Ten Years After
40th Anniversary Tour
16.11.2007, Music Hall, Worpswede
Rocktimes Konzertbericht
Ten Years After
Music Hall, Worpswede
16. November 2007
Konzertbericht
Stil: Blues Rock


Artikel vom 22.11.2007


Olaf 'Olli' Oetken
Ten Years After Ten Years After rocken Worpswede, ein Künstlerdorf in der äußersten Peripherie Bremens, unter anderem bekannt durch die expressionistische Künstlerin Paula Modersohn-Becker. Aber inzwischen auch durch einen feinen Music-Club namens Music Hall, der sich in den letzten Jahren einen ausgezeichneten Ruf erworben hat. Alles, was sich in der weit oder etwas weniger weit entfernten Vergangenheit eine gewisse Rockreputation erspielt hat, und heute auch noch unter entsprechender Flagge unterwegs ist, hat in diesem Etablissement bereits seine Visitenkarte abgegeben. Zu der weiter entfernten Vergangenheit zählt freilich auch eine Combo namens Ten Years After, welche näher vorzustellen sich an dieser Stelle erübrigen dürfte. RockTimes hat diesbezüglich so einiges berichtet und reviewt, so dass sich der Schreiberling dieser Zeilen ganz auf das Hier und Jetzt konzentrieren kann.
Brüller, als wenn das einzuhalten wäre!
Ten Years After Selbstverständlich stehen Ten Years After per se, aus heutiger Sicht, für Geriatrie-Rock (auch despektierlich 'Rentnerrock' genannt), geprägt von einem Gitarrero, den sie einst 'Flitzefinger Alvin' nannten.
Mittlerweile hat sich selbiger längst 'aussortiert' und ein gewisser Joe Gooch seine Position seit immerhin fünf Jahren eingenommen.
Nach allem, was seitdem zu hören und zu lesen ist, ein absoluter Glücksgriff für die drei betagten Urmitglieder Leo Lyons, Ric Lee und Chick Churchill. Ein Studioalbum und zwei Live-Alben sind in dieser Zeit entstanden, ein weiteres Studioalbum und eine Live-DVD sollen wohl in absehbarer Zukunft folgen.
Des Weiteren ist diese Quasilegende aus besseren Rockmusiktagen ausgesprochen fleißig auf den kleineren Bühnen Kontinentaleuropas unterwegs, wie früher durchaus mit einem germanischen Schwerpunkt. Und siehe da, mittlerweile sind die Events häufig ausverkauft, Ten Years After haben sich nachhaltig nicht als abgetakelte Oldie-Revue präsentiert, sondern eher als vitale Bewahrer rockmusikalischer Grundwerte, die mit Joe Gooch ins neue Jahrtausend hinüber gerettet werden konnten.
Ten Years After Insofern ist es wenig überraschend, dass auch Worpswede einen ausverkauften Laden im trüben November 2007 vermelden darf. Es kommen zwar nicht gleich die ganz dicken Charterbusse, aber für kleinere Busanreisen reicht es allemal.
In Niedersachsen herrscht inzwischen absolutes Rauchverbot, so dass ich das erste Mal in meinem ganzen Leben ein deftiges Rockkonzert völlig ohne Qualm jeglichen Ursprungs erleben darf. Ob mich das jetzt als absoluten Nichtraucher wirklich erfreut, weiß ich noch nicht so genau, denn irgendwie fehlt etwas und die Luft ist trotzdem zum Schneiden dick, an einer Klimatisierung jeglicher Art scheint nun gerne verzichtet zu werden. Meine Begleiterin, ihres Zeichens Hardcore-Raucherin der ersten Stunde, bekommt dann auch konsequenterweise nur die Hälfte des Konzerts mit, und das ziemlich murrend.
Ten Years After Na denn, da organisiert sich die fröhliche Konzertgängergemeinde halt ein lecker Bierchen. Ha, weit gefehlt, die Music Hall ist derart proppevoll, dass weder Bierchen noch Flüssigkeitsabgabe möglich sind.
Typisch, erst wird gemeckert, dass die Live-Clubs nur voll sind, wenn Coverbands den Laden rocken, und wenn dann mal eine Dreiviertel-Original-Rocklegende selbigen ausverkauft, wird immer noch gemeckert. Typisch deutsch!!!
Und was geht nun live-musikalisch ab?
Ten Years After Nun, prinzipiell nix Aufsehenerregendes, die Setlist kann ich mir an dieser Stelle ersparen, sie hat sich gegenüber den Vorjahren nur geringfügig, und in diesem Jahr weitgehend gar nicht verändert.
Und doch gibt es aufschlussreiche Veränderungen zu registrieren, zumindest im Vergleich zu den Erfahrungen, die ich vor knapp zweieinhalb Jahren machen durfte.
Um es auf den springenden Punkt zu bringen: Joe Gooch ist nicht mehr der ehrfurchtsvolle 'Ersatzmann', der das Erbe Alvin Lees bewahren, nicht beschädigen, und sogar noch punktuell weiterentwickeln soll, nein, Joe Gooch beherrscht mittlerweile die Szenerie voll und ganz. Denn er hat begnadete Fähigkeiten als Saitenquäler, die er nunmehr gnadenlos ausspielt.
Ten Years After Mein damaliger Eindruck war, dass er seine wesentlich älteren Mitstreiter zu nicht erwartbaren Höchstleistungen anstachelt, quasi als personifizierte Frischzellenkur. Mittlerweile kommen diese Mitstreiter kaum noch mit und gelegentlich unter die Räder.
Erstes Opfer ist Chick Churchill, der durch einen kaputten Fuß gehandicapt, den ganzen Abend über sitzend an seinen Tasten lediglich eine vergleichsweise blasse Randfigur abgibt. Ric Lee wiederum erweckt in mir manchmal den Eindruck, dass er nicht gewillt ist, dem Tempo des jugendlichen Vortänzers zu folgen. Er spielt stoisch seinen Part, hervorragend wie eh und je, und trotzdem hinterherhinkend.
Leo Lyons, die gute Seele, versucht wiederum das ein oder andere Mal die Löcher zu stopfen, gibt alles, beeindruckt, in seiner Art und Virtuosität den Tieftöner zu bedienen, ebenfalls wie eh und je und wirkt doch punktuell etwas verzweifelt, denn die Ebene, in welche der Gitarrero bisweilen entgleitet, ist schlicht 'ne Nummer zu hoch!
Ten Years After Der Mann weiß inzwischen um seine Qualitäten und gefällt sich, durchaus berechtigt, in seiner Saitenhexerstarrolle. Die neuen Songs weisen einen vielleicht überraschend hohen Grad an Blues auf, die alten Gassenhauer werden aber hemmungslos in ihre Einzelteile zerlegt und mit geradezu funkenstiebenden Läufen in den Orbit geschossen. Mir zerfetzt es mehrfach das Trommelfell und ich kann selbst nüchtern den Griffen des Saitenhexers nicht folgen. Was der Mann dort veranstaltet, scheint kaum von dieser Welt zu sein. Mir fallen spontan einfach keine (weltlichen) Vergleiche ein. Joe Gooch beherrscht sämtliche Facetten seines Fachs aus dem Effeff, verrät aber immer wieder zwischendurch sein Faible für Jazz- und Fusionsrock. Ein Tommy Bolin hätte seine helle Freude gehabt, ein Steve Lukather müsste schon 'ne Menge Traubenzucker inhalieren, um auf dieser Ebene mitzuhalten.
Ten Years After Trotzdem gibt's zwischendurch auch Zucker für den vergleichsweise schlichten Blues- und Hausgebrauchsrock, doch insgesamt kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass sich der Gitarrenheld mit dem Material von Ten Years After grundsätzlich unterfordert fühlt. Was für Alvin Lee eine Meisterleistung darstellte, ist für Joe Gooch nur eine müde Fingerübung. Entsprechend entgleitet der Saitenprotagonist des Öfteren in Sphären, die für einen Rock'n'Roller nicht immer nachvollziehbar sind.
Dies bezieht sich einerseits auf seine Mitstreiter, andererseits aber auch auf das geneigte Publikum, welches zwar überwiegend frenetisch die Saitenartistik bejubelt, aber auch vereinzelt Stimmen laut werden lässt wie: »Ja, aber Rory Gallagher war wenigstens noch der wahre Rock'n'Roll«.
Ten Years After Fazit:
Meiner Meinung nach ist genau diese letztgenannte Aussage ein zweischneidiges Schwert. Wenn ein neuer Gitarrist und Sänger in einer Band aktiv wird, welche bereits seit 40 Jahren den Rockzirkus aufmischt, dann kann er sich nicht einfach auf tradierte Spielweisen beschränken, ohne dabei zur künstlerischen Nullnummer zu degenerieren. Vor allem dann, wenn er auch noch überdurchschnittliche Qualitäten vorzuweisen hat.
Aber wenn die Noten geradezu durch die Zeitmaschine geschreddert, gejagt, verdichtet und waghalsig uminterpretiert werden, um schlussendlich in der Jetztzeit anzukommen, dann bleibt tatsächlich dieses nicht wirklich definierbare Rock'n'Roll-Feeling auf der Strecke. Die drei alten Protagonisten haben es selbstredend verinnerlicht, ihr junger Kollege ist dagegen längst auf der Überholspur, wohin sie auch immer führen mag.
Bilder vom Konzert
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