RockTimes: Andy, das letzte Vanden Plas-Album Christ 0 scheint zwar lange her, immerhin vier Jahre. Aber ihr seid ja pausenlos beschäftigt am Theater. Wie und wann habt Ihr da Zeit gefunden, ein neues Album zu schreiben?
Andy Kuntz: Jeder hat natürlich mittlerweile dank bezahlbarer Homerecording Tools die Möglichkeit seine Ideen irgendwie festzuhalten. Stephan [Lill, Gitarrist], Günter [Werno, Keyboarder] und ich haben in dieser Zeit fleißig an Vanden Plas-Ideen weitergearbeitet. So hatten wir an dem Tag an dem wir uns entschieden ein neues Album auf den Markt zu bringen eine sehr breite Auswahl an großartigem Material. Dann geht es darum, eine Vorauswahl für die Platte zu treffen und zu schauen, für welche Songs mir die stärksten Vocal Lines einfallen.
RockTimes: In wie weit beeinflusst ihr einander da auch - du mit der Story und damit auch den Songtexten und Stephan und Günter mit der Musik? Oder entsteht beides völlig getrennt voneinander?
Andy: Nein, das funktioniert gemeinsam und nur über das Gefühl. Ich versuche herauszufiltern, was die Songidee mir sagt und mit Vocal-Melodien und Textmalerei diese Vision zu konkretisieren und zu veredeln. An vielen Punkten inspiriert mich das Grund-Songwriting dann noch weiter und ich entwickle Ideen für zusätzliche, berührende Parts, die Stephan und Günter dann umsetzen. Diese werden dann so lange geschliffen, bis sie die ursprüngliche Vision erweitern.
RockTimes: Die Story hinter The Seraphic Clockwork ist ja wahrhaft episch: Was wäre passiert, wenn Jesus nicht verraten worden und nie am Kreuz gestorben wäre? Das ist die Wahrheit, die deine Hauptperson, der Uhrmacher Tio im Rom des 16. Jahrhunderts kennt, bevor er aus verschollenen Schriften erfährt, was die eigentliche göttliche Vorhersehung war. In einer Mischung aus Sci-Fi, Fantasy und Vatikan-Thriller stellt er die 'richtige' Realität wieder her... das ist alles super durchdacht. Aber wie kommst du auf so was? Hast du einen Hang zu Vatikan-Thrillern à la Dan Brown?
Andy: Nein, nicht unbedingt. Obwohl mir die letzte Verfilmung des Dan Brown-Romans sehr gut gefallen hat. Dass da fast jeder ein Faible für hat, sieht man ja daran, dass solche Geschichten so viele Menschen mobilisieren. Sozusagen der Drang, das Geheimnis hinter dem Geheimnis zu lüften, ist halt megaspannend.... Da bin ich mit meiner Vorliebe einer von vielen. Ich entwickele solche Storys dann aber halt auch gerne selbst und schau nicht nur zu. Ich hab früher in der Schule Reli und Geschichte gehasst. Vielleicht muss ich mich jetzt, viele Jahre später meiner wahren Bestimmung stellen (lacht).
RockTimes: Bist du selbst ein gläubiger Mensch und hat dich das auch beeinflusst? Auch bei deinem Solowerk und Bühnenstück Abydos haben ja durchaus religiöse, übersinnliche Themen eine Rolle gespielt...
Andy: Ja ich bin gläubig, aber nicht im herkömmlichen Sinne. Ich bastele mir meine Religion selbst. Warum nicht aus so vielen Schätzen sich die schönsten Perlen heraussuchen. Ich glaube auf jeden Fall an Jesus...
RockTimes: Wie würdest du selbst die musikalische Entwicklung von Vanden Plas auf "The Seraphic Clockwork" sehen - macht man als derart eingespieltes, routiniertes Team da überhaupt noch wesentliche Entwicklungen durch?
Andy: Ja zum Glück!! Du kannst dich musikalisch weiterentwickeln, Dinge ausprobieren, offen bleiben für alle Sparten. Du kannst deinen Horizont so viel erweitern wie du willst, mehr Orchester einbinden, härtere Gitarren die Produktion bestimmen lassen. Dynamischer arrangieren - textlich, dramaturgisch klarer arbeiten. Die ganze Entwicklung bringt dir aber nichts, wenn du keine guten Songideen hast. Wir haben das Glück, dass wir da momentan einen Lauf haben. Deshalb: gar nicht drüber nachdenken und einfach machen...
RockTimes: Würdest du mir zustimmen, wenn ich behaupte, dass einige Stücke auf "The Seraphic Clockwork" mehr als je zuvor von eurer Theater-Affinität geprägt sind? "Scar Of An Angel", zum Beispiel, oder was die epische Struktur angeht auch "On My Way To Jerusalem"?
Andy: Absolut richtig. Da helfen natürlich die Erfahrungen, die wir in den letzten Jahren auf den Theaterbühnen gemacht haben, enorm. Es freut mich auch ungemein, dass Fans die unseren Theaterprojekten eher skeptisch gegenüberstehen diese Entwicklung auch bemerken und sie gut finden. Also hat sich unsere lange Abstinenz ja auch für den reinen Prog Rock-Fan ein wenig bezahlt gemacht.
RockTimes: Gibt's denn auch schon Pläne, das Werk auch mal auf die Bühne zu bringen? Prädestiniert wäre es ja musikalisch und was die Geschichte angeht...
Andy: Ja, es gibt ja eine Kurzgeschichte dazu und sie ist auf sehr viel Interesse bei Theatermachern gestoßen!
RockTimes: "Christ 0", "Ludus Danielis", "Abydos"... vor allem in Kaiserslautern, mit Abstecher nach München, begeistert ihr ein ums andere Mal das Theaterpublikum mit euren Inszenierungen. Wie würdest du das eigentlich nennen? Rock Musical? Metal-Oper?
Andy: Jedes für sich anders...."Christ 0" ist ne "Rock Oper" - "Ludus" ist ein Rock Oratorium - "Abydos" ein Rock Mystical!
RockTimes: Musikalisch wart ihr da von Anfang an kaum Kompromisse eingegangen... okay, ein paar Balladen mehr, auch ein paar 'importierte Balladen', wie "I Don't Miss You", "Healing Tree"... aber ansonsten Metal, Gitarren und Double Bass im Orchestergraben. War das anfangs nicht ein gewisses Risiko? Haben sich auch Theatergänger... na ja ich sage mal 'beschwert"'?
Andy: Klar, es kommt regelmäßig zu Beschwerden. Damit sind die Häuser, an denen wir arbeiten, aber immer sehr professionell umgegangen. Theater darf und soll auch polarisieren. Vor allem neues Theater. Wenn du dann noch die besten Auslastungszahlen schreibst, gibt es denen, die dir Vertrauen schenken, obwohl es unbekanntes Terrain für sie ist, natürlich Recht. Hier können wir besonders stolz auf unsere Leitung in Kaiserslautern sein, dass sie sich so was getraut haben.
RockTimes: Die Musicalbühne stellt ja durchaus andere Anforderungen als die Metal-Bühne... hast du da eine besondere Ausbildung genossen, oder irgendein Zusatztraining, Arbeit mit Musical- oder Vocal Coaches, eine besondere Stimmbildung...?
Andy: Work in progress, learning by doing und anderen, die besser sind als du, auf die Finger schauen. Immer wieder zur Stimmkontrolle. Gesund ernähren... meistens jedenfalls. Und keine Angst haben. Das hilft.
RockTimes: Standing Ovations, Zugaben en masse und alles drum und dran - in Kaiserslautern. Und du bist ein Lautrer Bub. Was für ein Gefühl muss das um Himmels Willen sein? Lebensplan oder 'einfach so passiert'?
Andy: Ja, es ist ein unglaubliches Gefühl - und es ist einfach so passiert. Natürlich bin ich auch sehr fleißig, aber zu träumen hätte ich mich das früher nicht gewagt!
RockTimes: Was steht als nächstes an?
Andy: Na ja erstmal Promo für das Album. Es passiert hier mehr als wir erwartet hätten. Es wird von allen Seiten super angenommen. Dann sind wir jetzt schon am Schreiben für die nächste Scheibe. Es soll nicht wieder so lange dauern. Danach sind viele interessante Dinge im Gange. Ein Musical für die Stadt Augsburg - 'Händler des Himmels' über Jakob Fugger. Eine Zusammenarbeit mit Wolfgang Hohlbein für ein Bühnenstück und so weiter.
RockTimes: Bedeutet das, dass Vanden Plas-Auftritte weiterhin rar gesät sein werden?
Andy: Nein, wir wollen auf die Konzertbühne und uns unseren Fans zeigen, die schon lange darauf gewartet haben. Wir haben uns ob der Theaterengagements doch wirklich sehr rar gemacht.
RockTimes: Abydos war dein fantastisches erstes Solo-Werk, in dem du ja auch viele Gefühle verarbeitet hast... denkst du daran, mal wieder etwas unter deinem eigenen Namen zu machen?
Andy: Ja, aber das wird wohl noch ein bisschen warten müssen. Im Moment gilt das ganze Augenmerk der Band. Abydos hat mir nach dem Tod meines Vaters die Chance gegeben mich damit musikalisch weit ab von der Band auseinanderzusetzen. Jetzt ist es an der Zeit, voll für die Band da zu sein.
RockTimes: Zum Schluss noch eine Sache, die ich fragen muss! Stimmt eigentlich das, was ich gehört habe... dass du als begnadeter Musiker überhaupt keine Noten lesen kannst?
Andy: Ich bin einer der wenigen Privilegierten in Deutschland, die Noten erahnen können... Nach fünf Jahren Akkordeon-Unterricht hatte mein Lehrer endlich bemerkt, dass ich mir alle Melodien nur auswendig gemerkt hatte inklusive der Stelle, wo ich die Notenblätter umschlage. Er hat mir dann eine hinterhältige Falle gestellt. (lacht) Danach war er einen Schüler los. Denn mein Vater erteilte mir nicht die vom Lehrer gewünschte Lektion, sondern nahm mich mit den Worten aus dem Unterricht: »Wer fünf Jahre nicht bemerkt, dass mein Sohn keine Noten lernt, ist nicht der richtige Lehrer.« Eine Lehre war es trotzdem für mich. Diese Zeit hat mein Gehör immens geschult!
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