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Truckin' USA - ein ROCKTIMER unterwegs im Land des Rock'n'Rolls
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New Orleans, West Coast, San Francisco, Highway No 1, Las Vegas - da schwirren die nostalgischen Emotionen nur so durch das Rockhirn. ROCKTIMER Norbert cruiste mit Ehefrau Ingrid im späten Frühjahr 2011 auf den Rock'n'Roll-Roots zu legendären Stätten der US-Music-History, die Antennen voll auf Empfang für die good vibes unterwegs.
Reisebericht
Südwesten der USA
vom 21. April bis 11. Mai 2011
Artikel vom 30.06.2011
Norbert Neugebauer
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Part III - The 'Jazzfest'!
Es gibt zwei Ereignisse, um die sich ganz New Orleans dreht: Den Mardi Gras und das 'Jazzfest' im späten Frühjahr. 1970 wurde das Open Air erstmals gestartet, das eigentlich 'New Orleans Jazz & Heritage Festival' heißt und das seit 1972 auf den 'Fairgrounds', der Rennbahn, in Hörweite von Pias Haus, stattfindet. Zunächst waren es die bekannten Stars aus der Stadt oder der Umgebung, die auftraten. Mahalia Jackson kam mit Duke Ellington, weiterhin gehörten Fats Domino, The Meters, Clifton Chenier und die Preservation Hall Band zum ersten Line-up, das in den Folgejahren dann alle großen Namen der NOLA-Musikszene präsentierte. Daneben holten die Macher aber auch andere Stars unterschiedlicher Richtungen auf die Bühnen, die bald Tausende von Besuchern anzogen. Das Festival verstand sich aber von Beginn an als multikulturell und ist es auch bis heute. Handwerkskunst, Brauchtum, die berühmte Louisiana-Küche und vieles mehr gehören genauso dazu, wie die alljährlichen Künstler-Poster und offiziellen Shirts, deren Schöpferin ich meine Eintrittskarte verdankte (thanks Kathy!). Das Jazzfest hat längst seine eigene Kultur und unterscheidet sich, bei aller kommerziellen Ausprägung, wohltuend von anderen Musik-Massenveranstaltungen - 'Nawlins' halt!
Um ein Haar hätte ich den Besuch gar nicht eingeplant gehabt, aber grad noch rechtzeitig konnten wir unseren Weiterflug verschieben. Der Freitag (29.4.) des ersten der beiden Jazzfest-Wochenenden gehörte mir und so strömte ich mit zehntausenden anderen, bestens gelaunten und flippigen Festivalbesuchern auf das weitläufige Gelände der 'Tracks'. Ich war vorgewarnt - »kaum Schatten, es wird heiß! « Aber es gab ja auch die großen Zelte und die waren sogar mit Naturkühlung versehen. Feiner Nebel strömte von Zeit zu Zeit aus Düsen über den Sitzreihen und erfrischte die Fans. Die konnten je nach Gusto zwischen zwölf verschiedenen Bühnen wählen, auf denen im Stundentakt parallel die zahlreichen Acts auftraten. Jeff Beck und Robert Plant
waren die Headliner unter dem noch erträglichen stahlblauen Himmel. Dazu weitere Namen, die ganz oben auf meiner 'NOLA-Liste' standen, leider teilweise zeitgleich. Aber noch so viele andere Bands, von denen ich noch nie gehört hatte und zwischen deren Auftritten ich mich treiben ließ. Und unter denen fand ich dann auch meine persönlichen 'Favs'.
Meine Tour startete ich um 11 Uhr im noch halbvollen Blues-Zelt, wo der altgediente Local-Crack Coco Robicheaux den Anheizer-Part übernommen hatte (übrigens wie fast alle anderen Acts auf der offiziellen Jazzfest-Homepage - Music Schedule mit einem Video vertreten). Der bunte Vogel konnte mich nicht lange aufhalten und weiter ging's im Oval der Rennbahn. Mehr optisch als musikalisch ansprechend sind die Auftritte der 'Mardi Gras Indians', die mit ihren Fantasie-Roben nicht nur die Karnevals-Paraden bereichern. Auch der reichlich monotone und meist nur von Trommeln begleitete Sprechgesang soll an die Ureinwohner erinnern. Auf der offenen Jazz & Heritage Stage waren grad die Comanche Hunters aus dem Katrina-verwüsteten Lower Ninth Ward-Viertel am Werk. Die Rocks Of Harmony gehören ebenfalls zu den lang schon etablierten Musikkörpern in der Stadt und zu den regelmäßig gebuchten Gästen des Festivals. Mit ihren bekannten Gospels und Spirituals schafften sie es innerhalb kurzer Zeit, die Leute von den Sitzen zu holen und im Kanon mitzusingen zu lassen. Schon beeindruckend, auch wenn sich die Zahl der Besucher im stimmungsvollen Zelt doch sehr in Grenzen hielt. Mir fiel bereits hier die relativ geringe Zahl von Schwarzen auf, was vor allem mit deren ökonomischer Situation zusammenhängt. 60 $ (etwa 42 Euro) für ein Tagesticket ist zwar angesichts unserer Preise nicht unbedingt happig (vor allem bei dem Aufgebot), aber doch wohl zuviel, wenn man sonst mit jedem Cent rechnen muss. Und der Lebensstandard der farbigen Bürger ist noch immer wesentlich niedriger.
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Mittlerweile hatte ich mich auch mal im 'Künstlerdorf' umgesehen, wo zahlreiche Kunsthandwerker aus der Umgebung mehr oder weniger Interessantes anboten. Neben viel lokal Gefärbtem, reichlich für meinen Geschmack Kitschigem und auch durchaus sehr Ansprechendem (allerdings auch zu ansprechend für meinen Geldbeutel) interessierten mich die offiziellen Festival-Poster von anno dazumal bis heute, von denen es jeweils verschiedene (ebenso wie die Shirts) gibt. Die meisten sehr gut gestaltet, aber sehr teuer. Das Festival wird auch in dieser Hinsicht maximal vermarktet. Drüber die Naserümpfen braucht man aber nicht, es muss ja keiner kaufen und Festivals sind nun mal in erster Linie nach kommerziellen Gesichtspunkten ausgerichtete Veranstaltungen ( »Free music for free people« war halt auch nur ein Traum ...).
Die Gentilly Stage ist das zweitgrößte Open Air-Areal in der Ostkurve. Als ich mich dort unter dem bunten Volk umschaute, startete grad die Band von Mia Borders ihren Gig, ebenfalls aus NOLA. Ihr Funk Rock war allerdings nicht mein Ding und so ging ich bald zur kleinen Fais Do-Do-Bühne, deren Klänge mich gleich wesentlich mehr anmachten. Cajun vom Feinsten von den Red Stick Ramblers aus Eunice. Eine ganze Reihe von älteren Paaren drehte ihre Runden zum ansteckenden Gefildel und Geklampfe der französischstämmigen Arcadianer. Das war der erste längere Stopp auf meiner Runde, zumal ich bei dieser Reise keine Möglichkeit mehr sah, den urwüchsigen Sound live zu hören. Einmal im richtigen Fahrwasser kam ich dann gleich zum nächsten und zu meinem persönlichen Höhepunkt: Der Young Pinstripe Brass Band. Ein Brass&Drum-Gewitter aus New Orleans Funk und Jazz, das trotz der Mittagshitze nahezu hypnotisch auf die zahlreichen Zuschauer wirkte. Viele tanzten und fast alle zappelten oder wiegten sich zu den Percussion-verstärkten Bläsersätzen von der großen Congo Square-Bühne. Der NOLA-Sound von heute und (vielleicht) morgen!
13:30 Uhr, Hunger und Durst meldeten sich vehement. Mehrere Food Areas mit Dutzenden von Ständen, die die ganze Palette der in New Orleans vertretenen Küchen zu vernünftigen Preisen anboten, stellten mich ernsthaft vor ein Problem. Unmöglich auch nur annähernd das zu probieren, was ich gern wollte. Also entschied ich mich erstmal für Gumbo, ein Festival-Tipp von Pia. Gute Empfehlung und ein schattiges Eckchen an einem Zaun fand ich auch. Dann Shrimps im Backteig - satt war ich schon! Vom Labber-Bier ließ ich lieber die Finger bei den Temperaturen, ich sah auch kaum jemand, der mehr als angeheitert war.
Nachdem ich dann die Lage an der Acura-Hauptbühne für die bald folgenden Haupt-Acts gecheckt hatte, schlenderte ich über die von Tausenden Besuchern kunterbunte Wiese zu einem meiner Lieblingsvergnügen: 'people watching'. Jede Menge verrückter Typen, die ihre Lebensfreude ungezwungen und kreativ zeigten, aber das Ganze doch auch sehr 'southern', sprich mit aller Ruhe, angehen ließen. Ja, die Woodstock-Generation feiert (sich) immer noch! Angesichts des höheren Altersschnitts kam mir aber - und dass nicht zum ersten Mal - der Gedanke, dass dieser Art der Massenveranstaltungen mit Rockmusik wohl ein baldiges, biologisches Ende gesetzt ist. Mehr dazu an anderer Stelle. Während der Bereich um die Bühne natürlich relativ eng besetzt war, gab's kein Problem sich etwas weiter entfernt durch die auf ihren Decken liegenden Fans zu bewegen. Ein Plätzchen für einen kleinen fränkischen Hintern fand sich überall. Am Rand wahre Picknick-Areas mit Stühlen, Sonnenschirmen und Fernstechern auf Stativen. Großleinwände waren an den wichtigen Bühnen sowieso, also warum dann mitten rein ins Gewühle? Der Sound stimmte auch überall in Lautstärke und Aussteuerung - really good work!
Nächster Abstecher zu John Mooney ins Blues-Zelt. Ein weiterer Musiker, den ich schon lange sehen wollte. Der Mann mit Vollglatze und Sonnenbrille war der totale Kontrast zu seinen Bluesiana-Mitakteuren, die wie vom nächsten Feld aufgeklaubt aussahen. Ihr erdiger Delta Blues klang jedoch keineswegs angestaubt, sondern knackig zu des Meisters Slide und kerniger Röhre. Später bekam ich dann noch das Finale von Keb' Mo' an gleicher Stelle mit, der von Tab Benoit, der engagierten 'Voice of the Wetlands' abgelöst wurde. Der Umwelt-Aktivist ist zwar kein großer Showman, aber ein solider Swamp-Rocker, dessen bluesgetränkte Songs das rappelvolle Zelt schnell zum Schwitzen brachte. Inklusive 'Nawlins-Polonäse' mit Schirmen und Taschentüchern - yeah, give me a second line, guys!
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Zwischendurch war ich im Jazz-Zelt und erlebte eine weitere positive Überraschung: Anat Cohen mit Band. Die aus Israel stammende Klarinettistin und Saxophonistin mit Studium in den USA verzauberte mit melodisch-expressiven Ton und Charme das Fachpublikum. In ihre Kompositionen packte sie die unterschiedlichsten Stilrichtungen zu einer mitreißenden Melange. Meine nächste Entdeckung und wärmste Empfehlung für alle Jazz-Fans mit modernen Ohren!
Jeff Beck und Robert Plant - britisches Dinosaurier-Treffen. Seit rund viereinhalb Jahrzehnten tonangebende Superstars der Rockmusik, die ich noch nie live gehört hatte. Allein die Besetzungen ihrer aktuellen Bands lassen Kenner mit der Zunge schnalzen. An der Seite des Über-Gitarreros Bassistin Rhonda Smith, Keyboarder Jason Rebello und Drummer Narada Michael Walden, Patty Griffin und Buddy Miller im Line-up der Band Of Joy. An einem Nachmittag auf der Rennbahn in New Orleans und ich dabei, allen Rockgöttern sei Dank!
Augenblicklich Kribbeln bei den ersten Klängen von "Plan B". Mr. Beck zaubert seinen unverkennbaren klaren Strato-Ton aus der PA und zeigt bereits beim ersten Song, was ihn von jedem anderen Klampfer auf dieser Welt unterscheidet. Perfekt seine Arbeit mit Saiten, Reglern, Effektgeräten und Vibratorhebel, die Einsätze, die Soli - eher brachial als filigran, die harten Riffs, die Melodiebögen, das Zusammenspiel mit seiner Truppe. Unisono offene Münder bei den Zuhörern - da oben steht ein Gigant und sie können sogar dank Makro-Kameraaufnahmetechnik den Dreck unter seinen Fingernägeln erkennen! Die Münder bleiben offen, aber nach drei, vier Songs weiten sich doch einige zu zunächst verstohlenen, dann aber gemeinschaftlichen Gähnern ...
Jeff Beck, Der Mann mit dem gestreiften Wams, den schwarzen Haaren und den Winterstiefeln spult zusammen mit der Truppe seinen Set mit teils jahrzehntelang schon bekannten Titeln im Fusion-Sound ab wie eine platinglänzende High Tech-Spieluhr. Nichts Neues, nichts Überraschendes, das aber perfekt. Ein Temperamentsbolzen war er ja noch nie auf der Bühne und so ist es auch gut, eine Rhonda Smith dabei zu haben, die zu ansprechendem Bassspiel auch optisch was zu bieten hat. "Rollin' und Tumblin'" bluest ordentlich, "Little Wing" ganz nett (gesungen vom kraftvoll agierenden Drummer), "People Get Ready" ein Klassiker. "Higher" von Sly Stone mit Jungstar Trombone Shorty als local guest kommt gut, "A Day In The Life" noch besser. Klar, Jeff Beck ist mit 67 jenseits aller Kritik, was seine Kunst angeht und die war auch auf der Rennbahn keineswegs spieltechnischer Selbstzweck. Und gerockt hat er auch. Aber trotzdem war das kein Gig, an den ich mich lang erinnern werde.
Robert Plant kommt nun bald ins Frührentneralter - sieht man, hört man ihm das an? Fit ist er, auch stimmlich, das schon. Aber er gibt glücklicherweise nicht mal ansatzweise das Bühnentier, das er zu Led Zep glorreichen Zeiten war. Er ist ein Sänger geworden, der nicht mehr brüllt (sogern man das noch einmal hören würde), selbst wenn er die früheren Hämmer "Black Dog" (Opener), "Misty Mountain Hop", "Houses Of The Holy", "Ramble On" oder "Gallows Pole" (Finale) anstimmt. Mit seiner letzten Partnerin Alison Krauss hat er auf verbindlichen, harmonischen, einfühlsamen Raisin' Sand-Pfaden gewandelt und mit der Band of Joy legt er wieder zu. Die harten Songs ein Stück runtergedreht, die Balladen ("House Of The Cards", "Please Read The Letter") etwas rauf - so ist das live anno 2011. Die Band rockte, Plant rockte - gut war's in 'Nawlins'. Für die speziellen Highlights sorgte Kollege Miller an diversen Saiteninstrumenten und Mrs. Griffin steuerte ab und an schöne Co-Vocals bei. Die richtige Musik für einen solchen Nachmittag mit Fans, die den Krach ihren tätowierten und gepiercten Kids überlassen. Pünktlich um 18 Uhr war Schluss und meinen nicht sonderlich starken Daiquiri hab ich auf dem Heimweg geschlürft. Unterwegs spielte schon die nächste Band.
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