Jessy Martens Band Kniestedter Kirche, Salzgitter 17. Januar 2014 Stil: Rock Konzertbericht Artikel vom 23.01.2014 Jürgen Bauerochse

So langsam wird es zur Gewohnheit: Bereits zum dritten Mal hintereinander begann ein Konzertjahr von mir unter dem Motto 'Blues in der Kirche'. 2012 stand die Jimmy Reiter Band auf der Bühne des ehemaligen Gotteshauses in Salzgitter-Bad und überzeugte mit einem tollen Gig. Anfang 2013 enterte Deutschlands Rocklady Nummer eins zum ersten Mal die Kniestedter Kirche mit der tollen Akustik und sorgte gleich mal für ein volles Haus. Dieses Konzert und die besondere Atmosphäre hinter den dicken Mauern schien auch Jessy Martens beeindruckt zu haben, denn an diesem Freitagabend, im Januar 2014, eröffnete die Band erneut das Veranstaltungsjahr in der 'Kniki'. Schön, dass die kleine Hamburger Shouterin trotz ihres steigenden Bekanntheitsgrades auch weiterhin in relativ kleinen Locations unterwegs ist und somit den direkten Kontakt zum Publikum zu schätzen weiß.

So war es also auch nicht verwunderlich, dass die Veranstalter mal wieder ein 'Ausverkauft' vermelden konnten und die RockTimes-Abordnung mit einem breiten Grinsen im Gesicht begrüßten. Auch Kult-Moderator Florian von Radio Okerwelle, der sich bei allen wichtigen Konzerten in der Region rumtreibt, war wieder mit dabei und wollte sich diesen Auftritt nicht entgehen lassen. Auch nicht selbstverständlich, denn im Normalfall ist es so gar nicht seine Art, dieselben Acts in so kurzer Zeit hintereinander mehrmals zu begutachten. Auch einige Kollegen der Lokalpresse waren mit dabei. Man sieht also, dass dieser Gig schon eine gewisse Bedeutung für unseren Landstrich hatte, in dem sich die Größen der Rockmusik nicht gerade die Klinke in die Hand geben.

Bei der Jessy Martens Band hatte sich in der Zwischenzeit so Einiges verändert. Nach dem letztjährigen Auftritt in Salzgitter verließ Stamm-Keyboarder Jan Fischer das Quintett, um sich ausschließlich um das Management der Gruppe zu kümmern. Doch diese Umbesetzung war lange vorher angekündigt und konnte deshalb relativ problemlos über die Bühne gehen. Härter traf die Band dann wohl doch der Abgang des Gitarristen Roman Werner vor einigen Wochen, dessen großes Können am Sechssaiter immer zu den Highlights der Konzerte gehörte. So gibt es zurzeit noch keinen festen neuen Mann im Line-up der Band. Man arbeitet mit mehreren Klampfern im Wechsel zusammen, sodass an diesem Freitagabend Dirk Czuya die Saiten quälte - und seine Sache sehr gut machte, obwohl die Soloeinlagen etwas knapper ausfielen als gewohnt.

Was sich schon beim aktuellen Studio-Album Break Your Curse andeutete, wurde dann auch bei der zweieinhalbstündigen Show ganz deutlich. Jessys Ansage auf der Live At BluesBaltica-Scheibe »Ihr seid hier auf einem Blueskonzert gelandet« trifft momentan auf den Gruppensound der Jessy Martens Band nicht mehr zu. Der 12-Takter spielt nur noch eine ziemlich untergeordnete Rolle. Lediglich bei einer Coverversion von Koko Taylor und, mit Abstrichen, bei Ray Charles' "I Don't Need No Doctor" war er noch zu hören. Selbst die blueslastigsten Stücke des ersten Albums wurden nur gestreift. Der Einfluss der reinen Rockmusik hat ganz klar das Kommando übernommen. Natürlich beherrscht der Fünfer diesen Stil ebenfalls perfekt - für mich als Anhänger des Blues und Blues Rocks ist es allerdings sehr schade.

Doch diese trüben Gedanken wischte Jessy Martens vom ersten Ton des Konzertes spielend weg. Dieser kleine Derwisch hat buchstäblich einen 'Fisch im Arsch'. Ich möchte nicht wissen, wie viele Kilometer sie während eines Auftritts so runter reißt. Ständig misst sie die Bühne von einem zum anderen Ende aus oder tänzelt spielerisch auf der Stelle. Stillstehen ist nicht. Dazu spielt sie ohne Ende mit dem Publikum, und so fällt es ihr ganz leicht, die Leute auf ihre Seite zu ziehen. Diese Power wirkt absolut ansteckend und man kann sich ihr einfach nicht entziehen. Das ist einfach großartig! Eigentlich ist es müßig zu erwähnen, dass sie auch wieder den obligatorischen Ausflug durch den Saal unternahm und sich so ihren Fans hautnah präsentierte. Sie ist einfach die perfekte Entertainerin, die ihr Publikum spielend um den Finger wickeln kann.

Doch das Beeindruckendste ist und bleibt natürlich die Stimme der Lady aus der Hansestadt. Da sitzt jeder Ton, egal, ob ein harter Rocksong voller Intensität oder eine einfühlsame Ballade angesagt ist. Jeder Schrei, jedes Knurren und Stöhnen kommt auf den Punkt genau und wechselt blitzartig in ganz zarten Gesang, der mitten ins Herz trifft. Bestes Beispiel dafür war der letzte Song des Abends "Human Nature", mit dem auch das aktuelle Album ausklingt, den Jessy nur mit der Begleitung von Keyboarder Markus Mosch bestritt und dabei die Zuhörer in eine ganz bedächtige Stille versetzte. Leider blieb das aber die absolute Ausnahme, denn wieder mal waren jede Menge Labertaschen im Publikum, die zu keinem Zeitpunkt die Klappe halten konnten und damit einzelne Songs so sehr störten, dass selbst Jessy so einige Kommentare dazu abließ. Und das völlig zu Recht. Schade, dass diese Unart immer wieder zu erleben ist. Für mich ist das eine Respektlosigkeit ohnegleichen vor den Künstlern!

Für alle anderen Musikbegeisterten waren diese einhundertfünfzig Minuten voller anspruchsvoller Sounds ein wahrer Hörgenuss. Der ausgezeichnete Bassist Christian Hon Adameit und auch Keyboarder Markus Mosch konnten ihr Können an den Instrumenten in Soloeinlagen ausführlich unter Beweis stellen, und Drummer Christian Kolf legte ein grundsolides Fundament für die Stücke. Und über allem thronte eine überragende Sängerin, von der wir in Zukunft noch so Einiges erwarten dürfen. Hoffentlich bleibt sie auch weiterhin den kleinen Clubs treu. Und wenn das so ist, dann freue ich mich schon auf den Beginn meines Konzertjahres 2015, wenn dann wieder 'Blues in der Kirche' mit Jessy Martens angesagt ist.

Wir bedanken uns ganz herzlich bei Antje Fischer und ihrem Team von der Stadt Salzgitter für die problemlose Akkreditierung und die nette Betreuung.

Line-up:
Jessy Martens (vocals)
Dirk Czuya (guitar, backing vocals)
Christian Hon Adameit (bass, backing vocals)
Markus Mosch (keyboards)
Christian Kolf (drums)