Gut fünf Jahre nach den Geburtstagsfeierlichkeiten mit dem CD/DVD-Set
55 Years Of Blues setzt das Blues- und Jazzlabel Delmark Records die Party mit "60 Years Of Blues" fort, diesmal allerdings mit einer einfachen CD. Da man sich bei den dortigen Verantwortlichen - zumindest in der Blues-Sparte - vorwiegend um farbige US-Musiker kümmert, stellt das Label ein wichtiges Gegengewicht zu dem sprichwörtlichen 'Blues-Tsunami' des 'Weißen Mannes' seit den siebziger Jahren dar!
Platten von Delmark-Künstlern sind wahrhaftig keine Seltenheit in unserem Index und so ist es kein Wunder, dass die meisten auf "60 Years Of Blues" vorgestellten bei uns zu finden sind, teilweise sogar mit den Platten, denen die hier zu besprechenden Songs entliehen wurden.
Als Freund uralter Töne aus Schellackzeiten bin ich - das muss ich schon vorweg schicken - ein klein wenig enttäuscht, dass nur fünf der sechzehn Titel von "60 Years Of Blues" aus dem vorigen Jahrtausend stammen - allesamt Knaller! Zuvorderst natürlich das Sahneschnittchen des Scheibchens, der niemals veröffentlichte "44'' Blues" von einem Privat-Tape Big Joe Williams' aus dem Jahr 1960. Zehn Jahre älter ist sogar ein Alternativtake von "Just Keep Lovin' Her" aus den Aufnahmesessions des Little Walter Trios zu deren Album "The Blues World Of Little Walter".
Genau die Hälfte der hier zu besprechenden Songs sind bislang unveröffentlichter Art. Mit "Oh Mademoiselle" gewährt sogar ein brandneuer Titel von
Giles Corey einen Blick in die nähere Zukunft des Labels, der in Kürze auf dem Soloalbum "Giles Corey's Stoned Soul" erscheinen wird. Übrigens ebenso wie "Stop That Thing", das auf "Live In Japan" zu finden sein wird - Liveaufnahmen von
Sleepy John Estes aus dem Jahr 1974.
Junior Wells' "Rock Me Baby" ist ein Outtake aus den 1969er Sessions zu "Southside Blues Jam". Auch das Live-Take von
Magic Sams "I Don't Want No Woman" fand seinen Weg nicht auf das 1968er Album "Live At The Avant Garde".
Big Bill Broonzys Klassiker "Key To The Highway" stellt ein weiteres Outtake dar, diesmal für
Detroit Jr.s Album "Blues On The Internet" - eine schön klimpernde Piano-Version des Songs.
Von den von uns bereits besprochenen Alben stechen vor allem
Studebaker John (nebenbei bemerkt der einzige 'weiße' Blueser auf "60 Years Of Blues") mit seinem sehr 'rootsigen' "When They Played The Real Blues", das man auf
Kingsville Jukin' nachhören kann, und natürlich der messerscharfe Bluesrocker
John The Conquer Root von
Toronzo Cannon hervor. Auch über den schnarchenden
Eddie C. Campbell, der von seiner schrapnellartigen 'Ehefrau' (
»Eddieeeee?? I'm ready!!!!«) vergeblich aufgeweckt werden soll, konnte man bereits herzhaft
lachen, wenn man denn wollte. Einzige Dame im Portfolio von "60 Years Of Blues" ist
Sharon Lewis... und was für eine mit einer Power-Stimme gesegnete! Der R&B-Feger
Blues Train begeistert mit seinem funkigen Speed. Und so dürfte wirklich jeder Bluesfreund 'seinen' Titel auf dieser Compilation finden...