Als ich vor knapp einem Jahr die amerikanische Sängerin Kirsten Thien bei ihrem ersten Auftritt in der Bluesgarage beobachtete, war das Erste, was mir auffiel, diese unglaublich positive Ausstrahlung, die von der zierlichen rothaarigen Shouterin ausging. Da wirkte aber auch gar nichts gekünstelt oder aufgesetzt. Vor und nach dem Gig mischte sie sich unters Volk, Smalltalk hier, Umarmung da - das erinnerte doch sehr stark an die Siebziger Jahre, als Begriffe wie 'Backstage Bereich' und 'Security' noch gar keine Bedeutung bei Konzerten hatten und es an der Tagesordnung war, mit den Musikern auf ein Bier vor der Bühne zusammen zu stehen und zu reden. Und dass diese Natürlichkeit im Naturell von Kirsten enthalten ist, zeigt sich auch in unserem Mailverkehr, den wir seit dieser Zeit haben. Bei Fragen oder Anliegen gibt es immer prompte Antworten und Unterstützung, ohne jegliche Allüren.
So war es auch kein Wunder, dass ich nach dem damaligen Konzert das aktuelle Album Solo Live zum Besprechen in die Hände bekam. Diese im Bremer Meisenfrei mitgeschnittene CD zeigt die andere Seite von Kirsten Thien, die es auch als Solo-Künstlerin perfekt versteht, das Publikum zu verzaubern und mit akustischem Blues und teilweise Singer/Songwriter-Qualitäten zu überzeugen. Diese Frau ist wirklich unglaublich vielseitig, denn neben diesen beiden Stilen ist sie auch in Sachen Soul und Roots Music sehr gut unterwegs, was man auf ihrer letzten Studioproduktion Delicious nachhören kann. Doch ihr Herz schlägt eindeutig für den 12-Takter, den sie in vielen Facetten perfekt beherrscht. Dabei spielt es absolut keine Rolle, ob sie ihre eigenen Songs singt, oder auf alte Klassiker des Genres zurückgreift. Das Feeling ist immer da und das musikalische Können sowieso.
An diesem Samstagabend fanden sich schon mal mehr Zuhörer in Isernhagen ein als bei dem Debütkonzert. Die Mundpropaganda der Musikfreunde dieser Region hatte mal wieder gefruchtet, und schließlich gab es ja auch sehr positive Kritiken in der Weltfirma RockTimes. Bei so viel Vorschusslorbeeren muss man ja quasi zu diesem Konzert gehen...! Wie schon im letzten Jahr verbreitete sich auch in dieser zweieinviertelstündigen Show sofort wieder die bereits oben beschriebene Atmosphäre zwischen Zuhörern und Musikern. Auf der Bühne herrschte Spielfreude pur. Da wurde fast pausenlos gelacht und sich gegenseitig angefeuert, es gab launige Ansagen und Kirsten Thien lief permanent mit einem strahlenden Lächeln durch die Gegend. Wie mir Kirsten nach dem Gig sagte, hatte die Band unglaublich viel Spaß, und das sah man ihnen über die ganze Zeit auch an.
Musikalisch stand natürlich das letzte Studioalbum im Mittelpunkt des Auftrittes. Einige ausdrucksstarke Balladen betonten die richtig gute Stimme der Shouterin, und die Band hatte für jeden Song das richtige Timing parat. Vereinzelt hatten die Stücke auch ein gewisses Country-Flair, wobei gerade hier das Zusammenspiel von der Akustischen mit der Leadgitarre besonders gut zur Geltung kam. Doch am besten wirkte die Gruppe, wenn der Blues angesagt war, und der stand meistens im Focus des Geschehens. Ganz starke, treibende Boogierhythmen wechselten sich mit schleppenden Slow Blues-Nummern ab, und immer wieder war der Country Blues angesagt. Hier stach besonders der Ida Cox-Song "Wild Women Don't Have The Blues" hervor. Klasse, wie stark dieser inzwischen neunzig Jahre alte Titel interpretiert wurde. Ganz großes Kino!
Weitere Highlights dieses Konzertabends war der Titelsong des letzten Albums, "Delicious", sowie "Taxi Love" von Wilson Pickett, das aber in dieser Version einen deutlich bluesigeren Touch aufwies als beim Original. Außerdem gab es eine brodelnde Fassung von Willie Dixons "I Ain't Superstitious". Wenn Stevie Wonder diese Interpretation damals gehört hätte, wäre er wahrscheinlich nie zu seiner Aufnahme ins Studio gegangen. Bei all diesen Stücken gab es immer wieder reichlich Platz für Soloeinlagen. Dabei tat sich Bassist Erik Boyd besonders hervor. Gleich drei Mal brachte er die dicken Saiten zum Glühen, wobei er bei einem Alleingang den Bass mit dem Slideröhrchen malträtierte. Dieser Mann versteht sein Handwerk. Gar keine Frage. Es erübrigt sich eigentlich zu erwähnen, dass er vom fachkundigen Publikum mit reichlich Zwischenapplaus bedacht wurde.
Die eigentliche Sensation an diesem Abend aber war der norwegische Gitarrist Magnus Berg. Dieser erst achtzehn Jahre alte Saitenquäler rockte und blueste den Saal in einer Weise, wie ich sie bisher nur ganz selten erlebt habe. Er begann im Alter von zehn Jahren mit dem Musizieren, kupferte zunächste die Sounds von Angus Young ab, bevor er auf die alten Blueslegenden stieß, deren Musik ihn sofort gefangen nahm und fesselte. Inzwischen spielt er neben seiner eigenen Band, der Magnus Berg Band, noch in etlichen anderen Formationen und kann auch schon auf zwei Studioproduktionen zurückblicken. Bei einem Konzert in New York stieß Kirsten Thien zufällig auf ihn und man entschloss sich spontan, auf der anstehenden Europa-Tournee zusammen auf die Bühne zu gehen.
Zuvor gab es einen 'Aufwärmgig' in Buddy Guys Legends Club in New York City, wo der junge Mann die Bühne rockte, als gäbe es kein Morgen. Und genau so machte er es auch an diesem Samstag in der Bluesgarage. Jedes Mal wenn er zu einem Solo ansetzte, brach das Feeling fast sichtbar aus ihm heraus und er meisterte seine Einsätze mit vollem Körpereinsatz. Es war eine wahre Freude, ihm dabei zuzusehen. Zusätzlich übernahm er auch etliche Male die Leadvocals und konnte so auch einige seiner eigenen Songs vorstellen. Schon jetzt hat er in der Band von Kirsten Thien einen sehr wichtigen Part übernommen. Seine Gitarrenattacken, meist im Fingerpicking-Stil gebracht, rissen das Publikum förmlich aus den Sitzen. Von diesem jungen Mann werden wir in Zukunft noch sehr viel hören, das steht schon mal fest. Es wird mir jedenfalls ein Vergnügen sein, demnächst sein aktuelles Album zu besprechen.
Line-up:
Kirsten Thien (vocals, acoustic and rhythm guitar)
Magnus Berg (lead and slide guitar, vocals)
Erik Boyd (bass, backing vocals)
Christophe Gaillot (drums)
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