheit geraten sind und jetzt wieder zu scheinen beginnen. Insofern ist "Part Lies Part Heart Part Truth Part Garbage 1982 - 2011" ziemlich weit von einer Best-of-Ansammlung entfernt.

Bedeutungsvoll ist die Song-Auswahl bestimmt auch in Bezug auf den Stellenwert der einzelnen Alben bei den Künstlern. So kommen Nummern aus Murmur, Reckoning und
Fables Of The Reconstruction als auch "Document" oder "Green" häufiger vor. Darüber hinaus spielt "Automatic For The People" eine ganz besondere Rolle, denn hier werden gleich vier Tracks präsentiert und das letzte Studio-Album ("Collapse Into Now") von R.E.M. ist mit einem Track-Triple am Drücker. Demgegenüber sind "A Month Of Saturdays", "We All Go Back Where We Belong" sowie "Hallelujah" neue Kompositionen.

Grundsätzlich steht der große Erkennungswert der Lieder außer Frage. Ausnahmen gibt es auch hier. R.E.M.s Ausflug in Country-Gefilde sticht schon hervor. "Country Feedback" ist ein gelungener Abstecher in besagtes Genre. Wäre da nicht Stipes signifikanter Gesang, würde man nicht unbedingt auf diese Band tippen. Neben den Protagonisten waren auch eine ganze Reihe von Gästen (oder zeitweise Bandmitglieder) an den Aufnahmen beteiligt. So singt in "Shiny Happy People" Kate Pierson von The B-52s oder es tummeln sich auf den Silberlingen an unterschiedlichen Instrumenten Musiker wie Peter Holsapple (The dB's, Continental Drifters), John Keane (auch als Produzent), John Paul Jones (Led Zeppelin), Scott McCaughey (The Young Fresh Fellows, The Minus 5) oder William Rieflin (Ministry, Nine Inch Nails, Revolting Cocks), um nur einige zu nennen.

"Part Lies Part Heart Part Truth Part Garbage 1982 - 2011" erfüllt dem Hörer einen großen Dienst, weil hier ein vortrefflicher Blick auf die gesamte Distanz der Karriere bis hin zu den neuen Nummern. Das sehr kurze "A Month Of Saturdays" klingt nach Post Wave oder -Punk. Es ist dem am 25.02.2009 verstorbenen Pylon-Mann Randy Bewley gewidmet. Unter einem ganz anderen Stern steht "We All Go Back Where We Belong". Da sorgt ein mittleres Orchester (zweiundzwanzig Musiker) für ambiente Stimmung. Gefällt mir! "Hallelujah", ebenfalls mit vielen Streicher-Zutaten angereichert, swingt zu verzerrter Gitarre. Ganz zu Beginn hat die Nummer sogar Swing. Und weil wir gerade bei Hommage sind: Auf der zweiten Platte befindet sich mit der nachdenklichen Piano-Ballade "At My Most Beautiful" die herzzerreißende Verneigung vor Brian Wilson.

Die Verpackung glänzt nicht gerade, dafür aber die Musik. Irgendwie war R.E.M. im Laufe der Karriere eine Band, die generell gesehen immer in positiver Hinsicht von sich Reden gemacht hat. Geschickt blieb man der Welt des Glitzers und der Ausuferung fern. Die Band wusste durch ihre musikalischen Qualitäten zu überzeugen und dieses Ziel wird einem durch "Part Lies Part Heart Part Truth Part Garbage 1982 - 2011" nochmals vor Augen geführt. Die fast bis zum Rand gefüllten Platten machen dem Hörer den Abschied leicht.