V.A. / Celebrating Jon Lord
Celebrating Jon Lord Spielzeit: 254:00 (Blu-ray), 59:20 (CD 1),
41:38 (CD 2), 62:03 (CD 3)
Medium: 3CD/Blu-ray
Label: Edel Germany/earMusic, 2014
Stil: Rock, Klassik

Review vom 01.11.2014


Jürgen Hauß
Gut anderthalb Jahre nach dem Tod von Jon Lord 'feierten' Freunde, Verwandte und Wegbegleiter den Protagonisten mit einem grandiosen Konzert in der ehrwürdigen Londoner Royal Albert Hall. Jetzt liegt die Dokumentation dieses denkwürdigen Abends vor, und zwar - lobenswerterweise - in verschiedenen Ausgaben: Man kann das Konzert audio-visuell auf DVD bzw. Blu-ray erleben, oder aber man konsumiert das Konzerterlebnis rein akustisch auf CD bzw. als Download (wobei - wiederum sehr lobenswert - die CDs, die Jon Lord als Komponisten bzw. als Rocklegende präsentieren, je nach Geschmack jeweils auch einzeln erworben werden können. Oder aber man kauft sich die Super-Duper-Luxus-Box, die das beschriebene Bild- und Tonmaterial enthält, zusätzlich aber noch mit zwei Vinyl-Singles (mit Songs, die bereits auf den CDs enthalten sind), einem Faksimile von Jon Lords Partitur zu seinem Orchesterwerk "Sarabande" (mit Unterschrift des Dirigenten Paul Mann), einem Abdruck des Konzertprogramms sowie einem T-Shirt (Größe L) wirbt.
Die Blu-ray-Disc enthält außerdem ein sehr umfängliches und informatives Booklet, in dem Jon Lord sehr ausführlich als Komponist bzw. Rocklegende beschrieben wird, ergänzt mit Fotos von dem Konzert. Bei der Auflistung der Songs ist jeweils angegeben, wer da im Einzelnen mitspielt. Auch die CDs enthalten jeweils ein Booklet. Diese sind aber naturgemäß jeweils auf den Inhalt beschränkt, den die Scheiben wiedergeben und stellen insoweit jeweils nur einen Ausschnitt des Booklets zur Blu-ray (bzw. DVD) dar.
Ich habe mir - zu einem Zeitpunkt, an dem der Kaufpreis nicht mehr bzw. noch nicht wieder nahezu unmoralische Höhen erreicht hatte - diese immer noch teure Luxus-Version gegönnt, nicht zuletzt auch in dem Gefühl, etwas Gutes für die Stiftung Sunflower Jam zu tun, die von Jacky Paice (der Gattin des Deep Purple-Drummers Ian Paice und zugleich Zwillingsschwester von Jon Lords Witwe Vicky Lord) gegründet wurde und das vorliegende Konzert organisiert hat, nicht zuletzt, um weitere Mittel für ihren Zweck - die Krebsforschung - zu generieren.
Ausnahmsweise fange ich das Review nach dem Vorgeplänkel mit 'Technikalien' an: Man kann das Konzert auf der Blu-ray-Disc vollständig betrachten, also mitsamt den zwischen den Liedern dargebotenen Wortbeiträgen (u. a. der britische Schauspieler Bob Harris als 'Conférencier'), was wirklich zu empfehlen ist, um die Stimmung des Abends komplett zu erfassen (sehr ergreifend die Danksagung von Vicky Lord am Anfang des Konzerts). Oder aber man wählt die Wiedergabe ausschließlich der Musiktitel (die CDs enthalten ausschließlich die Musiktitel).
Negativ fällt demgegenüber auf, dass die Blu-ray-Disc keine Memory-Funktion bereitstellt. Wenn man die Wiedergabe gänzlich stoppt, fängt die nächste Wiedergabe nochmals ganz von vorne an und merkt sich nicht den letzten Stopp-Punkt. Genauso vermisse ich bei der Wiedergabe der CDs bspw. im CD-Player meines Autos die Angabe des jeweiligen Songtitels bzw. des Interpreten. Und schließlich erfolgt die Schaltung des Menüs auf der Blu-ray äußerst träge und verzögert. Das sind zwar alles nur technische Kleinigkeiten, die den Genuss des Ganzen nicht wirklich in Frage stellen, sollten aber heutzutage besser gelöst sein.
Das Konzert war insgesamt dreigeteilt. Der erste Teil widmete sich der Rolle von Jon Lord als Komponist vorwiegend klassischer, ja geradezu symphonischer Werke, die teilweise auch bereits ein Crossover zur Rockmusik bieten.
Das diesbezüglich wohl berühmteste Werk, das Concerto For Group And Orchestra wurde dabei, nach Aussage des musikalischen Leiters und Dirigenten Paul Mann, bewusst außen vor gelassen, da es mit mehreren Live-Aufnahmen und einer Studio-Einspielung bereits ausreichend dokumentiert sei. Drei Songs, nämlich "Fantasia", "Sarabande" und "Bourrée" stammen von dem Album "Sarabande" (als LP bereits im Jahr 1976 veröffentlicht), das "Durham Concerto" aus dem Jahr 2007 wird mit dem Track "Durham Awakes" gewürdigt; ansonsten handelt es sich um diverse weitere Kompositionen des Protagonisten.
Interpretiert wird das Ganze im Wesentlichen von dem britischen Orion Orchestra, einem über 80-köpfigen Symphonieorchester, das aus relativ jungen Musikern besteht (Paul Mann sieht sich, wie im Bonusmaterial zu sehen ist, anfangs sogar veranlasst, den Musikern Jon Lord sowie Deep Purple und deren Musik vorzustellen). Begleitet wird das Orchester von einer »wirklich guten Haus-Band« (Zitat Bob Harris aus der Anmoderation), bestehend aus den namentlich vorgestellten Musikern Nigel Hopkins (Piano), Wix Wickens (Keyboards), Murray Gould (Guitar), Neil Murray (Bass Guitar), Jerry Brown (Drums), Mario Argandoña (Percussion), sowie - im weiteren Verlauf - zusätzlichen Künstlern.
Besonders eindrucksvoll ist die Interpretation von "Pictured Within" (bei der Neueinspielung des "Concerto" im Jahr 1999 gesungen von Sam Brown), die vorliegend von Miller Anderson gesungen wird. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist allerdings, dass eben jene Sam Brown an diesem Abend nicht dabei war, obwohl sie lange Zeit quasi als Muse von Jon Lord beschrieben werden konnte (dafür übernahm ihr Vater, der Gitarrist Joe Brown zeitweise, und mit typisch britischem Humor dargeboten, die Moderation). Anschließend kündigt Miller Anderson »The Master« an und meint damit niemand anderen als Rick Wakeman, dessen musikalische Leistung bei "Sarabande" sich allerdings nicht von der der anderen (Rock-)Musiker abhebt (mich persönlich beeindrucken hier der Drummer Jerry Brown sowie der Gitarrist Murray Gold wesentlich mehr).
Absolutes Gänsehaut-Feeling verursacht die abschließende Interpretation des Gedichts "Afterwards" des britischen Schriftstellers Thomas Hardy, das vorliegend, wie auch bereits auf der Jon Lord-CD "To Notice Such Things" aus dem Jahr 2010, von dem britischen Schauspieler Jeremy Irons vorgetragen wird. Die unterlegte, sehr besinnliche und von Jon Lord komponierte Musik wurde in der Royal Albert Hall von Paul Mann am Flügel dargeboten.
Auf dem Bildschirm erscheint nachfolgend ein längerer, musikalisch von "Sarabande" untermalter Abspann, bevor man wieder im Hauptmenü der Blu-ray landet. Auch dies ist m. E. ein kleines, technisches Defizit der Produktion, das nicht sein muss, weil es das Konzerterlebnis als Ganzes schmälert.
Im ersten Teil des Rock-Konzerts geben sich diverse Musiker quasi die Klinke(nstecker) in die Hand und präsentieren u. a. auch Songs aus Jon Lords Vor-Deep Purple-Zeit, namentlich der Bands The Artwoods sowie Paice, Ashton, Lord (hier spielt auch vorliegend natürlich Ian Paice himself bereits mit. Auch das Orion Orchestra ist nach wie vor bei den meisten Songs mit dabei.
Was nach meinem Geschmack leider fehlt, ist eine Erinnerung an die Auftritte von Jon Lord mit den Hoochie Coochie Men in den Jahren 2003 und 2007 (sieht man einmal davon ab, dass diese auch das vorliegend vorhandene "Blind Man In The Dark" interpretiert haben).
Mit dem gemeinsamen Auftritt von Glenn Hughes (DP Mk. III), Don Airey (DP Mk. VIII) sowie wiederum Ian Paice (DP Mk. I - VIII), unterstützt insbesondere von dem Iron Maiden-Shouter Bruce Dickinson wird der Abend, ab "You Keep On Moving", mehr und mehr zum Deep Purple-Konzert, das im weiteren Verlauf unter dem Titel "Deep Purple Celebrating Jon Lord" von der aktuellen DP-Besetzung gespielt wird. Warum die Band diesen Teil ausgerechnet mit "Uncommon Man" und "Above And Beyond" einleiten, erschließt sich nicht auf den ersten Blick, denn diese Tracks stammen von dem Album NOW What?!, das erst nach dem Tod von Jon Lord veröffentlicht wurde, so dass er wahrscheinlich, sollte er dem vorliegenden Konzert zugehört haben, die Songs überhaupt nicht gekannt haben dürfte. Die Nachricht seines Todes kam aber gerade zu der Zeit, als jenes Album eingespielt wurde, und die Band hat es ausdrücklich ihrem ehemaligen Keyboarder gewidmet. Vielleicht ja auch speziell diese beiden Stücke, die Titel würden passen!
Anschließend erfolgt jedenfalls ein Parforce-Ritt durch DP-Nummern, die insbesondere Jon Lords prägnantes Orgelspiel würdigen. Dass der Über-Hit "Smoke On The Water" fehlt, begrüße ich in diesem Kontext ausdrücklich! Insbesondere "Lazy", das für Jon Lord auch ein Standard-Song bei seinem Blues Project war, finde ich immer wieder faszinierend. Dass die Stimme von Ian Gillan altersbedingt nicht mehr die Höhen von einst erreicht und die Töne nicht mehr so sicher hält wie früher - geschenkt! Sein Harp-Spiel beeindruckt mich aber nach wie vor. Das 'große Finale' mit "Hush" gleicht einem Who-is-who der aufgetretenen Künstler und bildet einen würdigen Abschluss eines denkwürdigen Konzertabends. Grandios ist in diesem Zusammenhang das Keyboard/Synthesizer-Duell zwischen Don Airey und Rick Wakeman! Aber auch die übrigen Musiker stehen in ihrem begeisternden Miteinander in nichts nach.
Das Konzert stand unter dem Motto, Jon Lord zu feiern und damit an ihn zu erinnern. Das ist den Veranstaltern und den teilnehmenden Künstlern auf hervorragende Art und Weise gelungen. Nicht nur durch die Auswahl und Interpretation der dargebotenen Werke, sondern insbesondere auch durch die 'Zwischentöne' in Gestalt von An- und Abmoderationen sowie in der Wiedergabe von teilweise sehr persönlichen Erinnerungen und Anekdoten. Wer dieses Konzertereignis in vollem Umfang nacherleben möchte, dem sei daher in erster Linie die Bilddokumentation wärmstens empfohlen, da nur sie diese 'Zwischentöne' enthält. Aber auch die CDs (bzw. Downloads) haben ihre Berechtigung, zumindest für unterwegs. Es muss ja nicht gleich die Luxus-Box sein!
Noch eine kurze Anmerkung zum rund einstündigen Bonusmaterial: Jacky Paice erzählt die Entstehungsgeschichte ihrer Stiftung Sunflower Jam. Ansonsten das mittlerweile bereits übliche Making-of des vorliegenden Projekts, einschließlich zahlreicher Aufnahmen von den Proben sowie Interviews bzw. Wortbeiträge der beteiligten Künstler, in denen sie ihre Beziehung zu Jon Lord und seine Bedeutung für die zeitgenössische Musik beschreiben. Alles durchaus interessant und daher sehenswert, allerdings ausschließlich in Englisch und ohne Untertitel.
Abschließend muss ich mich selbst aus meinem Review über die Blu-ray-Ausgabe des Concerto zitieren, da die damalige Schlussbemerkung auch vorliegend gilt: »Je öfter ich mir die vorliegende Dokumentation anschaue, desto schmerzhafter wird mir bewusst, welchen großen Verlust die Musikwelt mit dem Tod von Jon Lord erlitten hat.«.
Tracklist
The Composer :
01:Fantasia [From Sarabande] (4:14)
02:Durham Awakes (8:54)
03:All Those Years Ago (6:47)
04:Pictured Within (9:10)
05:Sarabande (8:36)
06:One From The Meadow (9:59)
07:Bourrée (7:23)
The Rock Legend:
01:Things Get Better (3:02)
02:I Take What I Want (4:48)
03:Silas And Jerome (3:38)
04:I'm Gonna Stop Drinking (5:28)
05:Soldier Of Fortune (5:26)
06:You Keep On Moving (5:50)
07:Burn (8:40)
08:This Time Around (4:51)
09:Uncommon Man (8:24)
10:Above And Beyond (6:17)
11:Lazy (9:37)
12:When A Blind Man Cries (8:02)
13:Perfect Stranger (10:10)
14:Black Night (8:35)
15:Hush (11:02)

[Laufzeitangaben beziehen sich auf die CD-Ausgaben]
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