Die Entscheidung als solche war eigentlich gar keine, denn eine der ersten Shows von Hogjaw auf der aktuellen Tour sollte nur 'unweit' meines Urlaubsortes stattfinden und im Dienste der Sache nimmt man dann ja auch gern mal über zwei Stunden Fahrzeit auf sich. Der Gig war im Wild At Heart in Berlin-Kreuzberg angesetzt und meine Erkundigungen über diesen mir natürlich unbekannten Laden ließen so einiges versprechen. Da der Support-Act erst für ca. 22:30 Uhr geplant war, blieb ausreichend Zeit, mir die Location anzusehen und ein paar Facebook-Freundschaften durch echtes Kennenlernen zu ersetzen, so auch mit Carmen vom Promoter Teenage Head Music, die dort u. a. für Presse und PR verantwortlich zeichnet. Zudem stiefelten die Jungs von Hogjaw immer wieder durch die Bar, guckten sich die Vorgruppe an und ich hatte die Gelegenheit, ein nettes Gespräch mit dem Bassisten Elvis DD zu führen, den ich kurz zuvor auch schon interviewen durfte.
Irgendwann war es dann auch soweit und der erste Teil der Show konnte mit der Berliner Band Firerazor als Anheizer beginnen. Der Laden war mittlerweile gut gefüllt und das Trio auf der Bühne machte einen wirklich fantastischen Job. Im Publikum gab es so einige textsichere Fans, die nicht nur durch den üblichen Applaus ihre Begeisterung zum Ausdruck brachten. Da wurde nicht nur auf der Bühne kräftig abgerockt und der allgemeine Zuspruch ließ die starke Vermutung zu, dass die Jungs nicht zum ersten Mal einen so gefeierten Auftritt wie an diesem Abend hatten. Die Umbaupause ließ gerade mal genügend Zeit, ein frisch Gezapftes zu organisieren und dann ganz vorne Stellung zu beziehen. Die niedrige Bühne im Wild At Heart lässt richtig Tuchfühlung zu und es blitzten in den vorderen Reihe so einige T-Shirts von der letztjährigen Hogjaw-Tour auf. Irgendwie hatte sich mittlerweile auch die Zusammensetzung der Zuschauer etwas vom Punkabilly hin zum gesetzteren Alter gewandelt. Der Phänotypus ging nun deutlich in Richtung Southern Rock, ein Anblick, der uns heutzutage ja nicht mehr so oft gegönnt wird.
Mit einem fetten "Rollin' Thunder" machte sich das Quartett aus Arizona dann ans Werk und es dauerte höchstens gefühlte drei Sekunden, bis das Publikum auch voll dabei war. Von Firerazor auf eine vernünftige Betriebstemperatur gebracht, brauchte es jetzt nur wenige Töne aus den beiden Les Pauls von Jonboat und Kreg, um die vielen Beifallsexplosionen im Publikum zu zünden. Elvis DD hatte mir im Vorfeld gesagt, dass es eine schöne Mischung aus Songs aller drei Scheiben geben würde und so bekamen wir neben dem Opener auch noch "Ain't Ever Gonna Win (Without A Little Bit Of Sin)" von der Ironwood zu hören, ein zweiter dicker Kracher des Sets. Kleiner Einschub: In einer kurzen Zwischenansage wurde ich als Vertreter von RockTimes namentlich begrüßt und es kamen im Anschluss an das Konzert mehrere Gäste auf mich zu, um der gesamten Redaktion hohes Lob für die Qualität der Arbeit hier auszusprechen. Das Sprichwörtliche stinkt zwar, aber ich möchte es nicht unerwähnt lassen und diesen Menschen nochmals dafür danken, denn solche Worte der Anerkennung lassen den manchmal nicht ganz einfachen Job in einem anderen Licht erscheinen und motivieren ungemein (wo wir doch ansonsten nach dem Motto 'Nicht gescholten ist Lob genug!' leben…).
"Hells ½ Home Of Mine" eröffnete dann den Reigen der neuen Stücke von der unlängst erschienenen Sons Of The Western Skies und auch hier gab es sofort eindeutige Reaktionen der Zuschauer. Keine Andeutung von verhaltenem Abwarten, wie denn so dieses neue Material ankommen würde. Nicht wenige Lippen bewegten sich zumindest beim Refrain mit, um nicht zu sagen, es wurde laut gegrölt. Auch "Road Of Fools" und "Six Shots" im unmittelbaren Anschluss kamen von der neuen Scheibe und haben neben ihrer unbestrittenen Qualität als Studiofassungen auch die Feuerprobe auf der Bühne bestanden. Danach gab es dann wieder einen Wechsel zum zweiten Album "Ironwood" und bei "County Line" durfte das Publikum mal kurzzeitig ein wenig in balladenhaftes Schwelgen abdriften. Nicht nur dieser Song, der gesamte Auftritt stand im kontinuierlichen Wechsel zwischen galoppierenden Rhythmen, produziert vom hämmernden Bass Elvis DDs sowie dem unermüdlich arbeitenden Drummer Kwall und den fast schon hypnotisierenden Double Leads Jonboats und Kregs. Oh Mann, leider bekommen wir so etwas heute nur noch viel zu selten live geboten.
Keine Show von Hogjaw ohne ihr Markenzeichen "Gitsum", dessen Video zwar für einige Kontroversen gesorgt hatte, aber trotzdem oder gerade auch deswegen eines der Aushängeschilder des Debüts Devil In The Details ist. Unterbrochen vom neuen "Dirty Woman" geht es danach noch einmal zum Erstling und "This Whiskey" beendet das reguläre Set. Ohne sich vom Publikum lange feiern zu lassen, begab sich die Band dann direkt in die erste Zugabe und wir hörten eine schöne Interpretation des alten Freddie King-Klassikers "Goin' Down", der vom Publikum aufgenommen wurde, als wäre es ein bandeigener Song. Und dann, endlich, endlich (ich hatte es zwar schon auf der Setlist entdeckt und es war mir auch so zugesagt worden) kam mein Favorit "Look To The Sky" und entführte uns noch einmal in die sphärischen Weiten der Wüste von Arizona. Und als ob es damit nicht genug gewesen wäre, folgten noch zwei weitere Songs, die dafür sorgten, dass die (mit-)singenden Kehlen ordentlich staubig und bereit für das gemeinschaftliche Trinken im Anschluss an eine grandiose Show im Wild At Heart waren. Dieser erst gegen 04:00 Uhr endende Abend hatte sich von Anfang bis zur endlos wirkenden anschließenden Fahrt auf der Autobahn absolut gelohnt und ich freue mich bereits darauf, den Vierer in wenigen Tagen im belgischen Spirit Of 66 wiedersehen zu können. Hell yeah!!
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