The Rolling Stones
Ladies And Gentlemen... The Rolling Stones
Ladies And Gentlemen... The Rolling Stones Spielzeit: 110:00
Medium: DVD
Technische Daten:
Bildformat: 16:9
Sound: DTS Surround Sound, Dolby Digital 5.1, Dolby Digital Stereo
Regioncode: 0 (ohne Einschränkung)
FSK: 0 (keine Einschränkung)
Sprache: Englisch
Untertitel (nur Interviews): Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch, Italienisch, Niederländisch, Portugiesisch
Label: Eagle Vision, 2010 (1972)
Stil: Rock


Review vom 13.10.2010


Markus Kerren
Das Trauma von Altamont im Dezember 1969 war von den fünf Musikern noch lange nicht überwunden, als sich die Rolling Stones etwa zweieinhalb Jahre später auf ihre nächste US-Tour begaben. Die Anzahl der Security-Leute hatte sich deutlich vervielfacht und die Bandmitglieder wurden von der Außenwelt so massiv abgeschottet, wie es dies bis dahin noch nie gegeben hatte. Was war zwischendurch geschehen? 1970 erfolgte eine Europa-Tour, den Grossteil von 1971 verbrachten die Protagonisten in (Süd-) Frankreich und last but not least wurden die beiden Meisterwerke "Sticky Fingers" sowie Exile On Main Street veröffentlicht.
Im Sommer 1972 brachen die Stones also, verstärkt durch Nicky Hopkins (Piano), Bobby Keys (Saxophon) und Jim Price (Trompete), auf, um die Konzertsäle Amerikas in Schutt und Asche zu legen. Und während wir uns diesen Film so zu Gemüte führen, tauchen wir auch in eine Zeit und einen Ort ein, wo der alte Slogan 'Sex & Drugs and Rock'n'Roll' noch kein Klischee, bzw. noch nicht zu einer Worthülse degradiertem Wunschbild verkommen war, sondern von diesem hier zu besprechenden Haufen Landstreichern noch gelebt, geatmet und zelebriert wurde. Wobei davon in diesem Film, der sich ausschließlich auf Konzertausschnitte von vier Gigs in Fort Worth, Texas konzentriert, nichts zu sehen ist.
Kommen wir zur DVD selbst: Die startet kurz vor Konzert-Beginn … im Dunkeln. Die Saallichter sind bereits aus und man wähnt sich geradezu inmitten der damaligen Zuschauer, unruhig, gespannt und aufgeregt der Band entgegen fiebernd, die jeden Moment auf die Bühne kommen muss. Das tut sie dann auch und brennt mit "Brown Sugar" und "Bitch" erstmal ein Feuerwerk ab. Gefolgt von "Gimme Shelter" und dem danach recht selten gespielten "Dead Flowers". Es geht, verglichen mit heutigen Verhältnissen, recht spartanisch zu und bei einigen Songs sind tatsächlich nur die fünf Bandmitglieder auf der Bühne. Somit gibt es auch keine zusätzlichen Background-Sänger. Diesen Job erledigte damals Keith Richards noch ganz alleine und mir geht sowohl hier wie auch bei allen weiteren Tracks in dieser Konstellation das Rock'n'Roll-Herz auf, wenn sich dieser bei Refrains in Richtung Jagger bewegt und die beiden in ein gemeinsames Mikro singen.
Direkt im Anschluss übernimmt er für "Happy" (wie immer) die Lead Vocals höchstpersönlich, während Jagger den Background-Sänger gibt. Wer zu diesem Zeitpunkt noch nicht im Film 'angekommen' und von der mitreißenden Performance der Briten begeistert ist, dem wird er sich wahrscheinlich auch nie erschließen. Es geht weiter Schlag auf Schlag: Nach der geilen Version von "Tumbling Dice" bringt einen Mick Taylor mit seinem Spiel zu "Love In Vain" an den Rand der Tränen, Bobby Keys glänzt mit einem Sax-Solo bei "Sweet Virginia", bevor die Stones nach "You Can't Always Get What You Want" mit "All Down The Line" so richtig aufdrehen. "Midnight Rambler" kommt mitreißend, intensiv und vom Wahnsinn des besungenen Protagonisten gesteuert.
Dann schalten die Stones in den fünften Gang. Chuck Berrys "Bye Bye Johnny" (aka "Johnny B. Goode") bringt einen auch auf der Couch regelrecht zum Kochen, während besonders Keith seinem Steckenpferd, bzw. Idol die Ehre erweist. Atemlos, ausgepowert sind meine Blicke bereits zu diesem Zeitpunkt auf den Bildschirm fixiert … aber es gibt keine Ruhepausen. Mit "Rip This Joint" hauen die Musiker wohl die schnellste Nummer aufs Parkett, die sie jemals im Programm hatten und auch die abschließenden "Jumpin' Jack Flash" (Keith in Ekstase) und "Street Fighting Man" bereiten ein unvergessliches Finale.
Leute, nehmt euch Zeit für diesen Film, lasst den Rest der Welt einfach mal Welt sein und dreht um Himmels Willen den Volume-Regler nach oben. "Ladies And Genlemen..." ist sicherlich nichts für Ästheten, denn sowohl der Sound als auch das Bild (die Beleuchtung auf der Bühne war damals recht spärlich) sind ganz sicher nicht optimal (außerdem waren die Masterbänder des Films zu dem Zeitpunkt, als die Stones sie zurückkauften, in einem mehr als nur erbärmlichen Zustand). Dem entgegen muss aber gesagt werden, dass beides trotzdem sehr gut zu genießen ist, die Tracklist eine tolle Dynamik hat (so, wie sie sich immer weiter zum Höhepunkt schaukelt), die Band hier voll im Saft steht und besonders Keith geradezu um sein Leben zu spielen scheint. Jagger sieht bei "Bye Bye Johnny" aus, als hätte er schon drei Tage nicht mehr geschlafen (singt aber gut), Keith sicherte sich spätestens auf dieser Tour seinen zweiten Vornamen 'lebende Leiche', Mick Taylor glänzt einfach nur mit seinem Spiel und die Kollegen Wyman sowie Watts (die grundsätzlich viel zu selten erwähnt werden) liefern ein so unumstößliches Fundament wie eh und je.
Das Bonus-Material besteht aus drei Songs, die bei einer Probe für die anstehende Tour aufgenommen wurden und in bester Qualität daherkommen. Klasse ist hier, dass mit "Shake Your Hips" ein live sehr selten gespielter Titel mit dabei ist und überraschend, dass Keith Richards sämtliche Solo-Einlagen bei dem oben genannten und auch beim "Bluesberry Jam" spielt, während Mick Taylor sich auf den Rhythmus konzentriert. Es folgt ein (kürzeres) Interview mit Mick Jagger aus dem Jahr 1972 und ein weiteres, längeres aus 2010.
"Ladies And Gentlemen …" zeigt die Rolling Stones auf dem (meiner Meinung nach) absoluten Höhepunkt ihrer artistischen Karriere und in genau dem Stadium, wie ich die Band seit Jahrzehnten in meinem Herzen trage. Rau und ungestüm, wild, getrieben und gesetzlos, so wie in dem auf der gleichen Tour gedrehten (aber nie offiziell veröffentlichten) Film "Cocksucker Blues" (der sich mehr auf die Wörter 'Sex' und 'Drugs' konzentrieren soll) dargestellt, transferierten die Protagonisten ihr Lebensgefühl 1972 auch auf die Bühne. Ein ABSOLUTES MUSS für jeden auch nur ansatzweise ernsthaften Stones-Fan.
War "Gimme Shelter" die beste (offizielle) Dokumentation, so ist "Ladies And Gentlemen … The Rolling Stones" der mit Abstand beste Konzert-Film, den man von dem alten Schlachtschiff in die Finger, bzw. DVD-Player bekommen kann. Essenziell!
Line-up:
Mick Jagger (lead & background vocals, harmonica)
Keith Richards (rhythm & lead guitars, background vocals, lead vocals - #5)
Mick Taylor (lead & rhythm guitars)
Bill Wyman (bass)
Charlie Watts (drums)
Nicky Hopkins (piano)
Bobby Keys (saxophone)
Jim Price (trumpet)
Tracklist
01:Brown Sugar
02:Bitch
03:Gimme Shelter
04:Dead Flowers
05:Happy
06:Tumbling Dice
07:Love In Vain
08:Sweet Virginia
09:You Can't Always Get What You Want
10:All Down The Line
11:Midnight Rambler
12:Bye Bye Johnny
13:Rip This Joint
14:Jumpin' Jack Flash
15:Street Fighting Man

Bonus-Material:
16:Shake Your Hips (Tour Rehearsal)
17:Tumbling Dice (Tour Rehearsal)
18:Blueberry Jam (Tour Rehearsal)
19:Mick Jagger Interview (1972)
20:Mick Jagger Interview (2010)
Externe Links: