Editorial - August 2011



Editorial vom 01.08.2011


Norbert Neugebauer
Liebe Rockmusik-Freunde,
der Monat Juli hatte es in sich. Die Ereignisse in der letzten Woche erforderten einen Nachtrag und deshalb ist dieses Editorial zweigeteilt.
Zum Anfang erschien die Frauenweltmeisterschaft im Fußball als das Thema, das diesen typischen Sommerloch-Monat retten könnte. Auch wenn es nix mit dem neuen Sommermärchen wurde, zumindest nicht für unsere Dreifach-Weltmeisterinnen in spe. Nein, keine Macho-Schadenfreude, ich hab mir trotzdem die letzten Spiele angeschaut und mich richtig über den Sieg der technisch besten Mannschaft aus Nippon gefreut! Aber unsere Mädels haben das Ding halt volle Kanne vergeigt und werden auch bei Olympia in die Röhre gucken. Sowas stutzt die Flügel erstmal. Und hat uns die dämlichen Party-Fußball-Fans samt Deutschland-Fähnchen an den Autos und nervigen Tröten in diesem Sommer erspart. Vielleicht war die »mentale Übersäuerung« unserer Kickerinnen dran Schuld, dass es keine weitere »Total-Bespaßung« gab, um mal unsere TV-Kommentatoren-Götter zu zitieren.
Womit wir bei unserem Thema Nr. 1 wären - der Rockmusik in allen Variationen und ihren Ereignissen im Juli. Doch nochwas vornweg - habt ihr, verehrte RockTimes-Leserschaft, da draußen an euren Flatscreens eigentlich mitbekommen, dass unser US-Boy Markus wieder im Lande ist? Ja? Nach mehreren Jahren ist er in die Heimat zurückgekehrt. Wir verdanken unserem 'Außendienstler' (u.a.) hochkarätige Konzertberichte mit viel Insiderwissen und Atmosphäre aus seinem zwischenzeitlichen Domizil im US-Bundesstaat New York, die er für uns aufbereitet hatte. Nun verstärkt er die geografische Links-Außen-Fraktion, die sich regelmäßig gegenseitig besucht. Da schaut der einsame Franke dann doch schon mal etwas neidisch auf die diversen Treffen der Nachbar-Kollegen am Familiengrill und studiert statt dessen seine Tourneepläne.
Bei unseren internen Monatspolls sehen wir immer wieder, dass die alten Haudegen in der Lesergunst nach wie vor ganz oben stehen. Da können noch so viele gute frische Solisten oder Bands auf der Rock-Bildfläche auftauchen, kaum rückt ein bekannter 'Dino' auf den Bühnen an oder veröffentlicht etwas Neues, dann tauchen sie schnell in den Aufmerksamkeits-Keller ab. Und auch für uns Konzertgänger der RockTimes-Redaktion ist es immer noch was Besonderes, wenn wir zu einem 'unserer' Alt-Stars zum Konzert gehen. Dass es nicht jedes Mal zum erwarteten Fest der Sinne wird, musste Moritz feststellen, dessen Erwartungen an den Deutschland-Comeback-Gig von Cinderella in Mülheim an der Ruhr schwer enttäuscht wurden. Keinen Grund zur Klage, aber dafür zur wehmütigen Reminiszenz, hatte Markus, der die Abschiedsparty der Pogues in Stuttgart mitfeierte. Auch Udo war schwer beeindruckt vom sich immer wieder neu erfindenden Gitarrenzauberer Carlos Santana, der in Jüchen beim Open Air einmal mehr die Fans begeisterte. Und ich hatte im Juli einen weiteren Konzert-Höhepunkt und durfte eine charismatische Patti Smith im Nürnberger Serenadenhof erleben, die alles in ihren Bann zog.
Dass Open Airs schnell zu einem gefährlichen Arbeitsplatz werden können, erfuhren Cheap Trick in Ottawa hautnah, denen ein Sturm buchstäblich das Bühnendach über dem Kopf wegriss. Die Jungs wurden nur unwesentlich verletzt und Sänger Robin Zander hatte sogar den Nerv, unmittelbar danach noch zu filmen.
Apropos Open Airs: Die Saison ist ja in vollem Gang und an allen Ecken und Enden im RockTimes-Land besteht die Möglichkeit, sich unter (hoffentlich) freiem Himmel je nach Gusto mit seiner Musik vollpumpen zu lassen (wir haben allein weit über 100 in unseren Festivalterminen aufgelistet!).
Wie nicht anders zu erwarten war, werden uns im Herbst neben neuen Alben aktueller Rocker diverse Archiv-Veröffentlichungen aus dem Nachlass verstorbener Künstler oder abgegangener Bands beglücken - Weihnachten steht schließlich vor der Tür ... Ankündigt sind schon mal (u.a.) Releases von Jimi Hendrix, Ronnie James Dio und Pink Floyd. Und die Meldungen über neue Biografien oder andere schriftstellerische Outputs häufen sich ebenfalls.
Ach ja, MySpace, die bislang kostenlose Plattform auch für Musiker und Fans, wurde vom Konzern des Medien-Moguls Murdoch verscherbelt - was daraus wird, werden wir sehen. Den Alten beutelt's momentan grad an allen Fronten. Aber er hat ja von nichts gewusst (was versteht der schon von Kommunikation ...) ...
Chuck Berry, der 84-jährige Rock'n'Roll-Altmeister, wurde am 29.07.2011 mit einer Statue in seiner Heimatstadt St. Louis geehrt. Da wollen wir gern einmal mehr in die Lobesreden auf den Mit-Gründervater unserer Musik einstimmen: »Hail Hail Mr. Duckwalk« - »Chucky B. Goode«! Und auch das halten wir für eine gute Tat und gratulieren: Queen Elizabeth II. hat die Eurythmics-Powerfrau Annie Lennox in den 'Order of the British Empire' aufgenommen. Sie erhielt den hohen britischen Verdienstorden für ihren Kampf gegen die Armut und AIDS in Afrika.

Mit meinem 7-teiligen Reisebericht Truckin' USA ist der wohl umfangreichste Artikel in der RockTimes-Geschichte mit viel Background nun auch abgeschlossen.
Leider ging dieser Sommermonat mit schockierenden Meldungen zuende, die wir weder ignorieren können, noch wollen. Am Horn von Afrika sterben mehr Menschen als je zuvor, eine Hungersnot, die auch in diesem von Katastrophen vielfach heimgesuchten Teil der Welt alles bisherige übertrifft. Eine Not, die wir aber mit Spenden lindern können. Rockfans, die ihr ein Herz und etwas Geld übrig haben - spendet, spendet schnell!
Das, was in Norwegen passiert ist, haben wir alle wohl noch nie in unserer nächsten Nachbarschaft miterleben müssen. Die Umstände dieses Massenmords, davon an über 60 Jugendlichen, sind so bizarr und unglaublich, dass jeder Versuch einer Kommentierung scheitert. Wir können nur unsere Anteilnahme ausdrücken und mit den Norwegern trauern.
Aber wir wollen uns zum Jahrestag und auch aus Anlass der Gedenkfeier hierzu, an die 21 Toten und vielen Verletzten erinnern, die in Duisburg bei der Loveparade 2010 zu Opfern wurden. Noch immer werden die Verantwortlichen dieses Dramas, das aus organisatorischen Mängeln und Gewinnsucht resultierte, gesucht. Niemand will die Schuld tragen.
Dass Amy Winehouse ihren exzessiven Lebensstil nicht lange durchhalten würde, war nicht nur ihrem Umfeld klar. Sie hatte eine einmalige Stimme und ein Riesentalent, aber leider nicht die Persönlichkeit dazu. »Live fast, love hard, die young« - eine Seele mehr auf dem R'n'R-Konto des dunklen Fährmanns. Steve hat zu ihrem Abgang die richtigen Worte gefunden (siehe News Nr. 10643).
Liebe RockTimes-Freunde - ein Monatseditorial, das ich flapsig begann, es aber nun sehr traurig beende. Wir können uns zwar die Schlagzeilen aussuchen, nicht aber die Realität. Mit Musik mögen wir sie auch nicht wirklich zu verdrängen, aber vielleicht besser damit klarkommen.
Good Times - Bad Times,
passt auf euch auf,
Norbert
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