Nein, es war wieder mal nicht im Ansatz eine Frage des Abwägens von Alternativen: Wenn die Wüstenrocker aus Arizona im Spirit of 66 aufspielen, dann hat ALLES andere hinten anzustehen. Waren sie zwar gerade erst wenige Tage zuvor quasi in Tuchfühlung mit meinen Augen und Ohren über die Bühne des Wild At Heart in Berlin gedonnert, so konnte ich mir diese Chance dennoch nicht entgehen lassen - 20 minutes from home. Die Setlist sollte ja von Show zu Show zudem ein wenig variieren und selbst wenn das nicht der Fall wäre, ein Veto war im Wortschatz nicht enthalten. Und außerdem hatte ich mir neben "Look To The Sky" auch eine Live-Version von "El Camino" beim Bassisten Elvis DD gewünscht und ich wollte doch mal wissen, ob das auf offene Ohren gestoßen war.
20:00 Uhr im belgischen Verviers, der große Parkplatz gegenüber war von den Fahrgeschäften des alljährlichen Rummels blockiert - wie schon im Jahr zuvor beim Hogjaw-Gig - sodass das Abstellen des Autos mit ein paar mehr Schritten zu Fuß verbunden war. Ein Blick ins Spirit offenbarte eine überschaubare Zuschauerzahl, die üblichen Verdächtigen, die sich auch sonst bei Southern- oder Bluesrock-Konzerten hier aufhalten. Ohne Support sollte der Auftritt am heutigen Dienstag über die Bühne gehen, also noch Zeit für ein wenig Fachsimpelei beim Bierchen vor der Türe. Überpünktlich rissen uns dann die ersten Töne um halb Neun aus unseren Gesprächen und ließen uns rasch einen Platz vor der Bühne belegen. "Rollin' Thunder" eröffnete das Set des Abends und es dauerte auch hier in Belgien nur wenige Augenblicke, bis die ersten nickenden Köpfe und wippenden Körper für eine höhere Schlagfrequenz der Herzmuskulatur sorgten. Der fette Einstieg in die Show rief dann natürlich auch den entsprechenden Beifall auf den Plan und von nur wenigen begrüßenden Worten des Frontmannes Jonboat Jones unterbrochen ging es direkt mit dem neuen Album Sons Of The Western Skies weiter, das ja neben dem Querschnitt älterer Songs während der aktuellen Tour vorgestellt werden sollte. "Hells Half Home Of Mine" schildert von des Sängers Erfahrungen mit einem unlängst erfolgten Arztbesuch, in dessen Verlauf ihm ein gesünderer Lebenswandel ans Herz gelegt wurde. Sicherlich kein leichter Schritt für diesen Whiskey und andere angenehme Dinge liebenden Mann. Irgendwie müssen die zwei Meter und 150 Kilo doch versorgt werden…
Mit "Aint Ever Gonna Win (Without A Little Bit Of Sin)" ging es dann wieder ein Stückchen zurück zum Zweitwerk Ironwood. Es war erneut eine wahre Freude, diese von Double-Leads geprägten Songs zu hören und zu sehen. Wobei das Sehen im Grunde auf das druckvolle Schlagzeugspiel Kwalls und den einzigartigen, sich wirklich ständig in Bewegung befindlichen Bassisten Elvis DD beschränkt ist. So sehr das Gitarrenspiel von Jonboat und seinem Counterpart Kreg Self an der zweiten Les Paul auch 'bewegt' und mitreißt, so wenig lassen sie sich selber zu ekstatischen Zuckungen hinreißen. Mehr als ab und zu mal eine Drehung nach rechts oder links wird man kaum wahrnehmen können, Jonboat steht wie der Fels in der Brandung. ABER, das tut dem Feeling und Herzblut, mit dem sie arbeiten, nicht auch nur ansatzweise einen Abbruch. Und gerade bei Stücken wie z. B. "County Line", das uns nach den beiden neuen Hämmern "Road Of Fools" und "Six Shots" dann eher in balladenhafte Gefilde entführte kommt eben das so unglaublich und lange nicht mehr so intensiv gefühlt rüber. Die Jungs meinen jedes Wort und jede Note ernst! Weiß Gott ist eine Hogjaw-Show aber keine bierernste Angelegenheit und so sprang auch dieses Mal der Bassist Elvis DD wieder ins Publikum, um ein wenig im Pulk der Zuschauer abzurocken.
"Gitsum" und "Before Monday Come" sorgten dann dafür, dass des Blutes Wallungen noch ein wenig intensiver wurden. Offensichtlich kannte jeder Zuschauer das berühmt-berüchtigte Video zu erstgenanntem Song, denn das wissende Kopfnicken im Publikum nach der Ansage ließ da keinen Zweifel dran. Und dann endlich der Song, der sich - und ich habe schon mit vielen darüber geredet - möglicherweise zur Hogjaw-Hymne entwickeln wird: "Look To The Sky", das eh schon voll von so intensiver Musik ist und trotzdem jedes Mal noch Platz für etwas mehr bietet. Hätte ich ein Clapometer gehabt, es hätte nach diesem Song sicherlich die stärksten Ausschläge zu verzeichnen gehabt, so gut hat es den Fans gefallen. Über "This Whiskey" und das "Goin' Down"- Cover, wieder von Kwall gesungen, kamen wir dann zu "Spoonfed", erneut vom neuen Album, das uns wieder gehörig um die Ohren geknallt wurde. Dieses und auch das unmittelbar darauf folgende wirklich grandiose "Blacktop" waren nicht Teil des regulären Sets kurz zuvor in Berlin gewesen und boten somit ein wenig Abwechslung - nicht, dass das nötig gewesen wäre.
Das Publikum war eh schon auf 180 und freute sich über "Dirty Woman" und auch über den erneuten zeitlichen Rückblick auf das Debütalbum Devil In The Details, der uns mit "Junga" geboten wurde. Nur kurz ging es danach backstage, man konnte es noch nicht einmal eine Verschnaufpause nennen, aber die Zuschauer wollten mehr. Und mehr bekamen sie auch. Die Zugabe bestand an diesem Abend aus "Swamp", ebenfalls vom Debüt und, kaum zu glauben, dem mehr als eingängigen "El Camino". Dieser wahrlich gelungene Abschluss eines starken Sets, das lediglich soundmäßig ein paar Abstriche zu verzeichnen hatte, entließ uns mit der Gewissheit an die Bar, dass noch nicht alle Hoffnung vergebens ist: Look to the sky, Southern Rock ain't dead yet. Wie auch bei den Gigs zuvor, erfuhr die Band regen persönlichen Zuspruch und ließ es sich nicht nehmen, sämtliche CDs, und was auch immer man am Stand von Carmen und Manny käuflich erwerben konnte, zu signieren, bevor es dann zum freundschaftlichen Schmauchen geschmuggelter kubanischer Zigarren mit Elvis DD kam. Thanks bro, smooth one indeed!
Bilder vom Konzert
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