Editorial / September 2012



Editorial vom 05.09.2012


Boris Theobald
Liebe Mitrockenden!
Southern Rock mit Sommerlaune, Prog bei praller Sonne und Classic Rock bei klasse Wetter - im August hat der Sommer nun doch gezeigt, was er eigentlich kann, nachdem ja weite Teile Teutoniens lange auf jahreszeitadäquate Meteorologie warten mussten. Mittendrin im achten Monat kratzte das Quecksilber dann sogar an der 40-Grad-Marke, was unter anderem viele Tausend Stadionbesucher an einem sengend heißen DFB-Pokal-Sonntag verkraften mussten.
Zu unserem alljährlich stattfindenden RockTimes-Redaktionstreffen am 4. und 5 August hatten wir uns aber eigens noch gemäßigtere Witterung geordert, damit der Samstagabend in Lippoldshausen zu einem gemütlichen Erst-draußen-dann-drinnen-Event wurde. Was wir da mit Getränken, Gitarren und Gesellschaft geleistet, gelabert und gesungen haben, gibt es zum Nachlesen und Nachgucken. Und das ist auch gut so. Den Link kann ich Schatzi schicken und sagen: »Siehst du, ich bin nicht der einzige Verrückte; da sind noch mehr!« Positiv Musik-verrückte. RockTimer, eben.
Und diese RockTimer haben vergangenen Monat wieder massig auf die Ohren bekommen. Guter Stoff war dabei. Am meisten aus dem Häuschen war vielleicht unser Südrock-Sommelier Steve bei der neuen Scheibe von Blackberry Smoke. Bei The Whippoorwill ging Steve, wie unser Moritz es ausdrücken würde, 'total steil' - vielleicht eine der Scheiben des Jahres. Und das, wo ausgerechnet doch auch die Südstaaten-AH-Mannschaft von Lynyrd Skynyrd mit Last Of A Dyin' Breed endlich wieder eine Positiv-Überraschung gelandet hat. Unseren Experten 'Dangerous' Daniel konnten sie jedenfalls nach zuletzt zweifelhaften Arbeitsnachweisen endlich wieder aus der Höhle locken. Ein Interview mit Ober-Muli Warren Haynes (danke auch an Bluesmagazine.nl) machte einen hochkarätigen Südstaaten-Monat in RockTimes komplett.
Unser Berliner AC/DC-Außenminister Mike hörte derweil die neue Scheibe der Ex-Coverband Riff Raff rauf und runter, Joe ließ sich von Marion James' Soul-Stimme verzaubern und sich von 'Sir' Oliver Mally im Glauben an den Blues bestärken. Wolfgang hielt ein vielstimmiges Americana-Juwel in Händen, und Sabine bewunderte die feinfühlige Tiefsinnigkeit einer Deborah Henriksson und das musikalische Mutmachen einer Cathrine Jauer. Nachhaltigen Eindruck schindete bei Steve außerdem die Rückkehr des jazz-rockenden Mutterschiffs, und bei Markus eine Americana-Perle von Ron LaSalle sowie eine Überraschung mit dem Nachnamen Des Barres.
Und dann hat da noch unser Wolfgang eine Zeitreise der ganz besonderen Art angetreten, und zwar mit den Dixon Brothers. A Blessing To People beinhaltet die Aufnahmen von 1936 bis 1938, begleitet von einem dicken Hochglanz-Buch (1465 Gramm im LP-Format - hossa!), das aufzeigt, in welchem sozialen Umfeld diese Musik einst entstanden ist. Ein Highlight aus dem Hause Bear Family Records - RockTimes fordert Ehrungen, Orden und Auszeichnungen für Richard Weize! 'Altes' kommt manchmal eben richtig gut. Beim Wein gilt ja zuweilen gar 'Je oller, je doller'. Mal sehen, was 'Hells Bells' und 'Back In Black' mal wert sind. Ilka, Ulli und Steve verkosteten den AC/DC-Rebensaft. Kein Witz, sondern ein echtes Review-Highlight von RockTimes-Feinschmeckern!
Sportlich bewegten uns die Olympischen Spiele in London mit anständigen Leistungen der Deutschen, auch wenn rauskam, dass das Innenministerium eigentlich mit 250 goldenen, 500 silbernen und 10 000 Bronzeplaketten kalkuliert hatte. Auch musikalisch waren die Spiele ein 'Hinhörer'- die Abschlussfeier war mal wieder ein Spektakulum. So viele Weltstars in einer Show; und jeder kommt nur für ein paar Minuten - das geht sonst nicht. George Michael, die Spice Girls, Take That und die Pet Shop Boys ... naja, ging vorbei! Aber The Who war schon cool. Und dass der durchaus sehr begabte Pop-Sänger Ed Sheeran als Frontmann von Nick Mason, Mike Rutherford und Richard Jones "Wish You Were Here" sang, bewies mal wieder: Ohne die Rock-Klassiker ist auch heute noch alles halbgar. Großartig: Brian May und Roger Taylor mit Frontfrau Jessie J. im Body Suit. Also nicht May und Taylor, nur Jessie J.. Rock-Röhre statt Pop-Göre, und es war ganz groß. Wenn's drauf ankommt, finden doch alle wieder plötzlich laute Gitarren gut. RockTimes grinste und genoss.
Nachdenklich stimmten uns die Todesnachrichten von Stuart Swanlund von der
Marshall Tucker Band, Rorys 'Pianoman' Lou Martin, No Use For A Name-Frontpunker Tony Sly, Elton Johns langjährigem Bassisten Bob Birch, 'Elb-Cowboy' Lucius B. Reichling und natürlich Flower-Power-Ikone Scott McKenzie. Rest in Peace! Für kleinere Seufzer sorgten die Musiker, die sich auf dem Parteitag der US-Republikaner für Mitt Romneys Wahlkampf hergaben. Journey haben angeblich eine halbe Million Dollar für ihren Auftritt eingestrichen, machten aber kein großes Ding daraus. Ganz im Gegensatz zu Jack Blades, der zur Feier des Tages mit viel patriotischem Pathos über ein 'besseres Amerika' schwadronierte.
Die Nachrichten, die uns mit am meisten bewegt haben, waren aber sicherlich die über ein besseres Russland, das derzeit aber keine Chance zu haben scheint. In Moskau wurden die punkigen Protestlerinnen Pussy Riot doch tatsächlich verknackt. Hierzulande hätte es vielleicht ein Knöllchen gegeben - bei Putin aber zwei Jahre Straflager für 40 Sekunden Laut-Sein in der Kathedrale. Weltweit stieß das überharte Urteil, mit dem offenbar politisch ein Exempel statuiert wurde, für viel Kritik und Solidaritätsbekundungen. Und wir stellen fest: Musik als Ausdruck des Protests ist immer noch stark und wichtig und eckt an und wird gehört, ob gern oder nicht. RockTimes trägt Häkelmaske.
Free Pussy Riot!
Und nun, ab in Richtung Herbst. RockTimes trägt's mit Fassung (in die bei den fortschrittlichen Proggern schon Energiesparlampen kommen, während die Blueser vielleicht noch ihre gehamsterten Glühdrähte abglimmen) und nimmt sich wie immer 'Zeit für gute Musik'. Unter anderem nehmen wir die neue Live-DVD-Box von Willie DeVille und den 78er Auftritt im Rockpalast von Ian Dury & The Blockheads unter die Lupe. Vor Ort sind wir wie jedes Jahr in der Balver Höhle, bei der Hamburg Blues Band im altehrwürdigen Ducsaal und im neu eröffneten 'Jim Knopf, das neue Rockhaus' in Algermissen, wo Johnny Mastro & Mama's Boys ihr neues Album Luke's Dream vorstellen. Außerdem schaffen wir ein bisschen Klarheit im Facebook-Dschungel der Bands und wollen das Security-Gebahren bei Festvals wie 'Rock die Burg' und 'Rock im Wingert' analysieren - da gab es dieser Tage Gesprächsstoff. Und wir liefern Lesestoff.
Man liest sich!
Boris
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