Chris Kramer / Kramer kommt!
Kramer kommt Spielzeit: 51:12
Medium: CD
Label: Blow Till Midnight Records/Musikverlag, 2012
Stil: Blues


Review vom 01.02.2012


Joachim 'Joe' Brookes
Wie jetzt? Der Musiker aus dem 'Ruhrgebeat' verzichtet auf seinen Spitznamen 'Crazy'. Jetzt heißt es (seriöser?) Chris Kramer, aber man braucht noch nicht einmal das gesamte Album "Kramer kommt!" gehört zu haben, um zu erkennen, dass er seinen Nickname noch verdient hat. Blues mit authentischen und augenzwinkernden Texten ist immer eines seiner Markenzeichen. Vorliegende Platte zeigt darüber hinaus auf umwerfende Art und Weise, dass er musikalisch auch mit anderen Wassern gewaschen ist.
"Kramer kommt!" ist ein Werk, das dem Hörer einerseits mit den flotten Stücken einen auditiven Höhepunkt nach dem anderen liefert und wenn man geschafft zu sein scheint, fasst einen Kramer durch seine besinnlichen Nummern am Ärmel und zieht ihn wieder zurück in den Sessel. Unseren Lesern an dieser Stelle etwas über die Vita des Künstlers zu servieren, ist ziemlich überflüssig. Der Bergarbeiter-Sohn befindet sich auf der Überholspur, der Spur des Erfolges und nicht ohne Grund nahm ihn Peter Maffay für seine letzte, ausgedehnte Tour als Special Guest mit.
"Kramer kommt!" kann ohne Probleme ein Einfamilienhaus mit Strom versorgen, so viel Energie steckt in diesem Silberling. Schmackes kommt allerdings nicht nur von Kramer. Er ist ohne Zweifel der Motor des Albums, aber solch eine Maschine braucht schließlich auch Treibstoff und den liefert eine Phalanx an Musikern. Da hören wir zum Beispiel Chuck Leavell, Mick Taylor oder
Mel Gaynor. Ganz abgesehen von solch internationalen Größen hat Kramer eine umfangreiche Zahl von wohlklingenden Musiker-Namen aus dem deutschsprachigen Raum auf "Kramer kommt!" zusammengebracht. Da wäre seine aktuelle Band mit dem Gitarristen Benni Bilgeri,
Martin Engelien (Bass) und Charly T. am Schlagzeug zu nennen. Die Sechssaiter-Armada wird durch Alex Beyrodt (Sinner, David Readman), Dirk Edelhoff, Dennis Hormes, Schrader und Jens Filser (Anne Haigis, Peter Driessen, Tommy Schneller, Layla Zoe) vervollständigt. Bo Heart (auch Klaus Lage) bedient die schwarzen und weißen Tasten. Mit den Trommelstöcken wirbeln außerdem Wolf Simon (unter anderem Thomas Blug) und Josef Kirschgen. Roland Peil (Die Fantastischen Vier, Peter Maffay, Till Brönner) hat die Perkussion fest im Griff und schließlich macht noch DJ Big-D mit.
Das Album ist der Hammer! Gleich zu Beginn kommt Kramer mit zwei zupackenden Stücken auf den Punkt und bringt die Stimmung schon vorne weg in schwindelerregende Höhen. Funk gepaart mit hart rockender Gitarre treibt den Blues an den Siedepunkt ("Ich bin anders") und gleich danach gibt es mit "Volle Kraft voraus" einen mit dicken, gelb-grünen Kabeln geerdeten Blues der hinlangenden Art. Oh Mann, was macht Musiker denn mit dem Hörer? Es sind noch keine sieben Minuten um und man befindet sich schon mittendrin im Hörgenuss Marke Kramer & Co.
Da heulen die Keyboards, slidet die Gitarre... es geht in unvermindert hohem Tempo mit "Geld, Geld, Geld" weiter im genüsslich-ansteckenden Boogie-Takt. Kramer hat auch herrliche Rock-Songs im Köcher, die etwas abseits des 12-Takters glänzen, wie zum Beispiel "Nie wieder" mit prägnantem Chorgesang. Alex Beyrodt zeigt, dass man einen Sechssaiter auch mit richtig schönem Twang spielen kann. Dennis Hormes sorgt für ordentlich gute Laune im Bo Diddley-Tribute "Bo". Hier geht ebenfalls alles perfekt zusammen und DJ Big-D passt als unerwarteter Puzzle-Stein auch noch sehr gut ins Song-Gefüge.
Nach "Bo" gibt es knackigen Rock'n'Roll à la Kramer und selbst die amerikanischen Südstaaten lässt er nicht aus ... "Abschied nehmen":
»Es gibt Momente, die dürften nie vergehen.«
So etwas macht man für die gesamte Platte geltend. "Drachenblut" ist eine flirrende Nummer mit Funk und ganz tollem Handtrommel-Einsatz von Roland Peil.
Kramer ist nicht nur ein Meister der diatonischen sondern auch chromatischen Mundharmonika. Highlight unter vielen ist da "Ich trink mir heut 'nen kleinen an". Die Band hat ein neues Zuhause in der Lounge einer Bar. Brillant! Der Schluss-Akkord des Albums steht im krassen Gegensatz zum Start. Chris Kramer wird nachdenklich und sentimental, wenn es in "Ein Teil von Dir" um seinen verstorbenen Vater geht. Das Stück ist eine ergreifende Ballade mit verträumtem Piano und akustischer Gitarre. Beim Blues-Rocker "Betriebsurlaub" ist Mick Taylor mit von der Partie und wie gut der mit dem Bottleneck umgehen kann, weiß der geneigte Hörer besonders zu schätzen.
"Kramer kommt!"... man achte auf das Ausrufezeichen. Das Album ist eine Offenbarung in Sachen Blues. Viele Musiker verderben hier nicht den Brei und 'crazy' ist der Virtuose immer noch. Schon der Song-Titel "Ordentlich bin ich nur gelegentlich" macht neugierig auf den Text. Es geht tatsächlich um das nie endende Thema der kontroversen Auffassung von Ordnung zwischen Frau und Mann. Kramer appelliert an die Toleranz und letztlich wird doch alles gut im Messie-Blues.
Aber hallo! "Kramer kommt!"... gewaltig gut an. Dieses Album ist exzeptionell. Auch wenn es immer noch der Blues ist, in dem Chris Kramer seine Wurzeln hat, tanzt er doch auf vielen Hochzeiten und ist stets ein sehr gerne gesehener Gast.
Line-up:
Chris Kramer (all vocals, harmonica, guitar - #3,10)
Alex Beyrodt (guitar - #1,9,13)
Dirk Edelhoff (guitar - #2,4,7,9)
Benni Bilgeri (guitar - #5,8,14)
Dennis Hormes (guitar - #6 - 8,14)
Der Schrader (guitar - #1,4,12,13)
Mick Taylor (guitar - #10)
Jens Filser (guitar - #3,11)
Chuck Leavell (keyboards - #4)
Bo Heart (keyboards - 2,3,5 - 9,12 - 14, all backing vocals)
Martin Engelien (bass)
Mel Gaynor (drums - #4,10)
Charly T. (drums - #2,3,5,7,13)
Wolf Simon (drums - #1,6,8,12)
Josef Kirschgen (drums - #9,11)
Roland Peil (percussion - #1,4,6 - 8,13)
DJ Big-D (scratches - #8)
Tracklist
01:Ich bin anders (2:59)
02:Volle Kraft voraus (3:46)
03:Geld, Geld, Geld (3:09)
04:Du bist das Licht (3:04)
05:Gute Zeiten (3:13)
06:Drachenblut (3:58)
07:Abschied nehmen (5:17)
08:Bo (in Gedenken an Bo Diddley) (3:00)
09:Mädchen aus Berlin (2:50)
10:Betriebsurlaub (3:32)
11:Ich trink mir heut 'nen kleinen an (4:54)
12:Ordentlich bin ich nur gelegentlich (4:30)
13:Nie wieder (3:43)
14:Ein Teil von mir (in Gedenken an Friedhelm Kramer) (3:50)
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