Symphony X, Pagan's Mind, DGM
04.10.2011, Colos-Saal, Aschaffenburg
Rocktimes Konzertbericht
Symphony X, Pagan's Mind, DGM
Colos-Saal, Aschaffenburg
04. Oktober 2011
Konzertbericht
Stil: Prog Metal

Review vom 13.10.2011


Boris Theobald
DGMDer Colos-Saal ruft zu einem amtlichen Prog-Spitzentreffen inklusive seltener Besetzungsanomalitäten ... und den Anfang macht ein italienischer Fünfer, der bis dato mal so komplett an mir vorbeigegangen war: DGM! Die gibt es schon seit Mitte der 90er, ab sofort auch in meinem Hinterstübchen und demnächst auch in meinem Plattenregal! Nachdem der erste Song im Klangbrei unterging, ist ab der zweiten Nummer alles roger an den Reglern, und die Band beeindruckt mich mit hübsch verproggten Metal-Hymnen. Besonders auffällig: Die Nummern sind seeeehr eingängig und gehen runter wie Öl!
DGMExtrem melodisch, so wie man Italo-Progger kennt, erinnern mich DGM an Kollegen wie Empty Tremor und ein bisschen auch Labyrinth ... gerne schnell, aber doch etwas Prog-lastiger. Anleihen von Dream Theater und auch dem Hauptact des Abends, Symphony X sind deutlich. Ultrabekömmliche Gitarren- und Keyboardkünste - und Sänger Mark Basile als sympathisches Kraftpaket, der dem Ganzen mit seiner hohen, klaren Stimme unheimlich viel gibt. Das Publikum geht schon bei DGM recht gut mit und reckt gern die Ärmchen in die Luft - klares Zeichen: Die Band kommt an.
Pagan's MindUnd nun kenne ich mich auch aus: Pagan's Mind - alle Platten im Schrank, aber noch nie live gesehen! Und dann so was ... Sänger Nils K. Rue ist verhindert und kann in Aschaffenburg und zwei weiteren Locations in Deutschland nicht mit seiner Band auftreten - aus wichtigen Gründen, die er allerdings nicht näher erläutert hat; das ist auch zu respektieren. Wir sind also Zeugen eines 'historischen' Gigs, bei dem er von gleich zwei (!) Sängern vertreten wird: Michael Eriksen und Truls Haugen von
Circus Maximus.
Pagan's MindEriksen ist ja hauptamtlich Sänger - und Haugen Drummer ... zumindest bei CM - bei Beyond Twilight ist er Lead Sänger. Megatalent im Überfluss - 'It takes two to replace a Rue', sagten die beide schon bei der Ankündigung dieser Sondermaßnahme. Im Colos-Saal gibt es eine exzellente Job-Aufteilung. Los geht es mit dem Opener vom aktuellen Album, "Eyes Of Fire" mit Sänger Michael Eriksen - eine Wahnsinns-Stimme! Die Gesangsleistung ist überirdisch, ohne dass er dabei wahnsinnig überanstrengt wirken würde ... so kannte ich das schon von ihm.
Pagan's MindNeu für mich ist die Band drumherum ... Absolut beeindruckend, mit welchem Wums Pagan's Mind spielen! Dieser unglaubliche Druck auf CD - sie liefern das 1:1 auch auf der Bühne. Ich frage mich, was sie da anders machen als andere Bands ... aus unerfindlichen Gründen ist es tatsächlich ein ganz eigener Sound. Die ballern. Progressive Power Metal! Naja, auch rein optisch sind die ja - den schmalen Gitarristen Jørn Viggo Lofstad ausgenommen - echte Kraftpakete. Und zwar welche, die unglaublich sympathisch rüberkommen!
Pagan's MindDer zufrieden grinsende Keyboarder Ronny Tegner mit mörderischen Flitzesoli, die man so einem gemütlich aussehenden Wuchtbrummer gar nicht zutrauen würde (das Instrumentalstück "Coming Home" - klasse!), und Bass-Bär Steinar Krokmo mit seinem gar nicht so kleinen und trotzdem sehr engen Rush-Shirt ... och, mit denen kann man bestimmt gut zusammen ein Bierchen trinken! Ihre Performance ist tadellos und bestätigt im Übrigen auch meinen Eindruck, dass "Heavenly Ecstasy" mit seinen eingängigen Metal-Perlen ihr bislang bestes Werk ist!
Pagan's MindDrei Songs davon haben sie im Gepäck. Bei "Intermission" kommt Zweitsänger Truls Hauge auf die Bühne - seine Lead Vocals klingen ganz anders als Eriksens und sind ebenfalls überragend. Geiles Organ! Besonders seine übermenschlichen Screams sind umwerfend. Danach torkelt er schon mal in simulierter Benommenheit über die Bühne - und auch ansonsten ist den Jungs der Spaß an dieser seltenen Zusammenkunft deutlich anzumerken!
Pagan's MindEinige Songs bewältigen die Gastsänger gemeinsam, das heißt im Doppel bzw. abwechselnd. Hauge übernimmt das Gekeife bei "God's Equation" und dem bombastischen Band-Klassiker "Through Osiris' Eyes". Einige Refrains wie bei "United Alliance" gibt's im Doppel - einfach krass! Mein Highlight des Abends ist auch mein Highlight auf dem aktuellen Album: "Walk Away In Silence", eine Gänsehauthymne mit ganz viel Queensrÿche-Anleihen. Viel Power, viel Gefühl, klasse Auftritt.
Pagan's Mind      Pagan's Mind      Pagan's Mind
Symphony XAuweia - wenn Symphony X jetzt einen schlechten Tag haben ... haben sie aber nicht. Nach etwas zu langer Umbaupause stürzt die Band mit dem High Tech-Düster-Power-Prog des
neuen Albums über die verdutzten Anwesenden her. Es beginnt erwartungsgemäß mit dem Opener "Iconoclast". Absolut lässig zocken die vier Instrumentalisten diesen technischen Tornado runter ... Lepond routiniert am Bass, Pinnella gewohnt grimmig hinter seinen Tastaturen, Rullo mit vollem Körpereinsatz und gefühlten vier Beinen und acht Armen, und Romeo mit diesem geilen, leeren Blick und offen stehender Futterluke ... einfach kultig!
Symphony XRussell Allen stürmt die Bühne. Er gestikuliert wie ein Berserker und singt wie ein Besessener. Er legt alles Unheilvolle und Schaurige der Texte in sein bedrohliches Schauspiel - und singt tadellos. Nie war er besser in Form als jetzt, wenige Wochen nach seinem Vierzigsten. Keine Kompromisse, volles Programm. Er nimmt alle Schwierigkeiten, singt nie 'unten rum', sondern wenn's sein muss noch im Gegenteil, macht noch ein paar Stimmband-Schlenker in höhere Regionen. Grandios.
Die Gäste im Colos-Saal empfangen die Amis äußerst frenetisch - derart sogar, dass Allen sichtlich beeindruckt während des Applauses längere Zeit staunend verharrt und anerkennend nickt. Und wie sind denn die drauf? Am Ende spielen Symphony X das komplette neue Album am Stück, volle Kanne auf die Zwölf. Nur in leicht geänderter Reihenfolge und inklusive "Electric Messiah" von der Bonus-CD. Als Zugabe drei mal "Paradise Lost". Und die einzigen beiden älteren Stücke sind ausgerechnet mit "Inferno (Unleash The Fire)" und "Of Sins And Shadows" auch Brecher vor dem Herrn.
Symphony XRussell Allen powert durch und verliert während des Gigs bestimmt literweise Porenwasser, während Kollege Romeo sich sein mattes Antlitz bewahrt. Der weicht nämlich keinen halben Meter aus dem Wirkungsbereich seines Front-Ventilators. Besonders schön ist es natürlich, wenn er sich für seine Soli exakt in der Windschneise postiert, und dann die Haare im Spotlight flattern, während die Finger neoklassisch-Malmsteen'esk übers Griffbrett flitzen. Ach Mensch, der Mann ist klasse!
Symphony XEs ist der bislang härteste Gig der Band, den ich gesehen habe, was natürlich an der Songauswahl liegt. Mensch, sind die auf Krawall gebürstet! Kleiner Nachteil: Beim entsprechend knallharten Gesamtsound kommen Pinnellas Keyboards nur selten zur Geltung. Auch die gewohnt brillanten Backing Vocals kann die Band eigentlich nur bei "Of Sins And Shadows" präsentieren. So wie so: Ein, zwei magische Nummern der 'alten' Symphony X hätte ich schon hören wollen - "The Accolade", Through The Looking Glass" oder was auch immer.
Symphony XDennoch ist die Show ganz große Klasse, mit dem epischen "When All Is Lost" als Highlight - übrigens auch von Russell Allen als Lieblingsstück angekündigt. Fazit: Auch die dämonischsten Symphony X ever darf sich kein Fan der Welt entgehen lassen, wenn sie schon mal in der Nähe sind. Das hier ist die Speerspitze des Progressive Metal! Als Randnotiz bleibt zu erwähnen, wie sauwohl man sich im Colos-Saal einfach immer wieder fühlt! Angenehmes Publikum, sympathischer Empfang, wohltuende Gastronomie mit pfandfreiem Hopfensaft im Krug und Brezeln für nen Euro ... immer wieder!
Danke schön an das Team vom Colos-Saal für die freundliche Akkreditierung!

Symphony X      Symphony X      Symphony X
Setlist Symphony X
Iconoclast
The End Of Innocence
Dehumanized
Bastards Of The Machine
Electric Messiah
When All Is Lost
Children Of A Faceless God
Heretic
Inferno (Unleash The Fire)
Of Sins And Shadows

Encore:
Eve Of Seduction
Serpent's Kiss
Set The World On Fire
Externe Links: