Das Burg Herzberg Festival ist inzwischen kein Insidertipp mehr, es ist eines der bedeutendsten Musikfestivals des Jahres und hat schon längst Kultstatus erreicht. Und das sicherlich nicht nur, weil die Ursprünge dieses musikalischen Ereignisses 40 Jahre zurück liegen, sondern auch, weil die Bands und Musiker, die hier auftraten und auftreten, etwas Besonderes darstellen und oft abseits des Mainstream ihr Publikum begeistern. Der Geist der 68er lebt in diesem Festival weiter und wurde und wird dem Motto 'Love and peace and Rock'n'Roll' voll gerecht.
Anlässlich des diesjährigen Jubiläums, hatten die Organisatoren eine ganze Reihe 'alter' und neuer Gäste auf die Bühne gebeten. Wie immer begann am Donnerstagabend das musikalische Spektakel. Starter war die deutsche Band The Petards, die, um den Bogen zum ersten Burg Herzberg Festival zu schließen, auch vor 40 Jahren das musikalische Fest eröffneten. Von der damaligen Band waren Roger Waldmann und Arno Dittrich noch dabei. Es wurde vom ersten Festival erzählt und durch die Musik der Petards konnte man sich gut in die Zeit vor 40 Jahren zurück versetzen.
Besonders für die Besucher, die das Event bereits auf der Burg erleben konnten, wurden die Anekdoten und Geschichten lebendig. Die Band spielte ihre Musik aus den späten 60ern - ein gelungener Einklang auf die folgenden Konzerte.
Weiter ging es mit Birth Control, es wurde rockiger und härter. Die Mannen um 'Nossi' führten das Publikum in eine Welt der deutschen Rockmusik, der man sich nicht entziehen konnte. Die Band präsentierte sich, wie eigentlich immer, in fantastischer Spiellaune und heizte dem Publikum kräftig ein. Stücke wie "Back From Hell", "Just Before The Sun Will Rise" und natürlich ihr absoluter Hit "Gamma Ray", ließen die Zuhörer zur Hochform auflaufen und die Musik in vollen Zügen genießen. Als dritte Band des Abends standen Ton Steine Scherben Family auf der Bühne. Ich hatte die Band vorher nicht gesehen und war ziemlich gespannt, was mich erwarten würde. Den Geist der Ton Steine Scherben tragen auch andere Bands weiter, wie würden es die 'Urmitglieder' der Scherben umsetzen? Und sie taten es richtig gut! Scherben-Musik vom Feinsten, starke Texte und die bekannten Songs der Band ( "Macht kaputt, was euch kaputt macht", "Wenn die Nacht am tiefsten….", …) ließen keinen Zweifel an der Klasse des Konzerts aufkommen. Besonders die Stücke, die von Angie Olbrich mit ihrer dunklen Stimme gesungen wurden, waren Gänsehaut erzeugend.
Den Abend beschloss die 1998 gegründete französische Band Lazuli. Sie gehört für mich zu den Geheimtipps des letzten Jahres. Die sechs Musiker präsentierten eine eigenwillig-intelligente Musik, die alle Aufmerksamkeit verlangt, um sie genießen zu können. Spannend war das Instrumentarium der Band. Neben den für Rockmusik typischen Instrumenten, verwendete die Gruppe Marimba und Vibrafon sowie ein vom Bandmitglied Claude Leonetti erfundenes Instrument, die Léode (vielleicht am ehesten mit einer Gitarre vergleichbar, jedoch ein mit einer unglaublichen Vielfalt an Klangmöglichkeiten versehenes Instrument). Die Musik der Band erschließt sich aus den Bereichen des Prog und der Weltmusik - eine sehr spannende Mischung, wie ich meine. Für mich zählte der Auftritt von Lazuli zu den Höhepunkten des ersten Festivaltages.
Der Freitag begann mit den energiegeladenen Klängen von Reggae, genau richtig, um für den langen Festivaltag in Stimmung und Schwung zu kommen. Die Fuldaer Band Mighty Vibez erweckte den Tag und begeisterte mit ihrer rhythmisch groovenden Musik. Was als nächstes kommen würde, kannte ich bis dato nur vom Hörensagen und vom Tonträger. Der Norweger Bjørn Berge, eine 'Ein-Mann-Blues-Kapelle', stieg oder besser, setzte sich auf die Bühne und eröffnete ein Bluesfeuerwerk, das es in sich hatte. B. Berge blueste durch das Konzert, dass es eine Freude war. Sein Stil, die Gitarre zu spielen, ist unglaublich, so schnell jagte er über die Saiten. Blues von einer eigenen Art, tief beeindruckend und absolut begeisternd.
Nach ihrem fantastischen Auftritt bei einem der letzten Festivals, stand als nächste die deutsche Band Bröselmaschine auf der Bühne. Sie präsentierte folkigen Rock, der ins Ohr ging und begeisterte das Publikum mit der perfekten Instrumentierung ihrer Stücke. Die Band um Peter Bursch zählt zu den ältesten, heute noch spielenden deutschen Folkrock-Bands.
Als nächstes stand der Gig des Liedermachers Götz Widmann auf dem Programm. Widmann, bereits zum dritten Male dabei, konnte das Publikum mit seiner Ein-Mann-Show fesseln, zum Lachen bringen und mit seinen sehr detaillierten Alltagsbeobachtungen humoristisch überzeugen. Der Liedermacher knöpfte sich u.a. Themen des (politischen) Alltags, die Globalisierung und den Umweltschutz vor, um auf Unzulänglichkeiten und Probleme hinzuweisen. Dies gelang ihm bestens, und dabei vermisste das aufmerksame Publikum die bekannten Seitenhiebe auf die Gesellschaft nicht. Parallel zum Auftritt G. Widmanns trat auf der Freakstage eine Band auf, von der man glaubte, es sei Deep Purple. War sie aber nicht, auch wenn die Musik zum Verwechseln ähnlich klang. Demon's Eye ist eine britische Deep Purple-Tributeband, die u.a. mit Klassikern wie "Fools" oder "Hush" die Zuhörer zum Jubeln brachte.
Gegen 21.00 Uhr trat eine Band auf die Bühne, auf die ich schon lange gewartet hatte. Viele Vorschusslorbeeren waren für Grobschnitt seit ihrer Reunion verteilt worden - nun stand die Band auf der Bühne des Burg Herzberg Festivals. »Heut ist ein schöner Tag…« - "Vater Schmidts Wandertag" war der Opener und sicherlich auch Programm des Konzerts. Neben drei Originalmusikern der Band, verstärkten auch drei Söhne der Musiker Grobschnitt und ließen das Konzert zu einem wahren Feuerwerk werden. Die Musik Grobschnitts, mal mit deutschen, mal mit englischen Texten, besticht durch Ideenreichtum und ist in verschiedenen musikalischen Stilen zu Hause. Höhepunkte des Konzertes waren die Performances von Teilen ihres Konzeptwerkes Rockpommels Land und von Solar Music. Beeindruckend war die pyrotechnische Bühnenshow, als am Ende von "Solar Music" ein wahres Feuerwerk auf der Bühne losging. Die Show war mit 2 ½ Stunden die längste des Festivals und die Band erntete den stürmischen Beifall der Zuhörer.
Den musikalischen Abschluss des Abends bildetet der Auftritt der Münchener Stoner Rock-Band Colour Haze. Das Trio überzeugte mit seiner Musik und seinem typischen Sound. Im Mittelpunkt standen Stücke aus ihrem neusten Album All.
Wer noch nicht genug hatte, konnte den Abend mit The Magnificent Brotherhood beschließen. Mit Fuzz-Gitarren und dominanten Orgelklängen verzauberte die Band die Fans und ließ sie in psychedelischen Himmeln schweben. The Magnificent Brotherhood ist ein Muss für die Freunde der psychedelischen Musik der 60er Jahre.
Der dritte Festivaltag wurde von einem alten Herren des Blues, Louisiana Red eröffnet. Er ist ein würdiger Vertreter des 'alten' Blues und ein Erlebnis ohnehin. Louisiana Red verstand es, mit wenigen Griffen auf seiner Gitarre den Blues lebendig und nachfühlbar zu machen. Ihm folgte die holländische Rocklegende Focus. Die Band hatte sich neu formiert und mit dem Organisten und Flötisten Thjis van Leer stand auch eines der Gründungsmitglieder auf der Bühne. Natürlich durfte man den typischen Focus-Sound erwarten. Die Gruppe spielte ältere Stücke und neueres Material. Mit "Hocus Pocus" erreichte das Konzert sicherlich seinen Höhepunkt. Begeisterte Fans dankten es mit stürmischem Jubel. Zur gleichen Zeit auf der Freakstage, stiegen die Musiker von Anthurus D'Archer auf die Bühne und ließen einen Orkan an Tönen und Klängen los, die man nicht erwartet hatte. Selten konnte man gewohnte Klänge hören - Schräges, Verzerrtes, Expressives war angesagt. Die französische Band, bestehend aus drei Gitarristen, einem Saxofonisten und Flötisten, erzeugten Klangteppiche der besonderen Art, die zum Beispiel auch einen Frank Zappa in Freude versetzt hätten. Anthurus D'Archer: Live eine unbedingte Empfehlung für alle, die es ungewöhnlich und manchmal etwas heftiger mögen.
Die polnische Band Riverside, die als nächstes die Bühne betrat, überzeugte das Publikum durch ihren kraftvollen und präzisen Rock. Im Mittelpunkt ihres Konzertes stand die Präsentation ihrer Alben Second Life Syndrome und Rapid Eye Movement, aus denen das Quartett ausgewählte Stücke vorstellte. Mit ihrer härteren Musik spielte sich die Band auch bei diesem Konzert in die Herzen der begeisterten Zuhörer. Leider war es während des Festivals schwierig, alle Bands, die man sehen und hören wollte zu erleben. Oft doppelten sich die Auftritte der sehr guten Bands. So auch hier, da zur gleichen Zeit die holländische Band Hypnos 69 mit ihrem harten 70er Jahre-Rock auftrat.
Auf der Hauptbühne war nun die Zeit für Steve Harley And Cockney Rebel gekommen. Im Laufe des Konzertes wurde die Band immer besser und besser, was zum Teil mit einigen technischen Schwierigkeiten zu Beginn des Sets zu tun hatte. Höhepunkte waren Stücke wie "Come Up And See Me" sowie "Sebastian". Das zu Beginn gespielte "Here Comes The Sun", ein Beatles-Cover, sollte wohl die aufziehenden Regenwolken vertreiben, leider ließ sich das Wetter nicht von der Musik überzeugen. So mussten die etwa 10.000 - 12.000 Festivalbesucher auch in diesem Jahr kräftige Duschen und Schlamm auf sich nehmen. Aber zum Glück dauerte der Regen nicht ganz so lange wie im Vorjahr, der sehr guten Stimmung des Festivals konnte er ohnehin nicht schaden.
Zur Abendstunde des Samstag stiegen dann die schottischen Waterboys auf die Bühne. Musik zum Tanzen, zum Singen und zum Freuen stand auf dem Programm. Die Stücke wechselten zwischen Songwriter-Material und folkigen Klängen. Besonders durch den Einsatz der Geige erhielten diese Songs ihr eigenes Gesicht. Was wollte man eigentlich noch mehr, als zum Stück "The Whole Of The Moon" der Vollmond aus den letzten Regenwolken hervor kam und das Geschehen beschien? Romantik pur!
Aufsehen erregte die britische Band Litmus, die mit ihrem Space Rock die Zuhörer in weit entfernte Sphären führte. Der jungen Band hörte man ihr großes Vorbild (Hawkwind der 70er Jahre) an. Wabernde Keyboards und rockige Gitarren, gepaart mit den rhythmischen Sounds des Basses und der Drums erzeugten ein Feeling für die Weiten, die man mit Musik erreichen kann.
Ein weiterer Höhepunkt zum späteren Abend war der Auftritt der Norweger von Motorpsycho. Das Trio zauberte endlos lange, rockig-verspielte und mitreißende Stücke, die die Fans zu großer Begeisterung animierten. Auch hier wurden meine Erwartungen positiv unterstrichen und das Konzert gehörte für mich zu den Highlights des Tages.
Die ungarische Psychedelicband Körai Öröm eröffnete mit ihren Soundteppichen bereits den neuen Tag, das Konzert endete erst in den frühen Morgenstunden.
Der Sonntag, jetzt wieder mit angenehmen und freundlichem Wetter, begann mit einem sehr guten Konzert der Berliner Ornah Mental. Die Band hat sich der Weltmusik mit Rockelementen verschrieben und steht in der Tradition von Embryo oder den Dissidenten.
Interessant wurde es am Nachmittag, als die Japaner Gocoo die Bühne betraten. Die mehr als 14 Musiker und Musikerinnen präsentierten ein Klanggefüge, das sich nahezu ausschließlich aus Trommelklängen zusammen setzte. Die Vielfalt der Rhythmen und der Schlaginstrumente faszinierte das Publikum ungemein. Der gelegentliche Einsatz eines Didgeridoos konnte die Musik von Gocoo weiter bereichern und eine ganz eigene Atmosphäre erzeugen.
Und dann kam Guru Guru. Die Band, die genau wie Birth Control bereits seit 40 Jahren existiert, betrat die Bühne. Mani Neumeier, verkleidet als Braut mit einem Krautkopf als Krone, hatte sich eine Persiflage auf den Krautrock, zu dem man die Band ruhig zählen kann, ausgedacht. Im Laufe des Konzertes verteilte er Kraut an die Fans. Weiterhin verstärkte ein Gastmusiker die Band - der Bandleader der japanischen Acid Mother's Temple, Kawabata Makoto. Und dann ging es los mit der Musik von Guru Guru. Leider traten einige technische Pannen auf, die den Sound nicht positiv beeinflussten, aber Mani Neumeier, Profi genug, fand passende humoristische Mittel, diese Probleme zu überbrücken. Außerdem konnten jubelnde Fans eine unfreiwillig lange Version von "Pow Wow" genießen, die sie so schnell nicht wieder zu hören bekommen. Natürlich fehlten die Klassiker wie "Living In The woods" und der "Elektrolurch" nicht.
Den Abschluss dieses guten und erlebnisreichen Festivals bestritten die Musiker der Burg Herzberg Allstar Bluesband auf der großen Bühne und Siena Root auf der Freakstage.
Herzberg 2008 ist Geschichte, eine gute Geschichte mit vielfältigen musikalischen Darbietungen, klasse Konzerten und einem tollen Umfeld. Es ist sehr angenehm zu spüren, wie gut alles organisiert ist, so dass man sich als Festivalbesucher sehr wohl fühlen kann. Großen Dank sei den Organisatoren, den Machern und den Helfern des Festivals an dieser Stelle gesagt.