Wenn es im fast abgelaufenen Jahr auch kein brandneues Song-Material der Herren Jagger und Richards gab, so kann man trotzdem ohne Gewissensbisse behaupten, dass 2010 ein großes Rolling Stones-Jahr war. Neben einer neu remasterten und mit bisher unveröffentlichten Bonus-Tracks versehenen Ausgabe des Klassikers Exile On Main Street wurde man dazu noch mit den beiden DVDs Stones In Exile (die zwischen interessant und teilweise sehr interessant pendelt) und Ladies And Gentlemen ... The Rolling Stones (hammergeil!!) verwöhnt. Und jetzt auch noch das Buch "Let It Bleed", das sich hauptsächlich mit der US-Tour 1969 befasst.
Wenn man heute von der großartigen und klassischen Zeit der Stones spricht, dann war diese für die Band an sich damals nicht unbedingt rosig. Es gab jede Menge finanzielle Probleme, der Bandmitgründer Brian Jones war gerade erst wenige Monate davor verstorben, dessen Nachfolger Mick Taylor befand sich noch in der Einlebungsphase (über die er leider nie hinauskommen sollte) und die letzte Tour, mit vollkommen anderen Bühnen- und Soundsystemen lag bereits über drei Jahre zurück. Es gab also viele Fragezeichen, deren Auflösungen sich durchaus auch im Chaos hätten wiederfinden können.
In "Let It Bleed - die Rolling Stones, Altamont und das Ende der Sixties" wird einführend auch noch auf die ersten Jahre, die Band-Chemie, Brian Jones und warum die Stones 1969 an dem Punkt waren, an dem sie nun mal waren, eingegangen. Alles erzählt von Personen, die damals im inneren Zirkel, also hautnah an der Band dran waren. Vor allem ist "Let It Bleed" aber ein Foto-Band, der teilweise ganz hervorragendes Material zu bieten hat. Die Einschränkung bezieht sich auf die Tatsache, dass man doch schon in etwa die Hälfte der Pics gesehen hat, bzw. von anderen Veröffentlichungen her kennt. Und trotzdem bringt das Ganze einen Riesenspaß, da alles im Zusammenhang ist und sich nur auf eine relativ kleine Zeitspanne (die '69er-Tour) bezieht.
Einen berechtigterweise relativ großen Teil des Buches nimmt natürlich auch die Katastrophe von Altamont ein und auch hierzu gibt es bisher ungesehene Bilder sowie Stories zu lesen bzw. bestaunen. Und nach wie vor kann man sich nicht dagegen erwehren, erneut in diesen Albtraum hineingezogen zu werden. Um diesen Wahnsinn nur mal kurz anzureißen, hier ein Statement von Sonny Barger, einem der damaligen Anführer der Hell's Angels: »Zwischen zwei Songs kam Keith Richards zu mir und schrie mich an, ob wir denn wirklich drei Leute bräuchten, um mit einer Frau fertig zu werden, die auf die Bühne klettern wollte. Stimmt, dachte ich mir, bin umgehend zum Bühnenrand und hab ihr ihre verdammten Zähne rausgetreten. Danach war erstmal Ruhe...« Soviel zur Intelligenz und zum Aufnahme- bzw. Kritik-Vermögen der total zugedröhnten Rocker-Gang, die fatalerweise als Security engagiert worden war.
Dieser Tag in Altamont wird sehr oft als der Tod der Sixties, bzw. des großen Traums der damaligen Generation angesehen, was die Hoffnung auf ein besseres und humaneres Miteinander angeht. Und zweifelsohne, er eignet sich ganz hervorragend als Beispiel. Nicht nur die folgenden Tourneen der Stones, sondern die des gesamten Musik-Business änderten sich danach dramatisch, was sowohl die Sicherheitsmaßnahmen für die auftretenden Künstler, leider aber auch was den Kontakt zu den Fans betraf.
Mit diesem sehr gut gelungenen Buch kann man noch mal ganz tief in einen Zeitabschnitt der Rolling Stones im Jahr 1969 eintauchen, allerbeste Unterhaltung ist garantiert. Und das Schönste ist, dass hier selbst Stones-Sammler noch neues Material entdecken können. Die Gerüchte verdichten sich zur Zeit, dass die Band im nächsten Jahr sowohl ins Studio wie auch auf eine weitere Tour gehen will. Zweifelt heutzutage wirklich noch jemand daran, dass diese Recken so lange spielen werden, bis der letzte Hammer gefallen ist?
Externe Links:
|