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Pendragon / Out Of Order Comes Chaos
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Schon wieder eine DVD? Pendragon bzw. das Label Metal Mind lassen wirklich nichts anbrennen. Schon das 2008er-Studioalbum Pure wurde im Folgejahr mit einer DVD-Veröffentlichung geadelt. Und Passion von 2011 gleich wieder. "Out Of Order Comes Chaos" ist also die zweite Konzert-DVD der Band binnen drei Jahren, erneut aufgenommen in Metal Minds Haus- und Hof-Bühne, dem Wyspianski Theater in Katowice. Also was ist neu? Bandboss Nick Barrett und sein Tastenflitzer Clive Nolan dürften beide jeweils ein, zwei Pfund mehr unterm Hemd haben - natürlich nicht weiter schlimm. Außerdem hat Barrett inzwischen schon ein paar mehr Sätze auf Polnisch drauf - das kommt prima an. Und: Pendragon schaffen doch tatsächlich das Kunststück, gegenüber der Vorgänger-DVD nur mickrige zwei Songs - in Worten: ZWEI - in ihrer Setlist zu wiederholen. Respekt!
Das liegt natürlich teils am neuen Material, das es unters Live-Volk zu bringen gilt. Und die Band weiß wohl selbst, was für ein großartiges Album "Passion" ist, denn immerhin vier Stücke werden gespielt. Mit dem Titelstück "Passion" fängt die Show allerdings eher durchwachsen an. Festzuhalten ist zunächst, dass die enorme Bannwirkung des aktuellen Songmaterials mit seinen zahlreichen Samples und Effekten prima wirkt. Die gegenüber der letzten DVD, "Concerto Maximo", weiter ausgebaute Optik des Auftritts tut das seine dazu. Auf gleich vier Bildschirmen im Hintergrund werden Sequenzen abgebildet, die die Ausstrahlung der Songs verstärken, in diesem Fall unter anderem Tarot-Karten-Motive. Die Musik ist heavy und dramatisch - die Bühne schimmert in einem heftigen Lichtergewitter. Aber Nick Barretts Stimme kann in diesen tieferen Lagen nicht ganz überzeugen.
Doch gleich im folgenden "Back In The Spotlight" vom 91er-Album "The Wood" ist der sympathisch-wuselige Frontmann voll in seinem Element. Klar, ein hervorragender Sänger ist Barrett ohnehin nicht, aber manche Tonlagen kommen ihm hier eher entgegen. Die Brillanz der Darbietungen steigert sich beinahe von Stück zu Stück. Wenn das an alte Marillion angelehnte "Ghosts" zwischen Träumereien und speediger Achterbahn pendelt, "Not Of This World" urige Genesis-Momente aufblitzen lässt (welch ein Gänsehaut-Intro!), "Comatose" im XL-Songformat gilmouresk brilliert oder "If I Were The Wind" ähnlich glitzert wie Shine On You Crazy Diamonds - Pendragon sind eine hervorragende Band zwischen Retro- und Neo Prog voller Charme und Zauber. Aber ... rückwärts gewandt?
Ach was! Der holprige Start wird wieder ausgebügelt mit einigen Volltreffern der sehr jungen Bandgeschichte, in der man erfrischend modern und wenig 'vergeistigt' klingt. Ein Beweis: Die sehr straighte, kantige Düster-Packung "Freakshow" vom "Pure"-Album - der einzige Doppler gegenüber dem letzten Live-Dokument neben dem ebenfalls sehr kompakten "Window Of Life"-Track "Nostradamus". Das sind summa summarum gerade mal ein paar Minuten Überschneidung. Pendragon sind wirklich nach Katowice wiedergekommen, um ihre Mission fortzuführen, könnte man sagen. Unter anderem mit der Aufführung sehr klassisch (und zeitlos) klingender Prachtstücke wie "Last Man On Earth" oder "Prayer" - wiederum Stücke mit perfekter Pendragon-Power-Atmo und hohen Vocal Lines voller Leidenschaft - klasse!
Aber auch die vielen neueren Stücke fügen sich nun immer besser in die Gesamtdarbietung der Band ein, in der Drummer Scott Higham inzwischen fühlbar 'angekommen' ist. Mit den weiteren Tracks des aktuellen Albums gelingen sogar richtige Live-Highlights. Das apokalyptisch-fesselnde "Empathy" mit seinem Sprechgesang-Part und ausdruckstarker Gestik Nick Barretts wirkt mitreißend, nahezu hypnotisierend. Und die Melodien von "This Green And Pleasant Land" (»Take Only What You Need ...«) wirken heilsam schön. Nach anfänglichem 'Fremdeln' überzeugt mich der neue Pendragon-Stoff also auch in der Live-Fassung vollends. Und dass die Band mit ihren Klassikern ohnehin bei den treuen Fans einen Stein im Brett hat, zeigt der Mitsing-Wille beim Rausschmeißer "Paintbox".
Das Fazit: Das Auflegen einer neuen DVD nach so kurzer Zeit ist alles andere als überflüssig. Sogar die Regie und Kameraführung des polnischen Filmteams ist auffallend gelungen. Vielleicht liegt es an der Eingespieltheit nach so vielen Konzertmitschnitten, dass man zunehmend experimentell zu Werke geht. Gerade bei einer Prog-Band wie Pendragon mit durchaus komplexen Strukturen und spannungsgeladenen Atmosphären passt das prima, wenn Protagonisten aus ungewohnter Perspektive gefilmt werden oder eine Kamera mal ganz und gar unorthodox von einem Motiv zum nächsten reißt, statt ruhig und altbacken navigiert zu werden. "Out Of Order Comes Chaos" lohnt sich wirklich!
... und nach diesem Fazit noch etwas zum Bonusmaterial. Wer möchte, kann sich noch gut 70 Minuten in drei durchschnittlich interessanten Videos verlieren. In einem viertelstündigen Interview lässt sich Nick Barrett einige persönliche Ansichten zur musikalischen Entwicklung der Band entlocken und sich dabei nicht durch die lustlose Art des Fragestellers entmutigen (im Gegenteil ...). "... Some Of The Order" schaut - etwas steif - hinter die Kulissen des Konzerts. Und "... Some Of The Chaos" ist eine dreiviertel Stunde Material, das die Band per Handycam selbst auf Tour gedreht hat. Die Qualität ist sehr wechselhaft, aber darauf kommt es natürlich nicht an. Es gibt auch nachdenkliche Momente, wenn es um den Tod des Pendragon-Freundes und Metal Mind-Gründers Tommy Dziubinski geht. Und richtige Fans werden sich mit solchen Tourbus-Dialogen amüsieren: »How is the tour going?« - »I shall reign the world soon!«
Line-up:
Nick Barrett (guitars, vocals) Peter Gee (guitar, bass, bass pedals, keyboards, backing vocals) Clive Nolan (keyboards, backing vocals) Scott Higham (drums, backing vocals)
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