[Mike]Thomas Rufs Blues Caravan 2011 hatten gerade mal so ihr Equipment verstaut, da schickte der Blues-Experte einen weiteren Trumpf seiner betreuten Musiker ins Quasimodo, Oli Brown!
Ich hatte ihn bereits im 2009er Caravan gesehen und war auch im letzten Jahr, als er mit seiner eigenen Band in Berlin auftrat, mit dabei. Dass Radio- und TV-Produzent Viktor Büttner vor Beginn des Gigs ein Interview organisiert hatte, lässt die Rockerherzen von mir und RockTimes-Gastschreiber Holger Ott höher schlagen. Dabei vernehmen wir so 'wichtige' Dinge, dass Oli seine neue Frisur »totschick« findet und er für Ende des Jahres oder Anfang 2012 eine US-Tour plant.
Holger, wie sind denn so deine Eindrücke?
[Holger]
Tja Mike, Oli Brown erinnert mich sofort an Angus Young in sehr jungen Jahren. In der Tat wirkt Oli extrem schlank und mit frischer Dauerwelle auf dem Kopf. Klasse, wie er ziemlich locker auf mich zukommt und ich mit weichem Händedruck herzlichst begrüßt werde, so als wenn ich ihn schon seit seiner Geburt kenne würde. Auch während des folgenden Interviews redet dieser Jungspund wie ein alter, erfahrener Rockmusiker, der schon tausende dieser Gespräche hinter sich hat. Dabei ist der Typ gerade mal zwanzig Jahre alt und kann ja eigentlich noch nicht so viel erlebt haben. An der Tür postiert sich, mit wallendem weißem Haar, sein Vater, spielt den Torwächter und Schlüsselmeister und achtet penibel auf jedes Wort, das vom Mikro aufgezeichnet wird. In der Familie Brown scheint ein strenges Regiment zu herrschen.
[Mike]Ja, Vater Brown hat ein sehr wachsames Auge auf seinen Sprössling, wirkt dabei immer freundlich und lässt uns, allen voran Viktor, gewähren. Mir fällt noch die Lockerheit zwischen dem Blueser und dem Moderator auf, die während des Interviews viel Spaß miteinander haben und neben reger Konservation auch reichlich lachen. Die Zeit vergeht wie im Flug und ehe wir uns versehen stehen wir an vorderster Front der Bühne und ich halte sofort meine Kamera startbereit, um bei Bedarf gleich auf den Auslöser zu drücken.
Gegen 22.20 Uhr betritt der englische Sonnyboy mit dem Bassisten Gaz Rackam und dem Holzhammer-Anästhesisten Wayne Proctor, der auch schon den Caravan 2008 begleitete, den abgewetzten Teppich auf dem Bühnenpodest. Ich lasse Holger seine ersten Eindrücke zu Papier zu bringen:
[Holger]
Wie Mike bereits erwähnt hat, steht die Zukunft des weißen Blues auf der Bühne. In der Zeit des Hip-Hop und der Ballermann Schunkelmusik für das unersättliche Partyvolk, ist es verwunderlich, dass sich überhaupt noch junge Menschen für Bluesmusik interessieren und dann auch noch so tief an den Wurzeln graben, dass sie sogar Stücke von Muddy Waters interpretieren.
Eben noch im Backstage im jugendlichen, sportlichen Outfit, ist dieser Oli Brown auf der Bühne nicht mehr wieder zu erkennen. Im feinsten Zwirn, mit Nadelstreifenhose und Weste, Krokodillederstiefeln und dunklem Hemd. Der Liebling der Schwiegermütter gibt sich in Berlin die Ehre, nachdem er im vergangenen Jahr den 'Britisch Musik Award' als 'Male Vocalist' und 'Young Artist Of The Year' abgegriffen hat.
Im Gepäck hat er seine neueste CD Heads I Win, Tails You Lose als Nachfolger seines 2008er Debüts Open Road mitgebracht. Beide Tonträger sind gespickt mit Coverversionen berühmter Vorgänger und natürlich seinen eigenen Kompositionen. Diese gesunde Mischung präsentiert Oli im Rahmen seines fünfzehn Songs umfassenden Abendprogramms. Die Anzahl der Stücke hört sich erst einmal wenig an, aber er versteht es, daraus eine zwei-Stunden-Show zu machen. Darin integriert sind seine hervorragenden Begleitmusiker am Bass und den Drums. Der ganz in Schwarz gekleidete Proctor bringt bei jedem Kick so viel Druck auf die Bühne, dass sich die Bass-Drum jedes Mal um einen Zentimeter nach vorne bewegt. Wäre sie nicht am Boden verankert, hätten wir sie spätestens nach dem dritten Song im Publikum wieder gefunden.
Browns Gitarrenkollektion ist farblich perfekt auf sein Outfit abgestimmt, und der Besucher erhält den Eindruck, es wäre sein dritter Arm. Mit einer Urgewalt schlägt er gnadenlos die Saiten an. Seine Hände fegen dabei nur so über das elektrische Brett und sein Fingerpicking ist dabei trotzdem so filigran, dass an keiner Stelle ein ungewollter Ton zu hören ist. Der Mann ist einfach ein Genie und nachdem uns in den letzten Jahren solche Leute wie Rory Gallagher oder Gary Moore verlassen haben, ist dieser britische Edelgitarrist der Hoffnungsträger des weißen Blues. Als er dann auch noch im ersten Song seine Stimme erhebt, kommen mir wirklich Zweifel an seinem Alter. Wenn ich nicht definitiv wüsste, dass er gerade zwanzig Lenze zählt, ich würde ihn stimmlich glatt auf vierzig und spieltechnisch auf sechzig Jahre schätzen, was sein Können und seine Erscheinung betrifft. Dieser junge Mann hat mich vom ersten Ton an in seinen Bann gezogen und wird mich mit Sicherheit noch sehr viele Jahre begleiten.
Seine Musik ist sehr vielseitig. Angefangen vom modernen, schnelleren Blues bis hin zu Funky-Klängen, bringt er erst einmal Stimmung in die Bude. Zwischendurch werden einige Klassiker intoniert und auf seine eigene Weise vorgetragen, ohne dabei ihren Wiedererkennungswert zu verlieren. Besonderen Beifall erhalten die Stücke, die den schwarzen Blues verkörpern. Da kommen Erinnerungen unter den Gästen hoch, als wenn wir uns alle gerade in einer heißen und stinkigen Südstaaten Spelunke befinden würden, und vor uns auf der selbstgezimmerten Bühne eine Truppe der ärmsten Baumwollpflücker ihr Leid ins Mikrofon klagen. Meine Herrn ist der junge Mann gut und authentisch.
Mit ein paar deutschen Brocken lockert er die Stimmung zwischendurch noch etwas mehr auf. Die Leute gehen natürlich drauf ein und feiern mit ihm zusammen ein schönes Fest, dessen Höhepunkt die Übergabe des Gasangs-Mikrofons an einen der Gäste ist, der aus vollem Hals den Refrain mitgrölt. Oh Yeaaaahhhh !!!
[Mike]
Ja Holger, du hast die passenden Worte für den Gig gefunden und ich denke, wir haben fürs Jahr 2011 ein absolutes Highlight erlebt«. Neben dem bereits Erwähnten fand ich noch das Bass- und anschließende Drum-Solo außergewöhnlich gut, die beide in die Kategorie 'Extraklasse' einzuordnen sind. Ein weiteres Schmankerl bot Brown den Fans, als er einen ausgiebigen Ausflug in die Räumlichkeiten des Clubs unternahm und somit jeden Anwesenden hautnah an seiner Spielkunst teilhaben ließ! Logisch, dass diese Aktion von den Fans mit Beifallsstürmen quittiert wurde. Während der diesjährige Blues-Caravan auch nicht schlecht vorbeirauschte, stelle ich trotzdem fest, dass Oli qualitativ schon noch einige Klassen besser und weiter ist! Insgesamt trat er mit einem enormen Selbstvertrauen auf, spielte sehr facettenreich und versprühte viel Esprit! Fürs nächste Jahr habe ich noch einen Tipp parat: ' Oli, komm an einem Freitag oder Sonnabend nach Berlin, damit Du endlich vor einem ausverkauftem Haus spielen kannst! Verdient hast Du es allemal!' Zum Schluss wird noch das Erlebte mit uns dreien, Holger, Viktor und mir, sowie Stephanie, einer jungen Stammbesucherin des Clubs, und Mona in fast alle Einzelteile zerlegt und diskutiert. Wobei ich dabei erwähne, dass für mich nicht nur Brown zur Hoffnung des weißen Blues beiträgt, sondern gerade auch aus unserer Heimat mit Henrik Freischlader oder Timo Gross, um nur zwei großartige Blueser zu nennen, ebenfalls dazu beitragen werden. Um 0.40 Uhr verlassen wir die
Wirkungsstätte und selbst der sonst sehr besonnene Holger kann auf der Heimfahrt seine Begeisterung kaum im Zaum halten!
Line-up:
Oli Brown (vocals, guitar)
Gaz Rackam (backing vocals, bass)
Wayne Proctor (backing vocals, drums)
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