Leute, Leute, was für ein Gig!
Infernalisch, bestialisch, animalisch, großartisch!
Das Konzertjahr 2006 hat eindeutig sein zweites, absolutes Highlight gezeitigt. Nach den Hammond B3 dominierten 'Iceman'-Klängen ( Albert Collins) eines auf der 'Breminale' fantastisch aufspielenden Matt Schofield mit deutlichen Jazz-Affinitäten (Bericht folgt) rockte ein gewisser Todd Wolfe mit zwei Mitstreitern das Oldenburger 'Charly-Haus' und müsste sich für alle Zeiten im Gedächtnis der Anwesenden eingebrannt haben. Selbige waren endlich mal einigermaßen zahlreich erschienen (außerhalb der Cover-Band-Veranstaltungen), obwohl mit dem Protagonisten bestenfalls seine Vergangenheit als Gitarrist und Co-Songschreiber für Sheryl Crow in Verbindung gebracht wird, welche ungleich bekannter sein dürfte. Sie macht aber auch eine ungleich unspektakulärere Musik, spätestens seit sich Todd Wolfe in Eigenregie emanzipiert hat und nur noch das macht, worauf er musikalisch Bock hat - nämlich die ultimative Vertonung des 'Heavy-High-Energy-Bluesadelic-Jam-Rock 'n' Rolls'.
So monsterhaft diese Wortkreation wirken mag, so monstermäßig heizte uns sein Trio ein. Immerhin wird Todd Wolfe in einschlägigen Publikationen in den höchsten Tönen abgefeiert, er spielte bereits (Anheizer) für und mit Koryphäen wie The Allman Brothers, Black Crowes, Blues Traveler, Dickey Betts, Peter Frampton, Sonny Landreth, Mountain ( Leslie West), Johnny Winter, Wishbone Ash oder John Mayall's Bluesbreakers und auch meine verehrten KollegInnen Ilka, Ulli und Joachim wussten in der Vergangenheit nur Gutes zu berichten, so dass sich doch bei mir eine nicht geringe Erwartungshaltung aufgebaut hatte. Zumal ich den Wolf im Schafspelz bereits einmal zuvor live erlebt hatte, völlig unerwarteter und unangekündigter Weise im Vorprogramm von Wishbone Ash. Das Ergebnis war damals ein nach gut einer Dreiviertelstunde völlig losgelöster Olli O., der, trotz mangelhafter Englischkenntnisse, den guten Todd nach dem Support zuquasselte und anschließend Wishbone Ash sterbenslangweilig fand.
Jetzt endlich fand Todd den Weg zurück in unsere beschauliche Huntestadt und ließ sich von Anfang an nicht lumpen. "Heaven" mit exzessiven Slideeinlagen, gefolgt vom soliden "Silver Blue" und ein unerwartetes wie ungewöhnlich gespieltes "Tears Of Rage", das mal eben so ganz nebenbei in B.B. Kings "Eyesight To The Blind" überging, mit Todd Wolfe als Saitenderwisch, der selbige wunderbar dehnen und quetschen kann, dabei glasklare Glissandi in den Raum wirft, um im nächsten Augenblick verzerrte Hochgeschwindigkeitsläufe vom Stapel zu lassen.
Leute, Leute, was für ein Gitarrist!
Wir waren mit voller 'Mannschaftsstärke' im 'Charly's' und erstaunlicherweise rief das bisher Geschehende offenbar nicht nur bei uns gespaltene Reaktionen hervor. Ich hatte das Publikum in 'Charly's Musikkneipe' schon euphorischer erlebt und zwei meiner Mitstreiter konnten sich bis hierhin auch nicht wirklich erwärmen. Aus meiner Sicht erstaunlich, aber gut, der Mann und seine beiden Kollegen spielten sich schließlich erst warm. Mit dem wölfischen "Forty Four" wurde es richtig bluesig (war es etwa bisher nicht bluesig genug oder aber gar zu rockig?) bevor mit der herausragenden Ballade "One Lost Love" ein erstes absolutes Glanzlicht gesetzt wurde. Viel, viel später erfüllte die Band einen Publikumswunsch und spielte in beeindruckender und Gänsehaut erzeugender Manier diesen Song nochmals!
Von Anfang an erstaunte mich das stark an Eric Clapton erinnernde Timbre von Todd Wolfe (okay, das lässt sich auf seinen bisherigen CD-Veröffentlichungen durchaus auch heraushören), jetzt erreichte er gar das emotionale Feeling und die Intensität des claptonischen Saitenspiels. Clapton muss überhaupt eines seiner großen Vorbilder sein, denn manche Läufe, Licks und Sounds gemahnten deutlich an Mr. 'Slowhand'. Allerdings verkörperte Todd weniger den Slowaspekt, stattdessen wurde häufiger mächtig aufs Tempo gedrückt, wobei jederzeit die Sauberkeit des Spiels gewahrt blieb. Aber auch vom Songmaterial her verriet Todd Wolfe eine gewisse Nähe zu Herrn Clapton. Besagtes "Forty Four" gehört sporadisch seit einiger Zeit ebenfalls zum claptonischen Programm, "One Lost Love" würde ihm hervorragend zu Gesicht stehen, bei "Change Will Come" wurde lässig das "Sunshine Of Your Love"-Thema ( Cream) hineingeworfen und nach meiner Erinnerung intonierte Todd entgegen seiner nach dem Konzert konzentriert aufgeschriebenen Setlist (an dieser Stelle nochmals heißen Dank!) auch das wundervolle "See What Love Can Do", einst von Jerry Williams für E.C. geschrieben ("Behind The Sun", 1985), aber von diesem in Zusammenarbeit mit Phil Collins grandios in den Sand gesetzt. Darüber hinaus gab es eine famose Version von Derek & The Dominos "Why Does Love Have To Be So Sad" (übrigens auch ab und an im Programm der aktuellen Eric Clapton-Europatour!) und einen nicht minder famosen "Outside Woman Blues" ( Cream).
Seine beiden Kollegen an Bass ( Ted Wadhams) und Schlagwerk ( Dave Hollingsworth) bildeten dabei eine traumhaft sichere Rhythmusabteilung, was speziell bei Tad Wadhams nur anerkennendes Kopfnicken auslösen kann, da er erst seit 6 Wochen dabei ist. Aber einen Vollprofi durch und durch ( Tad spielte u.a. ebenfalls bei Miss Crow) kann das nicht erschüttern, und so knallten uns signifikante Basslinien nur so um die Ohren, federnd, kraftvoll, akzentuiert, immer prägnant und auf den Punkt gespielt. Dave Hollingsworth wiederum konnte eindrucksvoll unter Beweis stellen, dass er über reichhaltige Vorerfahrungen in den Bereichen Rock, Jazz, Blues & Fusion verfügt, denn er hielt den Laden rhythmisch vielseitig, variationsreich und enorm präzise zusammen, ohne sich zu sehr in den Vordergrund zu spielen.
Denn die Bühne gehörte natürlich Todd Wolfe, der bei seinen gitarristischen Ausflügen von seinen Kollegen mehrfach vor dem totalen Abheben bewahrt wurde und so immer wieder bei allem Jamcharakter elegant den Weg zurück in die Spur fand. So ging das mehr Boogie orientierte und stark an "Baby Please Don't Go" erinnernde "On The Run" sensationell flüssig und bruchlos in den "Wolfe Jam" über, welcher ein weiteres Glanzlicht (von vielen!!) setzten konnte, denn hier wurde so ganz nebenbei die Legende Dickey Betts entzaubert und der Geist der 'alten' Allman Brothers Band heraufbeschworen. "Crowded In My Soul" dagegen mutierte plötzlich zum "Hipshake Boogie" und endlich kam das Publikum mal so richtig in Wallung. Muss es denn immer der einfache 'Haudrauf-Boogie' sein? Aber allein Dave Hollingsworth legte hier alle denkbaren Finessen rein, so dass sich das mit dem "Haudrauf" deutlich relativierte.
Überhaupt, beim zweiten Set hatten sich die Reihen etwas gelichtet, aber die Stimmung wurde minütlich besser. Wagemutig verwob die Band das 'steinige' "Tumblin' Down" mit dem Young'schen "Cinnamon Girl" und im Zugabenteil wurden die rollenden Steine dann endgültig mit "The Last Time" abgefeiert. Das gefiel dem Volk natürlich.
Ich muss zugeben, ich hatte nicht auf die Uhr gesehen, aber Todd Wolfe und seine Mannen haben wohl annähernd die drei Stunden Marke geknackt. Und meiner Meinung nach war keine einzige langweilig. Zu vielschichtig, mitreißend und pointiert gestaltete sich das Spiel Wolfes auf den diversen sechs Saiten, und das alles bei einem sagenhaft guten Sound. Hier gebührt den für die Abmischung verantwortlichen Leuten und dem Equipment des 'Charly's' allerhöchster Respekt!
Ein absolut memorables Konzert und allen, die irgendwann die Gelegenheit haben sollten, diese Combo in ihrer Nähe sehen zu können, sollten sich das wahrlich nicht zweimal überlegen. Für jeden 'richtigen' Musikfreund ein absoluter Pflichttermin!
Unser bester Dank gilt übrigens auch der engagierten Managerin Hannah Richardson, bei der wir selbstredend fleißig diverse Silberlinge einkauften. Dies sei auch allen anderen Musikfreunden wärmstens empfohlen. Es lohnt sich!
Setlist
(in Klammern die dazugehörigen Alben Todd Wolfes respektive die Originalautoren/-interpreten)
First Set:
1. Heaven ("Wolfe")
2. Silver Blue ("Wolfe")
3. Tears Of Rage (Bob Dylan - The Band)/Eyesight To The Blind (B.B. King - Live From Manny's Car Wash)
4. Forty Four (Chester Burnett - Why Thank You Very Much)
5. One Lost Love ("Delaware Crossing")
6. Gates Of Heaven ("Delaware Crossing")
7. Change Will Come ("Wolfe")
8. On The Run ("Wolfe" & "Live From Manny's Car Wash")/Wolfe Jam ("Delaware Crossing")
Second Set:
9. Stranger Blues ("Delaware Crossing")
10. Light Of Day ("Wolfe")
11. Crowded In My Soul ("Delaware Crossing")/Hipshake Boogie ("Slim Harpo")
12. The Same Thing (Willie Dixon - "Live From Manny's Carwash")
13. Beg Forgiveness ("Delaware Crossing")
14. Tumblin' Down ("Delaware Crossing")/Cinnamon Girl (Neil Young)
15. Why Does Love Have To Be So Sad (Derek & The Dominos)
16. Come In My Kitchen (Robert Johnson - "Wolfe")
Encore
17. Outside Woman Blues (Arthur 'Blind Willie' Reynolds - Cream)
18. The Last Time (Rolling Stones)
Bilder vom Konzert
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