Ich betrachte mich als kreativen Musiker, der, wie die alten Blueser, erst dann aufhören wird zu spielen, wenn der letzte Nagel in den Sarg gehämmert wird.
Cliff Jackson
Nun hat es auch die deutsche Rock-Legende Epitaph geschafft und kann auf eine vierzigjährige Bandgeschichte zurückblicken. Diese Tatsache und natürlich auch die beiden sensationellen letzten Studio-Alben waren ein Grund, um mal ein paar Worte mit Cliff Jackson zu wechseln.


Interview vom 22.11.2010


Jürgen Bauerochse
RockTimes: Hallo Cliff. Zunächst mal vielen Dank, dass Du Dir die Zeit genommen hast, uns ein paar Fragen zu beantworten.
Nun kann Epitaph den 40. Jahrestag der Bandgründung feiern. Hättest Du nach den Schwierigkeiten, die nach der Produktion von Outside The Law in Amerika, die ja zur kurzfristigen Auflösung der Band führten, jemals daran geglaubt, dieses Jubiläum erreichen zu können?
Cliff: Epitaph waren immer als langlebiges Projekt geplant. Ich betrachte mich und auch die anderen Jungs in der Band als kreative Musiker, die, wie die alten Blueser und Jazzer erst dann aufhören zu spielen, wenn der letzte Nagel in den Sarg gehämmert wird. Wir hoffen, so Gott will, noch eine ganze Weile aktiv zu sein.
RockTimes:Cliff Jackson Apropos "Outside The Law". Zum Jubiläum habt Ihr diesen Klassiker noch einmal neu aufgelegt und ihn soundmäßig durch Eroc aufmöbeln lassen. Wie kam es überhaupt dazu, dass das Album damals vom Klang her schwächer war, als seine beiden Vorgänger?
Cliff: Unser amerikanisches Label Billingsgate sendete uns damals 1000 Vinyl-Scheiben des Albums mit einem Mix, den wir selbst unmittelbar nach den Aufnahmen angefertigt hatten. Sie taten das eigentlich aus dem Grund, um uns über eine Bargeld-Flaute hinwegzuhelfen. Diese Abmischung klang tatsächlich nicht so gut, aber danach wurde noch einmal in den USA gemixt sowie gemastert und dieser Mix hörte sich dann, zumindest für die damalige Zeit (1973) sehr gut an. Die deutsche Version des Albums wurde in Hamburg gemastert und der Sound war wirklich ein bisschen dünn. Unglücklicherweise wurden ein paar Kopien des ersten Mixes an Magazine und Journalisten versandt, die dann gerade wegen dem Sound auch keine gute Kritik bekamen.
RockTimes: Würdest Du im Nachhinein sagen, die Produktion des Albums in den USA war ein Fehler, immerhin war die Existenz der Band stark gefährdet, oder würdest Du das als eine lehrreiche Erfahrung betrachten, die Euch auch weitergebracht hat?
Cliff: Ich wusste damals, dass wir uns auf ganz dünnes Eis begeben, dazu fast ohne Rückendeckung. Wir waren die erste deutsche Band, die in den USA getourt und aufgenommen hat und wir haben die Risiken in Kauf genommen. Es war eine 50:50-Chance und es hätte sich genauso gut auch in Richtung Erfolg auswirken können.
RockTimes: Bei der Jubiläums-Ausgabe sind neben einigen Live-Titeln der Reunion-Tour auch drei sehr interessante, bisher unveröffentlichte Bonus-Tracks dabei. Gibt es noch mehr Songs aus dieser Phase, auf die wir uns noch freuen dürfen?
Cliff: Von diesen Sessions existieren noch drei weitere Songs. In der näheren Zukunft werden wir auch das Album "Danger Man" aus dem Jahr 1982 wieder veröffentlichen und vielleicht wird dort einer oder zwei dieser Titel als Bonus mit draufgepackt. Dazu haben wir noch einen weiteren Bonus-Track, eine starke Cover-Version von "Good Times" der Easybeats, die wir während der "Danger Man"-Sessions 1982 aufgenommen haben.
RockTimes: Nachdem bei Eurer Reunion zunächst noch Jim McGillivray am Schlagzeug saß, ist ja in den letzten Jahren Achim Wielert wieder mit dabei. Du sagtest mir bei unserem letzten Gespräch, dass da gesundheitliche Gründe für den Wechsel ausschlaggebend waren. Wie geht es denn Jim inzwischen?
Cliff: Jim geht's gut und er spielt gleich in mehreren Bands in der Hannoveraner Szene.
RockTimes:Cliff Jackson Dass ihr nach der Reunion sofort wieder Top Live-Shows hingelegt habt, war für mich absolut keine Überraschung. Sensationell dagegen sind für mich die beiden letzten Studio-Alben, bei denen Ihr wieder zu den frühen Sounds von Epitaph zurückgekehrt seid. War das bei der Produktion von Anfang an wieder Euer Ziel, an die Anfangstage der Band anzuschließen und auf jegliche Keyboards und Ähnliches zu verzichten, wie es auf den Alben nach "Return To Reality" sehr oft der Fall war?
Cliff: Wir haben ja doch schon Keyboards für "Remember The Daze" und "Dancing With Ghosts" benutzt, allerdings nur um den Sound etwas atmosphärischer und farbiger zu gestalten. Eben so, wie wir es auch auf unseren ersten drei Alben getan haben. Wir haben versucht, den originalen Epitaph-Sound nicht zu verlieren, ihn aber trotzdem etwas zeitgemäßer klingen zu lassen.
RockTimes: Remember The Daze und Dancing With Ghosts sind ja wirklich sensationell ausgefallen. Bist Du mit mir einer Meinung, dass man die beiden Alben auf eine Stufe mit den ersten drei Longplayern stellen kann, oder gibt es Deiner Meinung nach doch gravierende Unterschiede zwischen den alten und den frischen Alben?
Cliff: Rock, oder besser gesagt Musik im Allgemeinen sollte immer ein Zeichen der Zeit sein. Oder besser gesagt, sie sollte die Zeit widerspiegeln, in der sie produziert wurde. Ich hoffe, dass wir dies mit unseren frühen Alben erreicht haben, genauso wie mit den letzten beiden.
RockTimes: Nachdem ich Euch seit den Anfangstagen (damals meistens im
Beat Club Langelsheim) fast regelmäßig live gesehen habe, und Ihr auch jetzt schon wieder fast zehn Jahre auf Tour seid, konnte ich bisher keinerlei Energieverlust bei Euren Shows feststellen. Gibt es denn überhaupt keine Ermüdungserscheinungen in der Band?
Cliff: Im Beat Club Langelsheim haben wir über zehn Mal gespielt. Wie ich schon sagte, sind wir alle professionelle Musiker. Wir werden so lange spielen, wie uns die Leute sehen wollen. Unser großer Traum ist es, noch einmal in den USA zu touren, wo wir ebenfalls viele Fans haben. Die Shows werden ca. zwei Stunden lang sein, inklusive der Zugaben.
RockTimes:Cliff Jackson Wie erklärst Du Dir überhaupt das große Publikumsinteresse an den alt gedienten deutschen Gruppen wie Birth Control, Jane und auch Epitaph, die ja allesamt schon mehrere Jahrzehnte zusammen sind?
Cliff: Krautrock, bzw. German Rock, wie ich es nennen würde, ist eine hochgradig kreative Form der Rock-Musik. Und auf eine ganz bestimmte Weise repräsentiert er immer noch musikalische Freiheit (lange Solo-Passagen, Tempiwechsel usw.). Ich denke, dass genau diesen Punkt sehr viele Fans er- und anerkennen. Es gibt weltweit nur noch ganz wenige Bands, die Musik ohne kommerziellen Hintergedanken aufnehmen und veröffentlichen.
RockTimes: Bei unserem letzten Gespräch stelltest Du eine DVD-Neuveröffentlichung für dieses Jahr in Aussicht. Wie sieht es denn damit aus? Schließlich wäre das 40-Jährige ja ein richtig guter Anlass dafür.
Cliff: Zurzeit arbeiten wir daran, alle drei Auftritte beim WDR-Rockpalast auf einer DVD heraus zu bringen. Die ersten beiden haben wir bereits gesichtet und sie werden zurzeit geschnitten. Aber auch das dritte Konzert ist schon in Bearbeitung. Wir hoffen, dass wir die DVD im Frühling 2011 veröffentlichen können.
RockTimes: Ihr habt Euch durch die beiden letzten hervorragenden Alben selbst etwas unter Druck gesetzt. Gibt es denn schon neue Songs, und wie wollt Ihr die zwei Alben denn noch toppen? Das ist sicherlich eine große Herausforderung.
Cliff: Das kann nur die Zukunft zeigen. Wir schreiben bereits neue Songs und hoffen, irgendwann nächstes Jahr genügend Material für ein neues Album zusammen zu haben.
RockTimes:Cliff Jackson Wenn ich schon die Gelegenheit habe, mit Dir zu sprechen, dann hätte ich auch noch etwas Persönliches auf dem Herzen. Eure Setlist bei den Gigs ist ja wirklich richtig gut ausgewählt. Und trotzdem vermisse ich als Fan der ersten Stunde meinen persönlichen Lieblingssong. Wie stehen denn die Chancen, dass Ihr "Early Morning" mal wieder ins Liveprogramm aufnehmen werdet? Dieser Titel darf doch eigentlich bei keinem Konzert fehlen.
Cliff: "Early Morning" ist, wie du schon sagst, eine sehr wichtige Nummer, die wir auch im nächsten Jahr wieder spielen werden, wie ich hoffe. Wir haben ca. 100 Songs zur Auswahl, um die Setlist zusammen zu stellen und logischer Weise können wir nicht jeden Track spielen. Vor zwei Jahren waren unsere Konzerte über drei Stunden lang, was aber von allen Seiten als etwas zu viel des Guten empfunden wurde. Eine Setlist zusammen zu stellen heißt zeitgleich auch immer, Kompromisse einzugehen.
RockTimes: Ach ja, etwas möchte ich noch wissen. Wie läuft bei Euch eigentlich das Songwriting ab? Hast Du oder Bernd schon eine Melodie im Kopf, die Ihr dann zusammen weiter entwickelt, oder steht sogar der Text an erster Stelle? Diese Abläufe sind für einen Laien einfach nicht nachvollziehbar. Wie geht das bei Euch vor sich?
Cliff: Das Songwriting findet an vielen unterschiedlichen Orten statt. Im Proberaum, beim Soundcheck, in Hotel-Zimmer … Inspiration ist immer sowie überall vorhanden und wir versuchen einfach, sie einzufangen. Ich schreibe nach wie vor die meisten Texte zu den Songs und auch die Arrangements. Aber davon abgesehen ist es immer noch so, wie es seit jeher war. Bernie und ich sind die Hauptsongwriter.
RockTimes: So, ich glaube, das war's erstmal von meiner Seite. Vielen Dank für das Beantworten meiner Fragen. RockTimes wird Eure weiteren Aktivitäten auch weiterhin mit großem Interesse verfolgen, und ich freue mich schon auf den nächsten Gig mit Euch und wünsche Euch alles Gute und weiterhin viel Erfolg. Grüße bitte die ganze Band von mir.
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