Truckin' USA - ein ROCKTIMER unterwegs im Land des Rock'n'Rolls
Zwischenruf New Orleans, West Coast, San Francisco, Highway No 1, Las Vegas - da schwirren die nostalgischen Emotionen nur so durch das Rockhirn. ROCKTIMER Norbert cruiste mit Ehefrau Ingrid im späten Frühjahr 2011 auf den Rock'n'Roll-Roots zu legendären Stätten der US-Music-History, die Antennen voll auf Empfang für die good vibes unterwegs.


Reisebericht
Südwesten der USA
vom 21. April bis 11. Mai 2011

Artikel vom 27.06.2011


Norbert Neugebauer
Part II - Going Back To New Orleans
On the road againUnser Trip begann nach einer turbulenten Anfahrt auf dem 'FJS-München'. Delta Airlines war unser Beförderer und die Boeing brachte uns via Atlanta nach New Orleans. Bei der ersten Zwischenlandung auf amerikanischem Boden waren die strengen Einreiseformalitäten zu erledigen, die wir auch unter Beachtung der Vorschriften und Empfehlungen (»keinesfalls die Uniformierten anlachen...«) reibungslos hinter uns brachten. Nach insgesamt 13:40 Stunden und zwei Hopplern über die Zeitzonen (- 7 Std.) landeten wir auf dem Airport von New Orleans, der nach dem großen Sohn der Stadt Louis Armstrong benannt ist. Ein Gemälde einer Brass Band Parade in der Empfangshalle stimmte uns gleich ein - yes, we're back, 'Nawlins'! Pia holte uns mit ihrem 'SUV' (Geländewagen für die Stadt, braucht Jedermann...) ab und versorgte uns mit den Neuigkeiten aus 'The City that Care forgot'. Auf dem Weg zu ihrem Haus im Bayou St. John-District war nicht viel los. In der schwülheißen Abendluft (noch über 30 Grad im Schatten) schaute jeder, dass er schnell in seine AirCon-frische Wohnung kam.
»Well, I wish I was in New Orleans, I can see it in my dreams
Arm-in-arm down Burgundy, a bottle and my friends and me
Hoist up a few tall cool ones, play some pool and listen
To that tenor saxophone calling me home
And I can hear the band begin "When the Saints Go Marching In"
And by the whiskers on my chin, New Orleans, I'll be there«

(Tom Waits)
On the road againNatürlich führten die ersten Wege downtown ins (French) 'Quarter', das mit seinen alten, oft mit kunstvoll schmiedeeisernen Balkonen verzierten Häusern immer den Besuch lohnt. Nein, nicht in die Bourbon Street voller meist schon vormittags angetrunkener Touristen, die mit roten Birnen und lauwarmen Bier- oder Daiquiri-Bechern den 'Nawlins'-Flair suchen, den es hier am wenigsten gibt. Die ganze Straße mit ihren Musikkneipen ist nur Nepp, überhaupt gibt es wenig wirklich Interessantes mehr in den Läden und Kneipen des berühmten Viertels. Auch am Osterwochenende war nicht viel los in der Stadt, selbst der sonst so volle Jackson Square mit seinen Musikern, Portraitzeichnern, Handlesern, Voodoo-Queens und schrägen Selbstdarstellern zog wenig Publikum an. »Keine Ferien-Saison und schon zu heiß«, klärte uns Pia auf.On the road again Wer sich wie wir selbst in den Mittagsstunden durch die restliche Stadt bewegte, begegnete nur den Leuten, die unterwegs sein mussten. Aber allein die sind in New Orleans schon eine Schau. Einmal die vielen viel zu Dicken, die aber dort in jedem normalen Store Jeans und Shirts in ihren (Monster-)Größen bekommen. Oder die schwarzen Girls mit ihren zurechtgedrechselten Frisuren, die den Krauskopf nur mühsam in irgendeine Form bringen. Typen in den abenteuerlichsten Outfits, Muttis, die mit 'Häschen'-Ohren zum Familienbrunch ins Restaurant gehen, Gays in Rosa oder Leder und mehr oder minder alle diese Figuren in hohen Winterstiefeln, die in Amiland wohl grad die große Mode waren, auch bei mehr als 30 Grad!
On the road again»Hot town summer in the city
Back of my neck getting dirt and gritty
Been down, isn't it a pity
Doesn't seem to be a shadow in the city
All around people looking half dead
Walking on the sidewalk hotter than a match head

But at night it's a different world
Go out and find a girl
Come on, come on and dance all night
Despite the heat it will be alright
And babe, don't you know it's a pity
The days can't be like the night
In the summer in the city
In the summer in the city«

(Lovin' Spoonful)!
On the road againNew Orleans swingt irgendwie immer und Live-Musik ist fast an jeder Ecke, zumindest downtown zu hören. Kaum ein paar Meter gelaufen, stoßen wir schon auf eine 'Parade'. Vornweg in der 'Main Line' der Zeremonienmeister, die Brass-Combo und ein Brautpaar, die rothaarige Schöne mit Augenmaske und Schirm, der frisch Angetraute mit einem großen Drink und reichlich angeturnt. Dahinter 'second lining' eine bunte Hochzeitsgesellschaft mit tätowierten Brautjungfern, Buddies im feinen Zwirn, drallen Mädels im Korsett und mit Sprössling im Bobbycar, dazu Späthippies mit Rauschebart, Zen-Shirt und Schlabberkleidern. Zum Schluss dann ein traditionelles Pferdegespann mit den 'seniors', schön herausgeputzt. Alle schwenken Taschentücher und drehen ihre Schirme zum ansteckenden Brass-Sound, selbst der begleitende Moto-Cop grinst auf seinem Roller.
On the road againEin Stück weiter, Straßenmusiker, die meisten mit kleinen Verstärkern. Die einen spielen bekannte Pop-und Dixieland-Titel, andere improvisieren über Standards aller Richtungen; eine Frauenband (Tanya & Dorise) intoniert mit E-Violine und Gitarre lyrische Rock-Songs im Straßenlärm, die Aushilfs-Sängerin wiegt ihr schlafendes Kind auf dem Arm. Auf dem Jackson Square ein Trio namens Willow unter einem Pavillon, kleines Drumset, Djembe und ein wohlbeleibter älterer Sänger/Gitarrist auf der einen Seite. Auf der anderen - traditionell die in ihrer Besetzung ständig wechselnde Brassband. Diesmal eine deutlich jüngere Ausgabe als bei unseren letzten Besuchen. Die alte Truppe mit ihren hervorragenden Solisten ist wohl auch ein Opfer von 'Katrina' geworden.On the road again Alles Könner, die von den 'Tipps' und CD-Verkäufen leben, ein zweitklassiger Musikmacher hat hier keine Chance. Zwischen St. Louis-Kathedrale und Mississippi-Ufer gibt es ein kleines Amphitheater, auf dem eine Breakdance-Truppe mit viel Klamauk und Verarsche der Passanten ihre sehenswerte Show zu HipHop abzieht. Wir suchen uns für die längst schon fällige Mahlzeit ein alteingesessenes italienisches Restaurant am hinteren Ende der Decatur Street aus, wo wir auch ein sehr ordentliches Bier von netten Bedienungen im Punk- und Gothic-Look serviert bekommen. Nebenan rockt im French Market eine ältere Band gedämpft mit ebensolchen Songs, sie lockt die Touristen ins Café mit dem üblichen Fastfood-Angebot. Gegenüber ist Jimmy Buffetts 'Margaritaville', das gute Menüs für viel Geld auf der Karte hat.On the road again Der bei uns kaum bekannte Mr. Buffett hat aus seinem Ruhm daheim in den frühen Siebzigern als einer der ersten in anderen Businesses kräftig Kapital geschlagen und wurde damit zum Vorbild für viele Kollegen. Neben dem üblichen Merchandising (mit bunten Hawaii-Klamotten usw.) tragen den Namen seines großen Hits auch Hotels und Restaurants mit Vergnügungsparkcharakter in verschiedenen Städten, er hat sein eigenes Label und eine Radiostation. Musik machen müsste der Millionär wohl nicht mehr, aber auch das bringt ihm viel Kohle ein. Bei uns, trotz neuer Charterfolge, immer noch wenig registriert, hat ihm seine Beliebtheit drüben seit heuer jeweils am 16. April einen offiziellen Jimmy Buffett-Day im Bundesstaat Florida eingebracht.
On the road againAm anderen Ende der Hauptverkehrsader am 'Quarter' liegen weitere für uns interessante Locations. Während der große Virgin Tower Record Store nach Insolvenz nun einen neuen Besitzer (und höhere Preise) hat, gibt es die Louisiana Music Factory immer noch, die als erste Adresse hauptsächlich die Aufnahmen der heimischen Künstler vertreibt. Natürlich eine Fundgrube für einen infizierten Fan wie mich und immer ein Anlaufpunkt! Der schmale doppelstöckige Laden hat auch eine kleine Bühne, auf der sich zu bestimmten Anlässen selbst größere Bands mit den Besuchern davor um die Wette drängeln. Wir sehen dort die Truppe von Big Chief Juan Pardo im Mardi Gras Indians-Kostüm - (samt dem Autor als Türsteher) und Johnny Sansone feat. Anders Osborne - ohne Eintritt! Gegenüber liegt das House of Blues, das für seine Shows ordentlich zulangt und wo ich vor Jahren mal den charismatischen Keb'Mo' erlebt hab. Diesmal ließ ich es aus.
On the road again'Nawlins' ist Musik(verrückt)! Fast überall wird man als Besucher darauf gestoßen. Nicht nur akustisch, auch visuell. Figuren an den Häusern, Skulpturen in den Kneipen und öffentlichen Gebäuden, jede Menge Kneipen mit Bühnen, Straßensessions aus diversen Anlässen, öffentliche Konzerte von klassisch bis Brass-Punk, Radiostationen, die regelmäßig live aus diversen Locations übertragen und ihre festen Spezialprogramme haben, jede Menge Videos von Straßen- und Kneipenmusikern auf YouTube, Musikunterricht auf breitester Basis als Rezept gegen Jugendkriminalität - Musik ist ein wesentlicher Faktor, natürlich auch finanziell, für die City und ihre Leute. Ich kenne aber auch keine andere Stadt, wo die Musik so selbstverständlich und allgegenwärtig ist, wo selbst die Schwüle noch Beat hat, wie in der Heimat von Louis Armstrong, Randy Newman und Dr. John. Irgendwie scheint jeder nur drauf zu warten, sich in eine 'Second Line' einzuklinken, zu einer Band zu tanzen, die grad anfängt zu spielen oder mitzujammen. Sogar der Einweiser auf dem Rollfeld am Louis Armstrong Airport trommelte mit seinen Sticks in der heißen Luft!
On the road againGleiche Straße, gleiche Seite - ein Kneipen-Store, in dem noch wie eh und je von routinierten Könnern Zigarren aller Größen von Hand gerollt werden. Ein paar Häuser weiter hat vor 20 Jahren mit dem Crescent City Brewhouse der erste Brauerei-Pub in der Stadt seine Zapfhähne geöffnet. Eigentümer und Braumeister ist der gebürtige Unterfranke Wolfram Köhler, der damit wohl auch zum mittlerweile eingetretenen Kleinbrauereien-Boom in den Staaten beigetragen hat. Was der Reisende aus dem Land des vielstrapazierten Reinheitsgebots davon zu halten hat, erzähl ich demnächst!
Bei nur einer Woche Zeit ist gut zu überlegen, was man 'machen' will. Die Abende waren fast alle mit gegenseitigen Freundschaftsbesuchen ausgebucht und immer gab es Leckeres zu essen und zu trinken. In der Stadt scheint jeder gut kochen zu können! Von zwei Ausflügen will ich noch berichten:
»It's hard in St. Bernard there's tears in Algiers
If you're calling for New Orleans
There's nobody here
So fix yourself a drink
Pack your things and go
Last one out turn off the lights and board up the doors
I want to go home whatever it takes
I want to go home when the levee breaks
I want to go home where the streets have holes
I want to go home where the good times roll
The Ninth Ward's disappeared the Treme's overflowed
It's Dante's Inferno
In the Superdome The inhumanity of this insanity
Could have been prevented
Oh so easily
My heart is heavy feet everywhere it seems«

(Cowboy Mouth)
On the road againEine Tour ging zur Lower Ninth Ward, dem 2005 am meisten von den 'Katrina'-Verwüstungen betroffenen Viertel der Stadt. Gegen die Überschwemmungen aus dem Mississippi-Delta ist es bis heute durch hohe Dämme mit Flutzäunen geschützt. Das Wasser kam jedoch von der anderen Seite, über den Industrial Canal, dessen Mauern den Fluten, die aus dem Lake Pontchartrain gedrückt wurden, nicht standhielten. Heute sieht man nicht mehr viel von der Katastrophe, ein paar zerstörte Häuser hier und da, Alleen mit toten Bäumen, das könnte überall sein. Dass dort, wo heute große öde Flächen sind, allerdings die noch vorhandenen Straßenzüge komplett mit den üblichen Familienhäusern bebaut waren, muss man wissen. 4.000 Wohnungen gingen hier verloren.
On the road againInzwischen gibt es neue Wohnbauprojekte, finanziert aus unterschiedlichen Quellen, u.a. hat Bratt Pitt hier mit seiner Make it Right-Stiftung eine ganze Reihe von ökologisch gebauten Häusern hingestellt. Wer hier mit irgendeiner Förderung sein Domizil errichten will, muss strenge Auflagen erfüllen. Auch Musiker haben in der 'Ward' wieder neu angefangen, die natürlich schwer ein regelmäßiges Einkommen nachweisen können. Boyanna Trayanova von Andi Hoffmanns B-Goes gehört dazu, wie sie mir bei einem Gig im Folkclub Isaar erzählt hat. Noch immer ist ein knappes Drittel der früheren Bevölkerung nicht zurückgekehrt und wird es auch kaum mehr.
On the road againEin Besuch der Barataria Preserve mit seiner Sumpflandschaft ist ein echter Insider-Tipp. Nur eine knappe Dreiviertelstunde aus der City heraus (hinter Marrero) ist man inmitten eines Stücks Urwald, der einst die ganze Südküste der USA bedeckte. Sofern nicht grad Schulklassen hier einfallen, ist es absolut still auf den Wegen, die zum Großteil am Bayou Coquille entlang führen. Wir waren am Vormittag dort und begegneten nur wenigen anderen Naturfreunden. Aber dafür eine ganzen Reihe von Wildtieren, von denen ein ca. drei Meter langer 'Gator' das eindruckvollste war. Schlangen, verschiedene Kleinechsen, Fischadler, Reiher, Sumpfschildkröten, Hörnchen oder die unterschiedlichsten Insekten (allerdings keine Moskitos) waren unmittelbar von den gesicherten Trails aus gut zu beobachten. Unter den Zypressen und Eichen gibt es auch viele interessante Pflanzen. Weder der Besuch, noch das Parken kosten etwas. Wer hier raus fährt, kann sich jede teure Swamptour sparen.
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